unter den Ausgestoßenen, 1 ein Paria unter denen, welche in der ganzen Welt als Parias da standen.
Drei Mal wurden Angriffe auf sein Leben gemacht, aber damals war er noch seines Lebens nicht ganz müde und vertheidigte es. Diese Vertheidigung wurde von einem Aufseher als Ruhestörung angezeigt und die Ketten, die ihm schon abgenommen waren, wurden ihm wieder angelegt. Seine Stärke, diese rohe Eigenschaft, die ihm allein nützte, verschaffte ihm jetzt Achtung und man ließ ihn in Frieden. Niemand sprach mit ihm. Zuerst war ihm diese Behandlung sehr genehm, aber nach und nach ärgerte sie ihn, dann schmerzte es ihn und zuletzt wurde es ihm ganz unerträglich.
Wenn er am Ruder saß, oder wenn er bis Brust im Schlamm arbeitete, oder fast erlag unter seiner Holzlast, schaute er begierig nach einem Vorwande um, mit Jemand zu reden. Er nahm die doppelte Last auf sich, wenn er ein Glied dieser Menschenraupe bildete, auf deren Rücken ein Baum fortgeschleppt wurde, wenn er nur ein Wort von einem Kameraden hörte. Er arbeitete das Doppelte für ein freundliches Wort. In seiner entsetzlichen Verlassenheit schmachtete er nach der Freundschaft von Räubern und Mördern. Dann kam der Rückschlag und er haßte selbst den Ton ihrer Stimmen. Er sprach nicht und weigerte sich selbst zu antworten. Er aß sogar sein ärmliches Abendbrot allein, wenn die Kette es ihm gestattete. Er kam in den Ruf eines finsteren, gefährlichen, halbverrückten Burschen. Kapitain Bartow, der Oberaufseher hatte Mitleiden mit ihm; und machte ihn zu seinem Gärtner. Er nahm dies an, aber nach etwa einer Woche, als Bartow des Morgens herab kam, fand er alle Sträucher ausgerissen, die Beete zertreten und Rufus Dawes mitten unter den zerbrochenen Gartengeräthen sitzend. Für diese rohe That wurde er gepeitscht. Sein Benehmen auf dem Triangel war sonderbar. Er weinte und flehte, man möge ihn loslassen, fiel dann vor Bartow auf die Knie und bat um Verzeihung. Bartow wollte nichts hören und der Gefangene wurde still. Von der Zeit an, wurde er düsterer denn je, und zuweilen bemerkte man, daß er, wenn er allein war, sich auf die Erde, warf und weinte wie ein Kind. Allgemein glaubte man, daß sein Gehirn etwas gelitten.
Als Vickers kam, bat Dawes um eine Unterredung und flehte, man möge ihn nach Hobart Town zurücksenden. Dies wurde ihm natürlich abgeschlagen, aber er wurde zur Arbeit auf dem Osprey kommandiert. Nachdem er einige Zeit dort gearbeitet und man ihm die Eisen abgenommen hatte, verbarg er sich eines Abends auf dem Schiff und schwamm quer durch den Hafen. Er wurde verfolgt, gefaßt und gepeitscht. Nun fing für ihn die ganze Runde der Strafen an. Er brannte Kalk, zog Balken und ruderte. Die schwerste und niedrigste Arbeit wurde ihm immer aufgebürdet. Vermieden und gehaßt von seinen Gefährten, gefürchtet von den Gefangenenwärtern und mit Unfreundlichkeit von den Vorgesetzten angesehen war Rufus Dawes jetzt völlig in den Abgrund des Elends gesunken, in den er sich theilweise allerdings freiwillig geworfen hatte. Von seinen eigenen Gedanken fast zur Verzweiflung getrieben hatte er sich mit Gabbett und den drei andern Unglücklichen vereinigt, – um zu entfliehen, aber wie Vickers gesagt, war er sogleich wieder gefangen worden. Die schweren Eisen, welche er trug, hatten ihn lahm gemacht und obgleich Gabbett, aus Gründen, die sich später erklären werden, eifrig darauf bestanden, er könne weiter kommen, so fiel der Aermste doch nach den ersten hundert Schritten des schrecklichen Wettrennens und wurde von zwei Freiwilligen ergriffen, ehe er sich noch wieder erheben konnte. Seine Ergreifung gab den Anderen die kurze Freiheit, denn Troke, der mit einem Gefangenen zufrieden war gab die Verfolgung auf dem ziemlich beschwerlichen und selbst gefahrvollen Boden auf und brachte im Triumph Dawes nach der Niederlassung zurück. Er brachte ihn gleichsam als Friedensboten zurück, damit die Nachlässigkeit in der Beaufsichtigung der Entflohenen nicht zu scharf bemerkt würde. Dieses wahnsinnigen Unternehmens wegen war der Deportierte nun zu der einsamen Haft auf dem Grummetfelsen verurtheilt.
In dieser fürchterlichen Einsamkeit war sein Geist, der fortwährend über seinem furchtbaren Schicksal brütete, fast gestört. Er sah Gesichter und träumte wachend. Er lag Stunden lang bewegunslos da und starrte in die Sonne oder in die See. Er sprach mit eingebildeten Wesen. Er lebte die Scene mit seiner Mutter wieder durch. Er redete die Felsen an und rief die Steine als Zeugen auf, daß er unschuldig geopfert. Die Schatten seiner früheren Freunde umgaben ihn und oft hielt er sein gegenwärtiges Leben nur für einen Traum. Aber, wenn er erwachte, befahl ihm stets eine Stimme, in die Wogen zu springen, welche an den Wänden des Felsens sich brachen und diese traurigen Träume für immer aufzugeben.
