Уилки Коллинз

Mann und Weib


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weit und breit bekannt als Mr. Bishopriggs, Mrs. Inchbare’s rechte Hand!

      »Was machen Sie da?« fragte Anne in scharfem Tone.

      Bishopriggs drehte sich auf seinen gichtischen Füßen um, schwenkte sein Staubtuch ruhig in der Luft und sah Anne mit einem milden Lächeln an. »Ich? ich wische den Staub von den Möbeln und bringe das Zimmer für Sie hübsch in Ordnung!«

      »Für mich? Haben Sie nicht gehört, was die Wirthin gesagt hat?«

      Bishopriggs näherte sich ihr vertraulich und wies mit einem sehr unsichern Zeigefinger auf die Börse welche Anne noch in der Hand hielt.

      »Machen Sie sich keine Sorge wegen der Wirthin«, sagte das weise Haupt der Kellner von Craig-Fernie; »Ihre Börse spricht für Sie Madame; stecken Sie sie ein«, rief er, indem er die Versuchung mit seinem Staubtuch von sich jagen zu wollen schien; »stecken Sie sie ein. So lange Menschen, Menschen sind, sage ich, hat eine Frau, die Geld in der Börse hat, überall ihren Werth!«

      Anne’s Geduld, die härtere Proben bestanden hatte, riß bei diesen Worten.

      »Was fällt Ihnen ein, daß Sie so vertraulich mit mir reden?« fragte sie, zornig auffahrend.

      Bishopriggs nahm das Staubtuch unter den Arm und schickte sich an, Anne zu überzeugen, daß er die Ansicht der Wirthin über ihre Lage theile, ohne in der Strenge der Prinzipien mit ihr übereinzustimmen. »Es giebt keinen Menschen auf der Welt, sagte er, der mehr Nachsicht für menschliche Schwächen hätte als ich. O, warum soll ich nicht vertraulich mit Ihnen sein, ich, der ich alt genug wäre, Ihr Vater zu sein und gerne bereit bin, diese Rolle zu übernehmen. Kommen Sie, liebes Kind, bestellen Sie sich ein Bischen Mittagessen. Einerlei ob der Mann da ist oder nicht, Sie haben einen Magen und müssen essen. Wir haben Fisch und Geflügel oder vielleicht ziehen Sie Hammelbraten vor, den Sie aufgebraten bekommen können, wenn die Table d’hote vorüber ist!«

      Es gab nur eine Art« ihn los zu werden. Bestellen Sie für mich, was Sie wollen, nur lassen Sie mich allein!«

      Bishopriggs war mit dem ersten Theil dieses Satzes vollkommen einverstanden und nahm von dem zweiten nicht die geringste Notiz. »Uebertragen Sie mir nur die Wahrnehmung Ihrer Interessen, das ist das Klügste was Sie thun können, fragen Sie nur nach Bishopriggs, so heiße ich, wenn Sie eines anständigen, respectablen Mannes bedürfen, um Ihnen ein Rath zu geben. Setzen Sie sich doch! Aber nicht in den Lehnstuhl, den braucht Ihr Mann, wenn er kommt.«

      Mit diesem passenden Scherz ging der ehrwürdige Bishopriggs Augenzwinkernd zur Thür hinaus. Anne sah nach der Uhr. Nach ihrer Berechnung konnte es nicht mehr lange dauern, bis Geoffrey im Gasthof eintreffen mußte, wenn er Windygates zur verabredeten Zeit verlassen hatte. – Noch ein wenig Geduld und die Skrupel der Wirthin würden beseitigt und die harte Prüfungsstunde für sie vorüber sein. Hätte sie nicht anderswo mit ihm zusammen treffen können, als in diesem barbarischen Hause, unter diesen barbarischen Menschen? Nein, außer in Windygates hatte sie in ganz Schottland keinen Menschen, den sie kannte; es gab keinen andern passenden Ort als den Gasthof und sie mußte noch dankbar dafür sein, daß derselbe so einsam gelegen war, daß sie nicht zu befürchten brauchte, Bekannte von Lady Lundie hier zu treffen.

      Wie groß die Gefahr ihres Aufenthaltes in diesem Gasthofe auch immer sein mochte, der Zweck, den sie verfolgen mußte, rechtfertigte es, daß sie sich dieser Gefahr ausgesetzt hatte; ihre ganze Zukunft hing davon ab, daß Geoffrey sie zu seiner rechtmäßigen Frau machte, nicht die Zukunft an seiner Seite, darauf war nicht mehr zu rechnen, aber die Zukunft eines Lebens mit Blanche, auf das sie jetzt ihre ganze Hoffnung gesetzt hatte. Ihr Muth sank mehr und mehr; ihren Augen entrollten wieder Thränen; sie sagte sich aber, daß es ihn nur reizen würde, wenn er bei seiner Ankunft sie weinend fände; sie nahm sich daher zusammen und versuchte sich durch eine nähere Betrachtung des Zimmers zu zerstreuen. Da war wenig zu sehen. Außer seiner sehr soliden Bauart unterschied sich das Craig-Fernie Hotel in nichts von dem Durchschnitt englischer Hotels zweiten Ranges. Da stand das gewöhnliche, mit schwarzem Haartuch überzogene Sopha, das nur dazu gemacht schien, Diejenigen, die sich auf ihm ausruhen wollten, hinabgleiten zu lassen, da stand der gewöhnliche stark lackirte Lehnstuhl, der besonders dazu fabricirt zu sein schien, die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Rückgrats zu erproben. Die Wände waren mit den gewöhnlichen Papiertapeten beklebt, deren Muster Kopfschmerz und Schwindel bereiten. Da hingen die gewöhnlichen Kupferstiche, welche die Menschheit zu betrachten nicht müde wird; das Portrait der Königin an dem Ehrenplatz, daneben an der einen Seite das Bild des nächst größten aller menschlichen Wesen, des Herzogs von Wellington, und an der andern Seite das Portrait des Vertreters von Craig-Fernie im Parlament. Endlich in einer dunklen Ecke eine Jagdscene. Eine der Eingangsthür gegenüberliegende Thür führte in’s Schlafzimmer und ein Fenster an der Seite blickte auf den freien Platz vor dem Hotel hinaus und gewährte die Aussicht auf die weite Haide von Craig-Fernie, die sich von der Höhe, auf der das Haus stand, weit hinabzog.

