er sofort von Fee beruhigt. »Aber schau mal, in einer Woche fahren wir ohnehin zu den Eltern auf die Insel der Hoffnung. Dort habe ich alle Zeit der Welt, wieder zu Kräften zu kommen.«
»Kann ich mich darauf verlassen, daß du dich dort wirklich schonst?« fragte er zweifelnd.
Er kannte seine Frau gut genug, um zu wissen, daß sie immer Hand anlegte, wenn Not am Mann war. Und es ließ sich nicht leugnen, daß die Roseninsel seit ihrem Bestehen mehr und mehr an Beliebtheit gewonnen hatte und immer ausgebucht war, so daß es genug zu tun gab und jede helfende Hand willkommen war.
»Ich verspreche dir, daß ich die ersten zwei Wochen ganz brav im Liegestuhl verbringen werde!«
Fee gab sich lachend geschlagen. »Jetzt sollten wir aber schleunigst reingehen. Ich möchte nicht gern naß werden, denn der letzte Regen hat mir nicht gerade Glück gebracht«, bemerkte sie mit einem Blick zum Himmel und brachte eilige die Sitzkissen der Gartenstühle in Sicherheit. Sekunden später klatschten die ersten dicken Regentropfen auf die Terrasse, und die Kinder liefen kreischend und lachend nach drinnen.
Auch Isabel hatte alle Hände voll zu tun, um die Tischdecken und Sitzkissen hereinzuholen, bevor sie vollkommen durchnäßt waren. Sie war an ihrem ersten Arbeitstag freundlich von ihren Kollegen Nina und Falk empfangen und eingewiesen worden, so daß sich ihre anfängliche Nervosität schnell gelegt hatte. Auch hatte sie Falk von Langen auf den ersten Blick äußerst attraktiv gefunden. Deshalb war es ihr mehr als unangenehm, daß sie keuchend an der Terrassentür stand.
»Was ist denn mit dir los? Ist dir schlecht?« erkundigte er sich fürsorglich. Er studierte Chemie und würde in einem Jahr seinen Doktor machen. Schon seit Jahren jobbte er im Calimero und kannte die Gäste dort wie kein anderer.
»Danke, es geht schon wieder«, beeilte sich Isa mit einem beschämten Blick zu versichern. »Normalerweise bin ich recht sportlich, aber in letzter Zeit komme ich mir vor, als wäre ich mindestens hundert Jahre alt.« Sie warf ihm einen Seitenblick zu.
»Das solltest du nicht auf die leichte Schulter nehmen und mal zum Arzt gehen. Aber Gunnar sollte das besser nicht erfahren, sonst bist du den Job gleich wieder los«, raunte er ihr noch zu, bevor er ihr zeigte, wo sie die Tischdecken zum Trocknen ausbreiten sollte.
Gunnar Küttner, Chef des Bistros, warf ihr einen prüfenden Blick zu, und Isabel riß sich zusammen.
Da sie intelligent und interessiert an allem Neuen war, hatte es nicht lange gedauert, bis sie selbst die Computerkasse fehlerfrei bedienen konnte. Nach zwei Stunden schon nahm sie freundlich und fehlerfrei Bestellungen auf, brachte Getränke und kleine Speisen an die Tische und kassierte sicher ab. Gunnar beobachtete sie zufrieden von der Theke aus.
»Hast du wirklich noch nie bedient?« fragte er verwundert, als sie wieder einmal mit einem Tablett an den Tresen zurückkehrte und die leeren Gläser abstellte.
»Das ist wirklich mein erstes Mal«, versicherte sie. »Mache ich was falsch?«
»Ganz im Gegenteil, du bist perfekt! Wenn alle so wären wie du, hätte ich keine Personalprobleme mehr«, lobte er überschwenglich, und Isabel freute sich. »Aber da kommen schon neue Gäste«, sagte er.
Sie wandte den Blick der Tür zu. Inzwischen war es recht duster draußen, und die Beleuchtung in dem Lokal war nicht sehr hell, so daß sie die eintretenden Männer nur schemenhaft erkannte. Die blieben im Eingang stehen und sahen sich suchend nach einem freien Tisch um.
Isabel hatte die Situation mit einem Blick erfaßt und ging auf die neuen Gäste zu.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte sie freundlich.
»Gibt’s noch einen Platz für vier Freunde, junge schöne Frau?« fragte Peter und betrachtete sie interessiert. Doch davon ließ sich Isabel nicht aus der Ruhe bringen.
»Da hinten wird gleich was frei, wenn Sie noch fünf Minuten Zeit haben. Vielleicht wollen Sie inzwischen an der Bar warten?«
Nach einer kurzen Besprechung mit seinen Freunden erklärte Klaus sich einverstanden. Isabel ging vor, und die vier Männer folgten ihr.
