Иван Гончаров

Die Schlucht


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das? Das reicht doch nicht aus! . . .«

      »Wirklich nicht?!« – Und sie begann nur so mit den Hunderten und Tausenden herumzuwerfen.

      Sie hatte nie in der Hauptstadt gelebt, nie einen Einblick in das Leben der jungen Offiziere getan und wußte daher auch nicht, welchen Aufwand der Dienst in der Garbe erforderte.

      »Deine Mittel sollen nicht reichen? Ich kann dir so viel Proviant schicken, daß ein ganzes Regiment genug daran hätte! Die Mittel reichen nicht! Und wo läßt denn der Onkel die Einkünfte des anderen Gutes?«

      »Ich will doch ein Künstler werden, Tantchen!«

      »Was? Ein Künstler?«

      »Ja, Tantchen . . . Sobald ich die Universität absolviert habe, trete ich in die Akademie ein! . . .«

      »Um Gottes willen, Borjuschka! Was redest du da!« rief die Tante, die gar nicht verstand, was er sagte. »Du willst also Lehrer werden?«

      »Nein, Tantchen; nicht alle Künstler werden Lehrer, es gibt berühmte Talente unter ihnen, die sehr geschätzt werden und für ihre Gemälde und ihr Spiel hohe Summen bekommen . . .«

      »Du wirst also für deine Bilder Geld nehmen und an den Abenden für Geld spielen? . . . Wie schmachvoll!«

      »Aber, Tantchen, ein Künstler . . .«

      »Nein, Borjuschka, das darfst du deiner alten Tante nicht antun: laß sie noch die Freude erleben, daß sie dich in der Gardeuniform sieht! Dann kommst du hierher auf Urlaub, als schmucker Offizier . . .«

      »Aber der Onkel meinte doch, ich solle in den Zivildienst eintreten . . .«

      »Was? Ein Bureauschreiber werden? Den ganzen Tag gebückt dasitzen, sich in Tinte baden, mit den Akten unterm Arm aufs Amt laufen? Wer wird dich denn dann heiraten wollen? Nein, nein – du kommst als Offizier hierher zur Tante, und wir suchen dir eine hübsche, reiche Frau aus!« Raiski konnte sich weder für den Vorschlag des Onkels noch für die Pläne der Tante entscheiden – in weiter Ferne jedoch sah er sein eigenes Bild, bald in der Uniform eines Husarenoffiziers, bald in der eines Kammerjunkers. Er prüfte insgeheim, ob er wohl zu Pferde und im Tanzsaal eine gute Figur machen würde. Und er warf eine flüchtige Skizze aufs Papier, die ihn selbst darstellte, nachlässig im Sattel sitzend, den kurzen Kosakenmantel über der Schulter.

      Elftes Kapitel

      Eines Tages ließ die Großtante die alte, hohe Paradekutsche anspannen, setzte ihre Haube auf, zog das silberglänzende Kleid an, legte den türkischen Schal um die Schultern, hieß den Lakaien die beste Livree anziehen und fuhr nach der Stadt, um Einkäufe zu machen und ihren Großneffen in den ihr bekannten Familien vorzustellen.

      Die Kutsche wurde von zwei satten, in langsamem Trabe dahertrottenden Gäulen gezogen, aus deren Brust es wie ein leises Schlucken klang. Der Kutscher hielt die Peitsche in der Faust, die Zügel lagen auf seinen Knien; von Zeit zu Zeit nur zog er sie mechanisch ein wenig an, während er gähnend, mit träger Neugier, die ihm längst bekannten Gegenstände zu beiden Seiten der Straße musterte.

      Es war eine wahre Siegesfahrt, die Tatjana Markowna durch die Stadt unternahm. Niemand, der ihnen begegnete, versäumte, ihr seine Reverenz zu erweisen. Mit dem einen und anderen ließ sie sich in ein kurzes Gespräch ein. Sie nannte dem Großneffen jeden einzelnen beim Namen, erklärte ihm, während sie an den Häusern vorüberfuhren, wer darin wohnte, wie es im Innern aussah – und alles das geschah gleichsam im Fluge, in aller Eile.

      Sie kamen an die aus Holz errichtete große Basarhalle mit ihren zahlreichen Läden. Gleich in den ersten Laden trat sie ein. Der Kaufmann empfing sie mit zahlreichen Bücklingen und unterwürfigem Lächeln, wobei er mit seiner Mütze nach unten hin einen Bogen beschrieb und den Kopf ein wenig auf die Seite legte.

      »Gehorsamster Diener!« sagte er und zeigte zwei Reihen blendend weißer Zähne in dem lächelnden Munde.

      »Guten Tag! Ich bringe Ihnen heut meinen Enkel mit, den eigentlichen Besitzer unseres Gutes. Hier in Ihrem Laden verschwende ich sein Kapital! . . . Ich sage Ihnen: wie er zeichnet und Klavier spielt – großartig!« Raiski zupfte sie leise am Ärmel.

