Patricia Vandenberg

Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman


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nicht. Sie sagte, Sie hätten sie bestellt.«

      »Dann kann es sich nur um Isabel Rosner handeln.« Kurz erläuterte Daniel die Vorfälle der vergangenen Nacht.

      »Ja, wenn das so ist!« entgegnete Wendy versöhnlich. »Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich sie reinschicken kann.«

      »Natürlich«, antwortete Daniel und zog sich in sein Sprechzimmer zurück, um alles Nötige für die Untersuchung vorzubereiten.

      Wenig später saß ihm Isabel gegenüber. Sie hatte tiefe Schatten unter den Augen und war blaß.

      »Ich hatte Ihnen doch gesagt, daß Sie sich ausschlafen sollen«, mahnte Daniel streng, nachdem er sie begrüßt hatte.

      »Ich kann nichts dafür, ich bin schon um sechs Uhr wieder aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen«, erklärte sie mit schlechtem Gewissen.

      »Hoffentlich habe ich Ihnen keine Angst wegen Ihrer gesundheitlichen Probleme gemacht!«

      »Nein, nein, das ist es nicht. Dieser unheimliche Mann ist es, der mir keine Ruhe läßt. So etwas habe ich noch nie erlebt.«

      »Bei Tageslicht besehen ist vieles nicht so schlimm, wie es in der Nacht scheint«, versuchte Dr. Norden seine Patientin zu beruhigen. »Vielleicht war er nur betrunken und kann sich nicht mehr an sein unmögliches Benehmen erinnern.«

      »Das ist gut möglich!«

      Nur zu gern wollte Isabel den Worten des Arztes glauben, doch sie wußte nur zu gut, daß Achim Welser am vergangenen Abend nicht viel Alkohol getrunken hatte.

      »Dann wollen wir mal zur Tat schreiten! Zuerst machen wir ein großes Blutbild. Sie dürfen nicht erschrecken, denn dazu benötige ich einige Röhrchen von Ihrem kostbaren Lebenssaft. Es sieht aber nach mehr aus, als es tatsächlich ist.«

      Wie in der Nacht zuvor zuckte Isabel nicht mit der Wimper, als Daniel ihr den Arm abband, die Einstichstelle desinfizierte und eine Kanüle legte, auf die er immer wieder neue Röhrchen aufsetzte und voll Blut laufen ließ. Endlich hatte er genug. »Geht es Ihnen gut?« erkundigte er sich vorsichtshalber, denn es gab durchaus Patienten, die die Blutabnahme nicht gut vertrugen. Isabel gehörte allerdings nicht dazu.

      »Ich bin das gewohnt, weil ich regelmäßig zum Blutspenden gehe«, erzählte sie bereitwillig.

      »Das ist eine gute Sache. Ich würde mir wünschen, daß viel mehr Menschen den Aufforderungen der Blutspendedienste nachkommen würden. Viele Leute ahnen nicht, wieviel Gutes sie mit sowenig Aufwand tun können«, lobte Daniel.

      »Noch dazu, wo ich so eine seltene Blutgruppe habe. Null Negativ ist immer sehr begehrt«, lächelte Isabel.

      Dann war die Prozedur überstanden, und Dr. Norden begann mit der gründlichen Ultraschalluntersuchung. Zuerst schallte er die inneren Bauchorgane, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches feststellen.

      »Das ist alles unauffällig. Man kann förmlich sehen, daß Sie sehr gesund leben.«

      »Unser Körper ist doch unser wichtigstes Gut. Ich verstehe nicht, daß viele Menschen das vergessen.«

      »Sie sollten Medizinerin werden. Ihnen traue ich zu, daß Sie die nötige Überzeugungskraft besitzen, aus jedem einen Gesundheitsfanatiker zu machen«, lächelte Dr. Norden.

      »Ich werde tatsächlich eine Kollegin von Ihnen. Allerdings im vierbeinigen Bereich«, entgegnete Isa nicht ohne Stolz.

      »Gibt es einen Grund, warum Sie die Tiere den Menschen vorziehen?« erkundigte sich Daniel, doch plötzlich verfinsterte sich seine Miene.

      »Was ist los?« fragte sie statt einer Antwort.

      Daniel hatte den Schallkopf des modernen Gerätes inzwischen zur Schilddrüse geführt. Jetzt bewegte er ihn suchend hin und her und beobachtete den Bildschirm aufmerksam.

      »Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber ich fürchte, mit der Schilddrüse ist links etwas nicht in Ordnung.«

      »Was wollen Sie damit sagen?« Vor Aufregung war Isabels Stimme plötzlich ganz heiser.

