Marcus Andrew Hislop Clarke

Deportiert auf Lebenszeit


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wollte, in seiner Hochachtung vor den Gesetzen seine Gedanken nicht äußern. »Zuweilen denke ich aber, ob Güte nicht mehr thun würde, als die Peitsche und die Kette.«

      »Ihre alten Ideen,« lachte Frere. »Denken Sie daran, daß uns das auf dem Malabar beinahe unser Leben kostete. Nein, nein, ich habe genug von den Deportierten gesehen, obgleich meine Kerls nicht so schlimm sind, wie die Ihren; – aber es gibt nur einen Weg, um mit ihnen fertig zu werden. Sie niederhalten! Sie müssen fühlen, wer sie sind, – sie sind hier, um zu arbeiten und wenn sie nicht arbeiten, müssen sie gepeitscht werden, bis sie es thun. Wenn sie gut arbeiten, müssen sie zuweilen mal die Peitsche kosten, damit sie sich erinnern, was ihrer wartet wenn sie faul werden.«

      Sie hatten jetzt die Veranda erreicht und der aufgehende Mond schien glänzend auf die Bucht unter ihnen und erleuchtete mit seinem weißen Licht auch die Spitze der Grummet Felsen.

      »Das ist die allgemeine Meinung,« sagte Vickers, »das weiß ich. Aber bedenken Sie das Leben, das sie führen. Guter Gott,« fügte er mit plötzlicher Heftigkeit hinzu, als Frere still stand, um auf die Bai zu blicken, »ich in kein grausamer Mann und habe niemals unverdiente Strafe ertheilt, aber seit ich hier bin, haben sich zehn Gefangene von jenem Felsen aus ertränkt, – lieber als daß sie das elende Leben länger getragen hätten. Vor drei Wochen erst haben zwei Mann, die beim Holzfällen beschäftigt waren, den Leuten die Hand gegeben und sich dann an in Hand von dem Felsen da hinabgestürzt. Es ist schrecklich, daran zu denken.«

      »Sie sollten sich nicht so betragen, daß sie hierher geschickt werden mußten,« sagte der praktische Frere. »Sie wissen, was sie zu erwarten haben. Es geschieht ihnen schon Recht.«

      »Aber denken Sie nur, wenn ein Unschuldiger dazu verurtheilt ist.«

      »Das kann ich nicht denken,« sagte Frere lachend. »Verdammt die Unschuldigen! Sie sind Alle unschuldig, wenn man ihrer Geschichte glaubt.«

      »Hallo, was ist da oben für ein rothes Licht?«

      »Das ist Dawes’ Feuer auf dem Grummet Felsen,« sagte Vickers und ging hinein.

      »Das ist der Mann, von dem ich Ihnen erzählte. Kommen Sie herein und lassen Sie uns ein Glas trinken. Wir wollen die Thür nach außen schließen!«

       Fünftes Capitel.

      Miß Sylvia

      »Nun,« sagte Frere, als sie hinein gingen, »Sie werden bald fort sein. Sie können Alles bis Ende des Monats zur Abreise bereit haben und ich will dann Mrs. Vickers begleiten.«

      »Was sprechen Sie da von mir?« fragte die eifrige Mrs. Vickers von innen. »Sie sind recht böse Menschen, daß Sie mich so lange allein gelassen!«

      »Mr. Frere ist so gütig gewesen, uns anzubieten, daß er Dich und Sylvia im Osprey mitnehmen will. Ich muß natürlich mit dem Ladybird gehen.«

      »Sie sind sehr gütig, Mr. Frere, wirklich sehr gütig,« sagte Mrs. Vickers, sich an die kleine Courmacherei vor sechs Jahren erinnernd und im Gedanken daran erröthend. »Es ist wirklich äußerst liebenswürdig. Wird es nicht hübsch sein, Sylvia, wenn Du mit Mama und Mr. Frere nach Hobart Town gehen kannst?«

      »Bitte, Mr. Frere,« sagte Sylvia, aus einer Ecke des Zimmers hervorkommend. »Es thut mir sehr leid, daß ich das gesagt habe. Bitte, vergeben Sie mir.«

      Sie sagte das in so steifer, altväterischer Weise, wie sie so vor ihm stand, – die goldnen Haare über die Schultern hängend und ihre Hände über ihrer schwarz seidenen Schürze gefaltet, (Julia Vickers hatte ihre besondere Art, ihre Tochter zu kleiden,) daß Frere versucht war, wieder zu lachen.