Mitten in dieser Erstarrung seines Körpers und seiner Seele weckten die sonderbaren Ereignisse längs der Küste der Ansiedlung in ihm einen noch wilderen Haß gegen das Leben. Er sah darin etwas Unverständliches und Unbegreifliches und schloß nur daraus, daß sein Elend wahrscheinlich noch größer werden würde. Hatte er gewußt, daß der Ladybird sich seefertig machte und daß schon der Befehl gegeben, ihn abzuholen, um ihn mit den Andern nach Hobart Town einzuschiffen, er hätte wohl mit der Ausführung seines Entschlusses gezögert, – aber er wußte nichts, als daß die Lebenslast nachgerade unerträglich geworden und daß die Zeit gekommen, wo er diese Last von sich werfen müsse.
Inzwischen war die ganze Niederlassung in großer Aufregung. In weniger als drei Wochen von der ersten Ankündigung an, war Alles zur Abreise in Bereitschaft gesetzt worden. Der Kommandant hatte mit Frere Alles endgültig festgesetzt. Er selbst wollte die Ladybird mit dem Haupttheil der Gefangenen übernehmen. Seine Frau und Tochter sollten zurückbleiben, bis der Osprey segelte, den Frere, sobald er Alles Zurückgelassene zerstört hatte führte.
»Ich will Ihnen eine Korporalswache und zehn Gefangene zurücklassen,« sagte Vickers.
»Sie können ihn mit solcher Zahl leicht regieren.« Worauf Frere, Mrs. Vickers einen lächelnden Blick zuwerfend, erwiderte, daß er, wenn es nothwendig wäre, auch mit fünf Gefangenen genug habe, denn er wisse, wie man die faulen Kerls zur Arbeit anhielte.
Unter den Vorfällen, welche sich während des Aufbruchs ereigneten, ist Einer, der nothwendig berichtet werden muß. Nahe Philips Island, auf der Nordseite des Hafens, liegt Coal Head, wo eine Abtheilung in der letzten Zeit gearbeitet hatte. Diese Abtheilung, welche von Vickers eiligst zurückgerufen war, um bei dem Werk der Zerstörung zu helfen, hatte Holz und Werkzeuge dort zurückgelassen und in der elften Stunde wurde noch ein Boot abgelassen, um diese Reste abzuholen. Die Werkzeuge wurden sorgfältig gesammelt und die Stämme, deren Jeder in Hobart Town fünfundzwanzig Schillinge werth war, zusammengekettet um als Floß eingeschifft zu werden. Die Deportierten ruderten Abends dem Osprey zu, das Floß hinter sich herziehend. Nun er ab es sich, daß in der allgemeinen Unruhe und Eile das Floß nicht gehörig befestigt war, so daß, als der starke Strom dagegen trieb, die Nachlässigkeit der Arbeit sich bestrafte. Die Männer lösten sich und obgleich die Bewegung des Bootes nach vorwärts die Ketten noch stramm hielt, so theilte sich doch die Masse etwas und in dem Augenblick als Troke an der Seite der Ladybird anlegte, sah er, wie ein ungeheurer Stamm sich von den Andern löste und in der Dunkelheit verschwand. Mit ärgerlichem Blick sah er ihm nach, als ob es ein widerspänstiger Gefangener gewesen, dem er nun gern zwei Tage einsame Haft gegeben hätte. Da glaubte er einen Schrei zu hören, der aus der Richtung des verschwundenen Stammes kam. Aber er war viel zu beschäftigt, das übrige Holz zu retten und zu verhindern, daß es dem Boote schaden brächte, als daß er darauf achten konnte.
Den Schrei hatte Rufus Dawes ausgestoßen. Von seinem einsamen Felsen aus hatte er gesehen, wie das Boot der Ladybird zusteuerte und er hatte mit kindischer Wunderlichten, die oft in solchen Augenblicken den Menschen erfaßt, beschlossen, daß wenn das Boot gänzlich für ihn in der Dunkelheit verschwände, er sich in die Tiefe stürzen wolle. Das schwer arbeitende Boot wurde undeutlich und immer undeutlicher, sowie die Ruderschläge es weiter führten. Nur die Gestalt von Troke auf der Hinterbank war noch sichtbar. Auch diese verschwand und als das Floß auf die nächste Welle gehoben, ebenfalls für ihn unsichtbar wurde, stürzte sich Rufus Dawes in die See. Schwer mit Ketten beladen, wie er war, sank er wie ein Stein. Er hatte beschlossen, nicht zu schwimmen und im ersten Augenblick hielt er seine Arme hoch über den Kopf, um schneller zu sinken. Aber als die kurze, scharfe Angst des Erschreckens ihn faßte, als der Schauer des eisig kalten Wassers den geistigen Nebel zerstreute, der ihn umfangen hielt, da griff er verzweifelt aus und gelangte, trotz des Gewichtes seiner Ketten schnell an die Oberfläche. Als das geschah, bemerkte er trotz der Verwirrung, in der er sich befand, daß eine ungeheure, schwarze Masse gerade auf ihn losschwamm. Einen Augenblick kämpfte er gegen den Strom, einen Moment versuchte er, dem Zusammenstoß zu entgehen, – dann fühlte er, daß das Gewicht an seinen Füßen ihn hinunter