du den Wind, Marie?“, fragt Merle schnaufend. „Der schiebt uns von hinten. Dann werden wir doch ein bisschen schneller.“
„Aber Merle, woher kommt eigentlich der Wind?“, will Marie wissen.
„Na, von den Windmühlen!“, ruft Merle und tritt ordentlich in die Pedale.
Plötzlich kommt ihnen Basti entgegen: „Das sag ich meiner Mama!“, ruft er. „Und die sagt das deiner Mama! Du bist nicht mehr mein Freund! Und ich lade dich auch nicht zu meinem Geburtstag ein!“
Ein Stück weiter sitzt Toni zwischen zwei Fahrrädern auf dem Boden und weint. Merle und Marie steigen von ihren Rädern, um Toni aufzuhelfen.
„Basti wollte mit meinem Fahrrad fahren, weil ich eine Hupe habe und er nicht“, schluchzt Toni. „Aber ich wollte nicht tauschen, weil seine Fahne gar keine Geräusche machen kann.“
„Und jetzt hast du extra meine Fahne kaputt gemacht, damit ich gar nichts Schönes mehr an meinem Fahrrad habe!“, schreit Basti aufgebracht.
Herr Wagner kommt aus seinem Garten. Er hat das Gefühl, dass es gut sein könnte, sich einzumischen. „Hej, hej, hej!“, sagt er und bückt sich ein wenig auf Bastis Höhe.
Toni schluchzt: „Das stimmt ja alles nicht. Ich bin doch nur aus Versehen hingefallen!“
„Ich will das nicht hören!“ Basti ist außer sich. „Tonis Fahrrad ist viel cooler als meins. Und wenn auch noch meine Fahne kaputt ist, ist es ganz Schrott!“
Toni weint wieder los.
Herr Wagner sagt: „Basti, hör mir mal kurz zu. Mir fällt was ein, das in der Bibel steht: Jeder Mensch sei schnell zum Hören bereit – zum Reden und zum Zorn, da lasse er sich Zeit.“
Basti schnieft in seinen Ärmel: „Das ist doch ein Reim! So was steht nicht in der Bibel. Höchstens in einem Freundebuch!“
Toni versucht zu erklären: „Ich bin nicht mit Absicht hingefallen. Das mit der Fahne tut mir leid!“
„Ach, ja?“ Basti regt sich auf. „Mit deinem Fahrrad bist du den ganzen Tag nicht hingefallen! Aber mit meinem! Das war hammer-Absicht! Am besten mache ich dir deine Hupe auch kaputt!“
Herr Wagner hält Basti zurück, als der zu Tonis Fahrrad lostrampeln will. „Jetzt ist es gut, Basti. Zuallererst beruhigst du dich.“ Er reicht ihm ein Taschentuch. Auch Toni bekommt eines. „Ich möchte dir sagen, warum jeder Mensch schnell zum Hören bereit sein soll und sich lieber Zeit lässt für Zorn und Reden.“
Basti schweigt.
„In der Bibel steht: Im Zorn tut keiner, was Gott gefällt. Überleg mal, Basti. Du hast Toni die Freundschaft gekündigt. Du hast ihn beschuldigt, dass er dir extra Schaden zugefügt hat und fast hättest du Toni auch noch seine Hupe kaputt gemacht. Obwohl dein Kollege hier sitzt wie ein Häufchen Elend und einfach nur versucht, mit dir eine Lösung zu finden. Meinst du nicht, dass ihr euch kurz die Zeit nehmen solltet, euch zu beruhigen?“
„Ja“, nutzt Toni die Stille. „Ich wollte dir sagen, dass ich zum Geburtstag zwei Hupen geschenkt bekommen habe. In meinem Zimmer liegt noch eine. Die kannst du haben.“
Basti zieht die Nase hoch. Auch Toni schnieft. Da müssen beide lachen.
„Tschuldigung“, sagt Toni.
