tut mir leid, Isa. Ich wollte dich nicht kränken. Natürlich verstehe ich dich«, versuchte Falk sie zu beruhigen. »Ich mache mir auch große Sorgen«, gestand er nach einigem Zögern. Diese Worte kamen ihm schwer über die Lippen, denn er wollte ihr keine unberechtigten Hoffnungen machen, doch für Isabel war dieses Thema abgeschlossen. Das einzige was jetzt zählte war ihre Krankheit.
»Hat Dr. Norden dir etwas über die Befunde gesagt?«
Falk schüttelte den Kopf. »Ärztliche Schweigepflicht. Ich habe ihm versprochen, ihn zu holen, sobald du wach bist. Er wird dir alles erklären.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich es hören will!« Isabels Stimme schwankte.
Die Tür wurde geöffnet, Dr. Norden kam.
»Unser Sorgenkind ist ja aufgewacht. Da bin ich sehr froh!« versuchte Daniel zu scherzen, doch sein Gesicht war sehr ernst. »Darf ich Sie bitten, uns eine Weile allein zu lassen?« wandte er sich freundlich an Falk, der sich sofort erhob. »Ich möchte mit Frau Rosner sprechen.«
Falk drückte Isabel die Hand und warf ihr einen ermutigenden Blick zu, dann verließ er den Raum.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte der Arzt, um Zeit zu gewinnen.
»Ich habe große Angst«, gestand Isabel ehrlich.
»Leider kann ich Ihnen Ihre Sorgen nicht nehmen. Der Befund des Knotens ist unklar. Einiges spricht dafür, daß er nicht bösartig ist, andere Anzeichen weisen jedoch auf dein C-Zell-Karzinom hin.«
»Was ist das?«
»Das ist ein Krebs, der von organfremden Zellen ausgeht, die in das Schilddrüsengewebe eingestreut sind und der genetisch bedingt ist. Er ist gut behandelbar, wenn er frühzeitig erkannt wird, was bei Ihnen der Fall ist«, versuchte Dr. Norden seine Patientin zu beruhigen.
»Was wird jetzt geschehen?«
»Auf jeden Fall müssen wir so schnell wie möglich operieren, um endgültige Klarheit zu bekommen. Ich habe bereits mit Frau Dr. Behnisch, der Leiterin dieser Klinik und Dr. Pfaller, dem Oberarzt der Chirurgie, gesprochen. Beide sind bereit, die Operation so schnell wie möglich durchzuführen, damit Sie nicht länger im Ungewissen leben müssen.«
»Am allerliebsten wäre es mir, Sie würden gleich anfangen. Ich weiß nicht, ob ich nicht bis morgen vor Angst gestorben bin!« Isabel schnitt eine Grimasse, doch Daniel erkannte die Panik in ihren Augen.
»Sie bekommen die beste Behandlung, die nur möglich ist. Und gegen die Angst gibt es wirksame Beruhigungsmittel. Wenn Sie möchten, bringe ich Ihnen heute abend Baldrian-Tropfen vorbei. Die wirken Wunder!«
»Sind Sie sicher?« Isabel war skeptisch, ließ sich jedoch auf Daniels Vorschlag ein. Es war ihr jedes Mittel recht, um nicht länger leiden zu müssen.
»Jetzt kommt gleich noch der Anästhesist, Dr. Bachmann. Er wird morgen die Narkose durchführen und braucht noch einige Informationen von Ihnen.« Gleich darauf öffnete sich die Tür. Herein kam ein großer, gutaussehender Mann mit dunklem Haar und begrüßte Daniel und Isabel.
»Mein Name ist Christoph Bachmann. Ich bin hier zuständig für den guten Schlaf«, scherzte er, und Isabel fühlte sich in seiner Gegenwart gleich wohl.
Daniel nutzte die Gelegenheit und verabschiedete sich. Chris und Isa blieben allein zurück. Mit großen, ängstlichen Augen beobachtete sie den Arzt, der seine Unterlagen ordnete.
»Dann wollen wir mal. Ich habe ein paar Fragen, damit auch alles gutgeht.«
»Ich möchte eigentlich gar nicht zuviel darüber nachdenken«, gestand Isa leise.
Chris hob die Augen und sah sie prüfend an.
»Angst?« fragte er, und es lag so viel Verständnis in diesem einen Wort, daß ihr heiß und kalt wurde.