Tatsächlich wurde der Tisch nach kurzer Zeit frei, und laut lachend und scherzend ließen sie sich dort nieder.
Isabel hatte inzwischen an anderen Tischen zu tun gehabt und wandte sich ihnen nun wieder zu.
»Was darf ich Ihnen bringen? Möchten Sie etwas essen?« erkundigte sie sich freundlich.
Interessiert musterte Peter sie, und auch Achim, der mit seinen anderen Freunden in eine heftige Diskussion verwickelt gewesen war, wurde aufmerksam. Es dauerte nur eine Sekunde, bis er wußte, wen er vor sich hatte. Nervös verschlang er die Hände, ließ sich jedoch nichts anmerken.
»Kann man dich auch bestellen?« fragte er nun mit einem hämischen Grinsen, mit dem er sie auch durch das Fernglas beobachtet hatte. Mit einem durchdringenden Blick schaute er ihr direkt in die Augen.
Verlegen blickte Isabel zu Boden. Solche Unverschämtheiten war sie nicht gewohnt, und Achims Blick ging ihr durch und durch.
»Jetzt hast du das Täubchen verlegen gemacht«, spottete Hansjörg, der sich königlich amüsierte.
Diese Bemerkung war zuviel für sie. Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück zum Tresen, an dem Falk gerade eine Salatplatte entgegennahm. Er bemerkte, daß sie am ganzen Leib zitterte.
»Hast du wieder Kreislaufprobleme?« fragte er kopfschüttelnd.
Doch Isa schüttelte den Kopf. »Wer sind die da drüben?« fragte sie und machte eine Kopfbewegung in Achims Richtung.
Falks Blick folgte dem ihren.
»Da sind der schöne Achim und seine Freunde. Die sind hier stadtbekannt. Warum?« fragte er leise.
»Ich kann sie nicht bedienen. Sie sind so unverschämt und der eine Blonde hat mich so aufdringlich gemustert...«
Falk lachte laut auf. »Du mußt dir schon ein dickes Fell zulegen, Kleine«, sagte er und tätschelte ihr väterlich die Wange.
Isabel wurde bei seiner Berührung heiß und kalt. Doch dann wurde er ernst. »Die drei, die mit Achim amTisch sitzen, sind bloß Schwätzer. Denen kannst du ruhig Kontra geben. Aber vor Achim Welser solltest du dich in acht nehmen. Er ist ein Frauenheld und bekannt dafür, daß er bekommt, was er will. Außerdem ist er sehr cholerisch. Benimm dich so unauffällig wie möglich und wecke nicht seine Aufmerksamkeit.«
Falk meinte es gut, konnte jedoch nicht ahnen, daß sein guter Rat zu spät kam. Achim war bereits wild entschlossen. Er mußte Isabel haben, koste es, was es wolle!
*
Schon wieder antwortete nur die Mailbox von Falks Handy, und Leslie Sanders legte frustriert auf. Sie saß in ihrem Zimmer in ihrem Elternhaus, das in einem kleinen Dorf an der Ostküste Englands lag.
Die Wellen donnerten an die Felsen und kündeten einen Wetterumschwung an. Leslie seufzte und stand auf, um die Vorhänge zuzuziehen.
Den ganzen Tag über hatte sie bereits versucht, ihren Freund zu erreichen, der viele hundert Kilometer weit weg von ihr lebte und den sie schon zwei lange Monate nicht mehr gesehen hatte. Ihre einzige Verbindung waren die Telefonate, die sie manchmal mehrmals täglich führten, doch heute hatte sie kein Glück. Sie konnte nicht ahnen, daß Falk über seinen bevorstehenden Prüfungen und den diversen Nebenjobs die er ausübte, vergessen hatte, sein Handy aufzuladen. So war er unerreichbar für sie.
Um ihre aufkeimende Unsicherheit zu unterdrücken, setzte sich Leslie auf ihr Bett und holte eine Holzkassette hervor, in der sie Falks Briefe und Fotos aufbewahrte. Versonnen nahm sie das letzte Schreiben heraus, las es lächelnd und legte es dann sorgfältig zurück zu den anderen Umschlägen. Dann wanderten ihre Gedanken zurück zu dem schicksalhaften Urlaub in Südafrika, in dem sie Falk von Langen vor zwei Jahren kennen- und liebengelernt hatte. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als sie zusammen in dem alten, klapprigen Touristenbus gesessen hatten. Am Ende des Urlaubs hatten sie bereits Zukunftspläne geschmiedet.
Unsanft