„Ja, ja“, stammelt Basti. „Wie heißt noch gleich der Freundebuch-Spruch?“
„Den willst du noch einmal hören?“, freut sich Herr Wagner. „Also gut: , Jeder Mensch sei schnell zum Hören bereit – zum Reden und zum Zorn, da lasse er sich Zeit.‘“
Basti springt auf und schnappt sich sein Rad: „Und zum Fahrradreparieren! Alter, da brauchen wir auch ein bisschen Zeit!“
„Jaja, wofür so ein Pirat alles Zeit braucht“, stellt Merle fest. Sie klopft sich vor ihren rosa Fahrradhelm.
„Für Reden und Repapieren“, fasst Marie zusammen. Sie greift in ihren Fahrradkorb und nimmt den roten Apfel. Liebevoll hält sie Pferdchen Hüh das Obst vor das Maul. „Willst du nicht? Sind wir doch zu schnell gefahren und nun ist dir schlecht?“ Schulterzuckend blickt sie Merle an.
Merle nimmt Marie den Apfel aus der Hand und beißt hinein. Schmatzend sagt sie: „Hier Marie. Den essen wir beide. Wenn selbst ein Pirat Zeit für alles Mögliche hat, dann haben wir auch Zeit, für Pferdchen Hüh einen neuen Apfel zu besorgen, falls es wirklich noch Hunger bekommt.“
6
Ein Igel zu Gast
Mit hochgestrecktem Arm und ein wenig aufgeregt winkt Frau Engelhard den Kindern aus ihrem Gartenbeet zu. Den Zeigefinger der anderen Hand hat sie über die Lippen gelegt.
„Wir sollen kommen, glaube ich!“, übersetzt Toni aus der Ferne.
„Nö, wir sollen nur leise sein!“, vermutet Marie.
Merle läuft lachend los und ruft: „Kommen und leise sein!“
So ruhig sie können, galoppieren die vier Kinder zu Frau Engelhard.
„Was ist denn?“, fragt Toni laut.
„Ein Iiiiigel!“, flüstert Frau Engelhard, immer noch den Zeigefinger über ihre Lippen gelegt. „Guckt euch den mal an! So ein süßer Kerl!“ Sie hebt vorsichtig die unteren Äste eines Busches an.
„Oh, wie süüüß!“, quietscht Marie und lässt sich direkt vor dem kleinen Igel auf die Knie plumpsen. Sofort rollt sich das schüchterne Tier zu einer Kugel. „Was macht er denn jetzt?“, fragt Marie.
„Du hast ihn erschreckt!“, schimpft Merle und stemmt ihre Fäuste in die Hüften.
Frau Engelhard streicht Marie über die Hand: „Jeder Igel rollt sich zusammen, wenn er Angst hat. Nur so kann er sich schützen. Das hier ist ein Braunbrustigel. Hast du die braune Brust gesehen?“
„Der rollt sich zusammen? Dann ist er ein Rollmops“, albert Toni.
„Wenn ein Hund Ball spielen will und so eine Kugel rumliegt, beißt er bestimmt rein“, schließt sich Basti an. „Hat der Hund dann Stacheln in der Zunge?“
Merle grübelt: „Warum rennt der Igel nicht einfach weg?“
„Mich wundert auch, dass er am Tag zu sehen ist“, sagt Frau Engelhard. „Normalerweise gehen Igel nachts auf Nahrungssuche. Nicht, wenn es hell ist. Da stimmt was nicht.“
„Wo wohnt er denn?“, fragt Merle.
Basti reckt sich kopfschüttelnd: „Igelhaus eins in der Igelstraße in Igelstadt.“
„Im Unterholz“, erklärt Frau Engelhard geduldig.
„Ich kenne nur Unterhose“, sagt Marie, die wirklich nicht weiß, was „Unterholz“ ist.
„Na, unterm Holz!“, mischt sich Toni ein. „Können wir den Igel nicht mit nach Hause nehmen? Dann brauchen wir nicht halb unter den Busch zu kriechen und können ihn trotzdem beobachten.“
Frau Engelhard schüttelt den Kopf. „Die meisten Igel müssen nicht von Menschen versorgt werden. Das können sie richtig gut alleine. Außer im Winter, wenn man ein schrecklich abgemagertes Tier sieht oder ein Verletztes.“
„Also, ich finde, er