      Kusma Fjodotytsch machte auch vor Raiski eine tiefe Verbeugung.

      »Nun, wie geht das Geschäft?« fragte die Großtante.

      »Danke, ich kann nicht klagen, meine Gnädigste – leider kommen Sie so selten zu mir!« antwortete er, während er in aller Eile den Staub von einem Sessel wischte und ihr diesen ehrerbietig hinschob, für Raiski aber einen einfachen Stuhl hinstellte.

      Der Laden enthielt alle möglichen Artikel: in dem einen Raume Tuche und Kleiderstoffe, in einem zweiten Käse, Zuckerwaren, Gewürze und sogar Bronzen.

      Die Großtante ließ sich verschiedene Stoffe zeigen, fragte nach dem Preise einiger Käsesorten, erkundigte sich, ob er auch Zeichenstifte habe, kam auf die Getreidepreise zu sprechen und begab sich dann nach einem zweiten und dritten Laden. Als sie den ganzen Basar durchwandert hatte, bestand schließlich ihr ganzer Einkauf in einer Wäscheleine, die sie dem Kutscher Prochor mit der Bemerkung übergab, daß nun die Weiber im Dorfe die Wäsche nicht mehr auf die Bäume zu hängen brauchten.

      Prochor betrachtete die Leine eine ganze Weile, untersuchte die beiden Enden und brachte sie schließlich in seiner Mütze unter.

      »Jetzt wollen wir unsere Visiten machen,« sagte sie dann.

      »Zuerst geht’s zu Nil Andrejewitsch.«

      »Wer ist Nil Andrejewitsch?« fragte Boris.

      »Habe ich es dir nicht gesagt? Das ist der Gerichtspräsident, ein sehr einflußreicher Herr: solid, verständig, dabei sehr schweigsam; sagt er etwas, dann liegt sicher auch Sinn darin. Man fürchtet ihn hier allgemein, sein Wort ist von großem Gewicht. Sieh zu, daß du dich gut zu ihm stellst: er liebt es, den Leuten den Text zu lesen . . .«

      »Wie käme er bei mir dazu, Tantchen? Ich habe gar keine Lust, hinzugehen . . .«

      »Schon gut, schon gut!« fiel sie ihm ins Wort. »Du bist noch jung und verstehst das nicht, später wirst du das besser zu schätzen wissen. Wir können nur Gott dafür danken, daß es noch Leute gibt, die einem mal gründlich die Wahrheit sagen! Einem Stutzer, von dem er gehört hatte, daß er am Dreifaltigkeitsfeste nicht in der Kirche war, hat er so gründlich den Kopf gewaschen, daß er nicht ein noch aus wußte. ›Ich will Sie wegen Freigeisterei anzeigen!‹ sagte er zu ihm. Und es ist ihm zuzutrauen, er läßt mit sich nicht spaßen! Zwei Gutsbesitzer aus der Umgegend hat er unter Kuratel gebracht. Man fürchtet ihn wie das Feuer. Und dabei ist er ein herzensguter Mensch – trifft er ein Kind, dann streichelt er es, und einen Käfer, der ihm über den Weg läuft, wird er nie zertreten, sondern vorsichtig mit dem Spazierstock zur Seite schieben: ›Du kannst kein Leben schaffen,‹ sagt er, ›also sollst du auch keins vernichten!‹ Seine ganze Erscheinung ist so imposant: eine mächtige Stirn, wie dein Großvater sie hatte, und ein strenges Gesicht, die Brauen zusammengewachsen. Und seine Sprache ist so klangvoll – zum Entzücken! Sieh nur zu, daß du ihm gefällst! Auch reich ist er – es heißt, daß allerhand Strafgelder in seine Tasche fließen, und die eigene Nichte soll er um ihr Vermögen gebracht und ins Irrenhaus gesperrt haben. Ja, ja, ein bißchen Sünde gibt’s überall . . .«

      Der Besuch bei Nil Andrejewitsch war jedoch vergeblich, der Präsident war zufällig gerade auf dem Gericht.

      Als sie am Hause des Gouverneurs vorüberfuhren, wandte die Großtante hochmütig den Kopf zur Seite.

      »Hier wohnt der Gouverneur Wassiljew. . . oder Popow . . . oder wie er sonst heißt.« Sie wußte ganz genau, daß er Popow hieß, und nicht Wassiljew. »Der gute Mann glaubt, ich werde ihm zuerst meine Aufwartung machen, und zeigt sich nicht bei mir. Da kennt er Tatjana Markowna Bereschkowa schlecht! Die wird sich mit einem ersten besten Herrn Popow oder Wassiljew nicht gemein machen!«

      Der Gouverneur aber »glaubte« gar nichts, die gute Großtante war vielmehr nur ärgerlich darüber, daß er ihr so gar keine Aufmerksamkeit erwies.

      »Nil Andrejewitsch ist doch sicher ein ganz anderer Mann, und der wird es zu Neujahr oder Ostern nie versäumen, bei mir vorzufahren, und auch zu Tisch