»Es ist lächerlich, da ich selbst Tiermedizin studiere. Aber ich selbst bin noch nie operiert worden.«
»Was gefällt Ihnen daran nicht?«
»Daß ich die Kontrolle verliere und nicht mitbekomme, was mit mir geschieht. Und daß ich nicht mehr aufwachen könnte.«
»In dieser Hinsicht kann ich Sie beruhigen. Bei mir ist noch jeder wieder wach geworden. Aber vielleicht hilft es Ihnen ja, daß ich die ganze Zeit bei Ihnen sein werde und nicht von Ihrer Seite weiche.«
»Bestimmt?«
»Natürlich. Soll ich Ihre Hand halten, bevor Sie einschlafen?«
Isabel sah ihn forschend an und versuchte, ein Zeichen des Spotts in seinem sympathischen Gesicht zu entdecken, jedoch vergeblich.
»Kann ich das morgen entscheiden?« fragte sie leise.
Dr. Bachmann lächelte nur, dann wandte er sich wieder seinen Unterlagen zu und stellte Isabel einige Fragen zu ihrem Gesundheitszustand. Schließlich mußte sie eine Einverständniserklärung unterschreiben, bevor sein Besuch beendet war.
»Das war’s schon. Schlafen Sie gut.« Er verabschiedete sich lächelnd, und bevor Isabel etwas erwidern konnte, war er schon verschwunden.
Sinnend lag sie im Bett. Für kurze Zeit war die drohende Operation aus ihren Gedanken gebannt. Sie dachte nur an Christoph Bachmann, der sie mit seinem Einfühlungsvermögen und seinem Verständnis verzaubert hatte. Doch dann schob sie diese Schwärmereien entschieden beiseite. Erst vor ein paar Tagen hatte sie sich vermeintlich in Falk von Langen verliebt, was sie im Nachhinein sehr verwunderte. Normalerweise war sie sehr kritisch, was Männerbekanntschaften anging und es lag ihr fern, sich Hals über Kopf zu verlieben. Offenbar wirkte sich ihre Erkrankung auch auf ihr Gefühlsleben aus.
*
Der Abendbrottisch im Hause Norden war gedeckt und die ganze Familie wartete auf Daniel. Es war das letzte Wochenende vor den großen Ferien, und der Familienrat hatte beschlossen, bereits nach der Zeugnisausgabe am Mittwoch auf die Insel der Hoffnung zu fahren. Die Kinder hatten ihre Großeltern Anne und Johannes Cornelius seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen und freuten sich unbändig auf ein Wiedersehen.
Auch Fee verspürte inzwischen eine große Sehnsucht nach ihren Lieben und nach der Roseninsel, auf der sie mit ihrem Mann eines Tages leben wollte. Daher war die Enttäuschung groß, als Daniel endlich nach Hause kam und mit betretener Miene die unerfreuliche Nachricht verkündete, daß an eine Abreise vorläufig nicht zu denken war.
»Es tut mir leid, aber als Arzt muß man gelegentlich Opfer bringen, das kennt ihr ja schon«, schloß er seine Ankündigung und ließ sich seufzend auf seinen Stuhl fallen.
Ein langes Schweigen entstand, das Danny als erster durchbrach.
»Ich kann ja nur für mich sprechen, aber ich denke, daß wir alle wissen, daß dir diese Entscheidung nicht leichtfällt. Du wärest sicher auch lieber gleich auf die Insel gefahren. Deshalb sollten wir dir das Leben nicht schwerer machen, als es eh schon ist und nicht jammern. Die Ferien sind lang genug, so daß noch genug Zeit für Omi und Opi bleibt.« Aufmunternd blickte er seinen Vater an, der seinen Sohn mit einer Mischung aus Rührung und Respekt betrachtete.
»Ich danke dir für dein Verständnis, Danny«, entgegnete er. »Ich bin überzeugt, daß du ein großartiger, verantwortungsbewußter Arzt werden wirst. Und ich verspreche, daß wir zur Entschädigung am Ende der Ferien einen kleinen Abstecher ans Meer machen werden.«
Fee standen vor Rührung die Tränen in den Augen, doch das fiel nicht weiter auf, denn gleich darauf brach ein Indianergeheul an, ausgelöst von Jan und Dési, die das Meer über alles liebten.
»Hurra, wir fahren an den Strand!« jubelten sie, und jeder versuchte den anderen zu übertönen.
»Wohin fahren wir denn?« rief auch Anneka begeistert, und Felix ließ verlauten, daß er in diesem Fall gern einen Surfkurs machen würde.
»Nicht so laut, Kinder, mir fallen gleich die Ohren ab«, versuchte Fee die aufgeregten Gemüter zu beruhigen und blickte ihren Mann lächelnd an. Er hatte es wieder einmal verstanden,