      »Natürlich will ich Ihnen vergeben, mein Kind,« sagte er. »Sie meinten es wohl nicht so schlimm?«

      »O ja, ich meinte es wirklich so, deshalb thut es mir so leid. Ich bin zuweilen sehr unartig, obgleich Sie das vielleicht gar nicht glauben, (dies sagte sie im Bewußtsein ihrer Schönheit) besonders bei der Römischen Geschichte. Ich halte die Römer für lange nicht so tapfer wie die Karthager. Was meinen Sie, Mr. Frere?«

      Maurice, etwas beunruhigt durch diese Frage, sagte nur: »Warum nicht?«

      »Nun, ich mag sie nicht halb so gern,« sagte Sylvia mit weiblicher Verachtung aller Gründe. »Sie hatten immer so viele Soldaten, wenn auch die Andern so sehr grausam waren, wenn sie siegten.«

      »Waren sie das?« fragte Frere.

      »Waren sie das? Mein Gott, ja! Haben sie nicht dem armen Regulus die Augenlider abgeschnitten und haben ihn dann in einem Faß mit Nägeln herum gerollt? Wie nennen Sie das, das möchte ich wissen?«

      Mr. Frere, sein rothes Haupt schüttelnd und eine ausgebreitete Kenntnis des Alterthums heuchelnd meinte nur, daß das allerdings nicht hübsch von den Karthagern gewesen sei.

      »Sie sind sehr gelehrt, Miß Silvia,« bemerkte er und fühlte, daß dies selbstbewußte Mädchen ihn sehr bald ausgeforscht haben würde.

      »Lesen Sie gern?«

      »Sehr gern.«

      »Was für Bücher lesen Sie?«

      »O, eine Menge! »Paul und Virginia« »Das verlorene Paradies« »Shakspeares Schauspiele,« »Robinson Crusoe« »Blairs Predigten«, »Den Tasmania Kalender« und »das Buch der Schönheiten« und »Tom Jones.«

      »Eine etwas gemischte Sammlung, fürchte ich,« sagte s Mrs. Vickers mit schwachem Lächeln. Sie machte sich aus; allen diesen Dingen nichts. »Aber unsre Bibliothek ist sehr beschränkt und ich bin kein großer Leser. John, Mr. Frere trinkt gewiß noch ein Glas Brandy und Wasser. O, lassen Sie nur, ich bin eines Soldaten Frau. Sylvia, sage Mr. Frere gute Nacht und gehe zu Bett.«

      »Gute Nacht, Fräulein Sylvia, wollen Sie mir einen Kuß geben?«

      »Nein.«

      »Silvia, sei nicht unhöflich.«

      »Ich bin nicht unhöflich,« rief Silvia noch ärgerlich über die Gleichgültigkeit, mit der ihre literarischen Mitheilungen aufgenommen worden. »Er ist unhöflich. Ich will Sie nicht küssen. Sie küssen, das fehlte noch!«

      »Willst Du nicht, Du kleine Schönheit,« rief Frere, plötzlich vorspringend und seinen Arm um das Kind schlingend. »Dann muß ich Dich küssen!«

      Zu ihrem größten Erstaunen war Miß Silvia in seinen Armen und wurde gegen ihren Willen geküßt. Sie wurde dunkelroth und ihre kleine Faust aufhebend, schlug sie ihn mit aller Kraft auf die Backe.

      Der Schlag war so plötzlich und der augenblickliche Schmerz so groß daß Maurice in seiner natürlichen Rohheit einen derben Fluch ausstieß.

      »Liebe Sylvia,« rief Vickers vorwurfsvoll.

      Aber Frere lachte, faßte beide Hände des Kindes in eine der Seinen und küßte sie wieder und wieder trotz ihres Sträubens. »Da,« sagte er mit einer Art von kindischem Triumph »Du hast nichts dadurch erreicht, – siehst Du?«

      Vickers stand auf, sehr ungehalten, was deutlich in seinem Gesicht zu lesen war und zog das Kind fort und als er das that, machte sie, schluchzend vor Wuth und ganz athemlos ihre Hand los und in einem Anfall kindischer Leidenschaft schlug sie ihren Quäler wieder und wieder.

      »Mann,« schrie sie mit blitzenden Augen, »lassen Sie mich gehen. Ich hasse Sie, ich hasse Sie!«

      »Das thut mir sehr leid, Frere,« sagte Vickers, als die Thür hinter ihr geschlossen war. »Ich hoffe, sie hat Ihnen nicht weh gethan.«

      »Nein, nein, ich mag solche Wuth. So sind die Weiber auf der ganzen Welt. Man muß ihnen nur zeigen, daß man ihr Herr ist.«

      Vickers änderte schnell den Gegenstand der Unterhaltung und unter allen Erinnerungen und Plänen für die Zukunft war bald der kleine Vorfall vergessen. Aber als Frere eine Stunde später über den Gang ging, der zu seinem Zimmer führte wurde er von einer kleinen Gestalt aufgehalten, die in ein großes Shawl gewickelt war. Es war sein kindlicher Feind.

      »Ich habe auf Sie gewartet, Mr. Frere,« sagte sie. »Ich bitte sie um Verzeihung. Ich hätte Sie nicht schlagen sollen, ich bin ein schlechtes Mädchen.