      »Das kann ich noch nicht sagen. Es sieht nach einem kleinen Knoten aus.«

      »Ist er bösartig?« Sie war den Tränen nahe.

      »Sehen Sie her!« forderte Daniel sie auf und drehte den Bildschirm so, daß Isabel ihn gut sehen konnte.

      »Hier ist der Knoten. Können Sie ihn erkennen?«

      »Ja!« antwortete sie tonlos.

      »In diesem Knoten ist keine Bewegung, er ist ohne Leben. Im Medizinischen nennt man das...«

      »Einen kalten Knoten«, beendete Isabel seine Ausführung.

      Daniel sah sie erstaunt an.

      »Ein bißchen Ahnung habe ich auch von den Menschen«, erklärte sie.

      »Gibt es so etwas bei Tieren auch?«

      »Soweit bin ich noch nicht, aber ich habe ein paar Semester Humanmedizin studiert, bevor ich zur Tiermedizin wechselte. Ein bißchen was davon ist hängengeblieben.«

      »Dann wissen Sie also auch, daß ein kalter Knoten nicht bösartig werden muß, aber dennoch entfernt werden sollte.«

      Isabel nickte stumm, und Daniel spürte großes Mitleid mit dieser sympathischen jungen Frau. Vorsichtshalber tastete er ihre Schilddrüse noch einmal ab.

      »Merkwürdig. Das Gewebe fühlt sich ganz normal an und auch den Knoten würde ich so als unbedenklich einstufen«, erklärte er. »Wenn Sie einverstanden sind, punktiere ich den Knoten, um Gewebe zu erhalten. Das Punktat wird ins Labor geschickt und untersucht. Wir brauchen Sicherheit, bevor wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen.«

      »Wie lange dauert es, bis ein Ergebnis vorliegt?«

      »Eine Woche werden wir uns schon gedulden müssen.«

      »Wie soll ich so lange in Ungewißheit leben?« fragte Isabel verzweifelt.

      »Das kann ich Ihnen leider nicht ersparen.« Dr. Nordens Bedauern war aufrichtig.

      Einen Moment zögerte Isabel, doch dann gab sie ihr Einverständnis zur Punktion. Die Prozedur dauerte nicht lange und war nicht sehr schmerzhaft, da Daniel die Einstichstelle örtlich betäubte. Dennoch hatte er erhebliche Probleme, die kleine Gewebeveränderung mit der Punktionsnadel zu treffen.

      »Hoffentlich reicht das Punktat aus, um ein verwertbares Ergebnis zu erhalten«, sagte er schließlich. »Wir müssen es versuchen. Der Knoten ist so klein, daß es schwer ist, ihn zu finden.«

      Endlich konnte Isabel die Praxis verlassen. Daniel hatte noch versucht, ihr Mut zu machen, doch es war ihrer verzweifelten Miene anzusehen, daß ihm das nicht ganz gelungen war. Er versicherte ihr noch, sie anzurufen, sobald die Ergebnisse der Blutuntersuchung vorlagen, die er gegen Ende der Woche erwartete. Dann trat sie hinaus in den schwülen Sommermorgen. Eine endlos lange Woche lag vor ihr, in der ihre mögliche Krebserkrankung wie ein Damoklesschwert über ihr schwebte. Tränen der Verzweiflung stiegen in Isabels Augen, als sie sich auf den Weg in die Innenstadt machte, um ihre Vorlesung nicht zu verpassen.

      Falk schlief bis in den späten Vormittag hinein, als sein Handy klingelte und ihn unsanft aus dem Schlaf riß. Aber als er Leslies geliebte Stimme erkannte, war er hellwach. Schlagartig standen die Geschehnisse der vergangenen Nacht vor seinem geistigen Auge.

      »Schatz, was ist mit dir?« fragte Leslie, als er einsilbig auf ihre Fragen antwortete.

      »Heute nacht ist eine merkwürdige Geschichte passiert«, begann er stockend und berichtete ihr von den Begebenheiten der vergangenen Stunden.

      »Das arme Mädchen«, sagte Leslie spontan. »Dieses schreckliche Erlebnis wird sie noch lange verfolgen. Ich könnte keinen Schritt mehr ohne Angst auf die Straße tun.«

      »Ich muß unbedingt herausfinden, ob es dieser Achim Welser ist, der Isabel beobachtet. Wenn es so ist, dann befindet sie sich in großer Gefahr. Diesem Typ