      Verzweiflungsvoll wandte sich Anne von der Betrachtung des Zimmers zur Betrachtung der Aussicht. Seit einer halben Stunde war das Wetter schlechter geworden, dichte Wolken hatten sich am Himmel gesammelt, die Sonne hatte sich versteckt und die Landschaft lag grau und finster da. Anne wandte sich ebenso verzweislungsvoll wieder vom Fenster ab.

      Eben wollte sie den hoffnungslosen Versuch machen, ihre ermatteten Glieder auf dem Sopha auszuruhen, als der Klang von Stimmen und Fußtritten vor dem Hause ihre Aufmerksamkeit erregte.

      War Geoffretys Stimme dabei? Nein! Stiegen die Fremden ab?

      Die Wirthin hatte es ihr abgeschlagen, ihr die Zimmer jetzt schon zu vermiethen, es war leicht möglich, daß die Fremden die Zimmer zu sehen verlangten. Und wenn sich unter Ihnen ein Bekannter befand? In ihrer Besorgniß flüchtete sie sich in’s Schlafzimmer und schob den Riegel vor die Thür.

      Im nächsten Augenblick wurde die Thür nach dem Wohnzimmer vom Vorplatz aus geöffnet und Arnold Brinkworth trat von Bishopriggs geführt in’s Zimmer herein.

      »Niemand hier!« rief Arnold sich umsehend aus. »Wo ist sie?«

      Bishopriggs deutete auf die Thür des Schlafzimmers. »O, Ihre liebe Frau ist gewiß in? Schlafzimmer gegangen.«

      Arnold fuhr zusammen. Er hatte, als er die Sache mit Geoffrey in Windygates überlegte, kein Bedenken getragen, sich im Gasthof als Anne Silvester’s Mann zu präsentiren, die Ausführung dieser Verabredung machte ihn jedoch, gelinde gesagt, im ersten Augenblick ein wenig verlegen. Da stand der Kellner, der Miß Silvester als seine Frau bezeichnete und es höchst natürlicher und schicklicher Weise dem Manne der »lieben Frau« überließ, an die Thür ihres Schlafzimmers zu klopfen, um ihr zu sagen, daß er da sei.

      In seiner Verzweiflung fragte Arnold nach der Wirthin, die er bei seiner Ankunft im Gasthause noch nicht gesehen hatte.

      »Die Wirthin ist gerade damit beschäftigt Rechnungen auszuschreiben«, antwortete Bishopriggs, »aber sie wird gewiß gleich kommen, die viel beschäftigte Frau, um auszuforschen, wer Sie sind, wie sie ja die ganze Last der Geschäfte des Hauses auf ihren Schultern trägt.« Mit einer geschickten Wendung ging er von der Wirthin auf sich selbst über. »Ich habe einstweilen dafür gesorgt, es Ihrer Frau so comfortable wie möglich zu machen«, flüsterte er, verlassen Sie sich ganz auf mich.«

      Arnold war ganz von dem Gedanken an die Schwierigkeit erfüllt, wie er Anne seine Ankunft wissen lassen solle; wie bringe ich sie da heraus? fragte er sich mit einem verzweifelten Blick aus die Thür des Schlafzimmers. Er hatte die Worte laut genug gesagt, um von dem Kellner gehört zu werden. Arnold’s betroffener Blick spiegelte sich aus der Stelle in Bishopriggs Gesicht wieder.

      Der Oberkellner von Craig-Fernie hatte eine außerordentlich umfassende Erfahrung von dem Benehmen und dem Wesen jung verheiratheter Paare auf ihrer Hochzeits-Reise. Unzähligen jung verheiratheten Frauen und Männern war er mit glänzenden Erfolgen ein zweiter Vater gewesen. Er kannte jung verheirathete Paare aller Art: Paare, die sich das Ansehen gaben, als wenn sie schon lange Jahre verheirathet wären, Paare, die keine Verstellung versuchen und die sich von älteren Leuten rathen lassen, Paare, die aus Verlegenheit vor dritten Personen sehr gesprächig sind, Paare, die aus dem selben Grunde vor Andern sehr schweigsam sind, Paare, die gar nicht wissen, was sie anfangen sollen, Paare, die wünschen, die Sache wäre