sie an beiden Händen hoch. Jetzt machte sich ihr schlechter Allgemeinzustand bemerkbar, denn sie zitterte am ganzen Leib. Als Falk sie nach ihrer Adresse fragte, gab sie leise Auskunft, dann ließ sie sich führen, froh, nicht mehr allein zu sein.
Keuchend stand Achim Welser in einer Nische der Unterführung und beobachtete Falk und Isabel, wie sie aufstanden und langsam die Treppen zur U-Bahn hinuntergingen. Dann hatten sie sich seinem Blick entzogen, und er konnte sein Versteck verlassen. Mit langen Schritten durchmaß er die Unterführung und ging dorthin zurück, woher er gekommen war, da er seinen Wagen in einer Seitenstraße nahe des Calimero geparkt hatte. Seine undurchsichtige Miene gab seine Gefühle nicht preis, doch ein leises, boshaftes Lächeln umspielte Achims Lippen. Hoffentlich kommt mir dieser junge Kerl nicht in die Quere. Sonst ergeht es ihm schlecht, dachte er bei sich, während er die Tür seines Sportwagens aufschloß und einstieg. Kurz darauf heulte der Motor auf, bevor das schwarze Cabriolet in der Dunkelheit verschwand.
*
Verwirrt setzte sich Fee im Bett auf und machte Licht. Daniel schlief tief und fest neben ihr, während sie auf die Uhr schaute und ihn dann entschlossen rüttelte.
»Dan, wach auf, das Telefon klingelt. Das kann nur für dich sein!«
Unwillig drehte er sich auf die andere Seite, doch Fee gab nicht auf. Endlich drangen ihre Worte zu ihm vor, und mit einem Schlag war er hellwach.
»Wie spät ist es?« fragte er, während er aus dem Bett sprang.
»Viertel vor drei!«
»Das kann nur ein Notfall sein!« Mit diesen Worten verließ er eilig das Schlafzimmer und hastete hinunter in die Diele zum Telefon. »Hier Dr. Norden.«
»Es tut mir leid, Sie so spät zu stören, aber ich brauche dringend Ihre Hilfe!« Eine männliche Stimme rief verzweifelt in den Hörer, so daß es in Daniels Ohren klingelte.
»Wer sind Sie, und was ist geschehen?«
»Mein Name ist Falk von Langen. Ich bin in der Wohnung von Isabel Rosner, einer Patientin von Ihnen.«
»Was ist mit Frau Rosner?« Sofort erinnerte sich Daniel an die junge, hübsche Frau, die seit fast zwei Jahren seine Patientin war. Er sah sie zwar nur zu Routineuntersuchungen und Impfungen, denn sie erfreute sich einer guten Gesundheit, aber ihr freundliches, zurückhaltendes Wesen war ihm gut im Gedächtnis geblieben.
»Ich weiß es nicht genau. Sie sagt, sie fühlt sich schon seit Wochen sehr schwach. Heute abend hat sie sich sehr aufgeregt. Es geht ihr schlecht, und sie bat mich, Sie anzurufen.«
»Welche Symptome hat sie?«
»Sie zittert am ganzen Leib und steht offenbar unter Schock.«
»Geben Sie mir die Adresse, ich komme sofort.«
»Was ist los, Liebling?« fragte Fee verschlafen, als Daniel wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte.
»Ich weiß es nicht genau. Es geht um eine Patientin, die ich bisher immer nur zu Routineuntersuchungen gesehen habe.«
»Merkwürdig!« murmelte Fee noch, doch mehr Energie hatte sie nicht mehr. Sie schloß die Augen und war augenblicklich eingeschlafen.
Bevor Daniel das Zimmer verließ, küßte er sie zart auf die Stirn und löschte dann behutsam das Licht.
*
Während Falk auf den Arzt wartete, ging er unruhig in Isabels Schlafzimmer auf und ab. Sie hatte sich inzwischen etwas beruhigt, lag aber immer noch zitternd auf dem Bett. Er hatte ihr einen Tee gekocht, aber mehr konnte er im Moment nicht für sie tun.
»Du bist so lieb«, flüsterte sie, als er ihr die Tasse brachte. Es rührte ihn, daß sie seine Bemühungen in ihrem schlechten Zustand noch würdigte.
»Ist schon gut«, entgegnete er freundlich.
Das Licht im Zimmer war gedämpft, und es roch stickig. Falk trat ans Fenster, um etwas frische Luft herein zu lassen. Dabei fiel sein Blick auf den Wohnblock gegenüber. Alle Fenster waren dunkel, nur in einem Zimmer brannte noch Licht. Es lag genau auf derselben Höhe wie Isabels Schlafzimmer. Da der Raum keine Vorhänge hatte, konnte Falk ungeniert hineinschauen, erkannte aber wegen der Entfernung nicht viel. Plötzlich stutzte er. Stand da nicht eine Gestalt am Fenster und schaute direkt zu ihm herüber? Der Statur nach handelte es sich um einen Mann, der einen Gegenstand vor die Augen hielt. Doch bevor Falk noch mehr erkennen konnte, hatte der Unbekannte ihn offenbar ebenfalls entdeckt. Wie von Geisterhand erlosch das Licht im gegenüberliegenden Fenster, und Falk konnte nichts mehr erkennen.
Plötzlich war ihm klar, was hier gespielt wurde! Mit einem Ruck wandte er sich ab und zog die Vorhänge zu. Immer noch zitternd drehte sich Isabel bei dieser heftigen Bewegung zu ihm um und sah ihn fragend an.
»Was ist denn passiert?« flüsterte sie.
»Ich will nicht, daß so viel Ungeziefer hier hereinflattert«, antwortete er ausweichend. In ihrem derzeitigen Zustand wollte er Isabel nicht noch mehr verunsichern, dennoch war ihm klar, daß er ihr sagen mußte, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach beobachtet wurde. Und das war kein angenehmer Gedanke.
Falk nahm sich vor, auf dem Nachhauseweg die Namensschilder des gegenüberliegenden Wohnblocks zu studieren, doch dann klingelte es an der Tür, und seine Gedanken waren wieder ganz bei Isabel.
»Vielen Dank, daß sie gleich gekommen sind!«
Er hatte die Tür geöffnet und führte Dr. Norden ins Schlafzimmer. Dort lag Isabel vollständig bekleidet auf dem Bett und sah Daniel mit schreckgeweiteten Augen entgegen.
»Frau Rosner, was ist geschehen?« erkundigte sich Daniel Norden beunruhigt, während er sich neben ihr niederließ.
»Sie müssen mir helfen, ich habe solche Angst«, flüsterte Isabel nur und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, von dem sie geschüttelt wurde.
»Keine Sorge, es wird Ihnen nichts geschehen«, versuchte Daniel sie zu beruhigen. Schnell hatte er festgestellt, daß sie einem Nervenzusammenbruch nahe war und bereitete eine Injektion vor.
»Ich spritze Ihnen jetzt ein beruhigendes Mittel, dann wird es Ihnen schnell bessergehen«, erklärte er, während er die Armbeuge desinfizierte und dann die Nadel setzte. Isabel zuckte nicht mit der Wimper. Schon nach kurzer Zeit setzte die Wirkung des Mittels ein, und sie wurde merklich ruhiger. Falk, der in der Tür stand und das Geschehen beobachtete, seufzte erleichtert.
»Es tut mir so leid, daß ich solchen Ärger mache«, flüsterte sie beschämt. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. So kenne ich mich gar nicht.«
»Das werden wir gemeinsam schon herausfinden«, sagte Daniel beruhigend.
»Hauptsache, es geht dir wieder besser!« beeilte sich Falk zu versichern.
»Und jetzt erzählen Sie mir, was passiert ist«, forderte Daniel sie auf.
Stockend begann Isabel, von den Ereignissen der vergangenen Stunden zu berichten, immer wieder unterbrochen von Falk, der etwas hinzufügte oder richtigstellte.
Als die beiden geendet hatte, schüttelte Daniel nachdenklich den Kopf.
»Ich verstehe, daß Sie sich darüber sehr aufgeregt haben. Aber das allein kann nicht der Grund für Ihren Zusammenbruch sein. Sie sind doch eine sportliche, gesunde Frau und noch dazu so jung.«
»Es geht mir schon seit längerem nicht so gut. Deshalb wollte ich mir morgen auch einen Termin bei Ihnen holen«, erklärte Isabel leise.
»Was fehlt Ihnen denn?«
»Eigentlich nichts besonderes. Ich fühle mich nur so merkwürdig schlapp und antriebslos in letzter Zeit. So, als ob ein Auto mit angezogener Handbremse fährt.«
Bei diesem Vergleich mußte Falk lächeln, doch Daniel wußte genau, was sie meinte.
»Sie sollten gleich morgen früh in meine Praxis kommen. Dort habe ich alle Geräte, die ich zu einer gründlichen Untersuchung brauche. Auf jeden Fall sollten wir ein ausführliches