Lilly Grunberg

Verführung der Unschuld 2


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Durch einen dummen Fehler hatte sie ihre Lehrstelle als Floristin in Florenz, ihrer Geburtsstadt, verloren. Nur deshalb hatten ihre Eltern sie nach Lucca zu Onkel Bruno geschickt, damit sie vorerst in seinem Cateringservice arbeiten und bei seiner Familie wohnen sollte. Ihrer Tante jedoch war es lästig gewesen, das Mädchen bei sich aufzunehmen, so dass der Onkel, von seiner Frau unter Druck gesetzt, für Giulia eine andere Anstellung finden musste. So war sie schließlich im Haushalt der Morenos gelandet. Eigentlich war dies eine glückliche Fügung gewesen, hatte sie letztlich doch hier ihren geliebten Ehemann kennengelernt. Und nun waren sogar ihre Eltern und Onkel Bruno zufrieden. Eine bessere Partie hätte sie wohl kaum machen können.

      Auch im großen Wohnzimmer, das sie auf dem Weg zur Veranda durchqueren mussten, hatte sich auf den ersten Blick nichts verändert. Frische Blumen standen auf dem eleganten Sideboard und erfüllten den Raum mit einem angenehmen Duft.

      Obwohl die Arbeit anstrengend war, hatte Giulia sich hier wohl gefühlt, weil Mamsell Concetta, die dem Haushalt vorangestanden hatte, Giulia lobte und ihr verantwortungsvolle Aufgaben zuteilte. Wenn sie daran zurückdachte, wie sie der Verführung der Brüder und ihren speziellen sexuellen Wünschen erlegen war, befiel sie noch heute ein erregendes Kribbeln. Besonders gerne erinnerte Giulia sich an die Reise, die sie zu dritt nach Rom und nach Pompeji unternommen hatten. Es war zu einem Erlebnis der besonderen Art geworden, das sie nie vergessen würde.

      Diesem Hoch ihres Glücks war ein jäher Abstieg gefolgt. Als sie schwanger geworden war und überstürzt und völlig kopflos davonlaufen wollte, war sie von Antonella aufgehalten und zur Patrona gebracht worden. Nur dank deren Einsatz hatte alles noch ein gutes Ende genommen.

      Giulia schaute ihrem Mann ins Gesicht. Ihr Herz pochte ein wenig schneller. Sie liebte ihn so sehr. Im Augenblick wirkte er ein wenig angespannt, was nicht überraschend war. Seit sie geheiratet hatten, hatte er nie mehr über seinen Bruder gesprochen. Es war ihm bestimmt nicht leicht gefallen, sein bisheriges Leben völlig umzukrempeln. Aber nicht ein einziges Mal hatte er ihr das Gefühl gegeben, sie wäre daran schuld, und dafür war sie ihm sehr dankbar. Von ihrer Schwiegermutter hatte Giulia erfahren, dass die Zwillinge von Geburt an alles gemeinsam gemacht hatten, einschließlich der Gründung ihrer erfolgreichen Immobilienfirma, die Lorenzo seit dem Weggehen seines Bruders alleine führte.

      »Mein Bruder! Wie ich mich freue, dich wiederzusehen.« Mit ausgebreiteten Armen ging Federico auf seinen Zwilling zu, als Lorenzo und Giulia auf die Terrasse hinaustraten.

      Die über dem knackigen Po enganliegende helle Sommerhose und das weiße Poloshirt einer Nobelmarke unterstrichen seine sportive Statur. Offensichtlich hatte er sich in letzter Zeit viel in der Sonne aufgehalten, so braungebrannt wie er war. Hatte ihr Mann nicht irgendetwas erwähnt, dass Federico einen Segeltörn auf dem Mittelmeer gemacht hatte?

      Mit einem flüchtigen Rundumblick stellte Giulia fest, dass ihre Schwiegereltern bereits anwesend waren und es sich auf einem mit Polstern ausgestatteten Rattansofa unter einem riesigen Sonnenschirm gemütlich gemacht hatten. Sie nickte ihnen erleichtert zu. Wenn ihre Schwiegereltern dabei waren, konnte es nicht so schlimm werden. Bei ihnen saß eine blonde Frau, einige Jahre älter als Giulia, auf der Kante eines Gartenstuhls, und beobachtete alles sehr aufmerksam. War das etwa ihre neue Schwägerin?

      Wow. Das war eine – Dame, so elegant gekleidet, die Haare zu einer tollen Frisur hochgesteckt. War sie etwa genauso unnahbar wie Federico?

      Dieser küsste nun seinen Bruder links und rechts auf die Wangen und umarmte ihn. »Deine neue Rolle als Ehemann und Vater scheint dir gut zu bekommen. Du siehst prächtig aus.«

      Nicht so sehr wie du, schoss es Giulia durch den Kopf. Die letzten Wochen waren besonders arbeitsintensiv und anstrengend gewesen und auch zuhause war Lorenzo kaum zur Ruhe gekommen. Die Kleine hatte eine Zeit lang nachts gequengelt und Lorenzo, als fürsorglicher Vater, hatte sich mit Giulia dabei abgewechselt, aufzustehen und nach ihr zu sehen. Leichte Schatten lagen unter seinen Augen. Wir sollten auch mal ein paar Tage Urlaub machen, einfach irgendwohin fahren, Tapetenwechsel.

      Mit einem überaus freundlichen Lächeln wandte Federico sich nun Giulia zu und neigte sich zu ihr herab, um sie ebenfalls auf die Wangen zu küssen. Instinktiv versteifte sie sich unter seiner Berührung.

      »Meine liebe Giulia, Schwägerin, du bist ja noch hübscher geworden. Deine Mutterrolle steht dir gut. Ich möchte auch dir meinen herzlichen Glückwunsch zu eurem Töchterchen ausdrücken.«

      Giulia versuchte ihre feuchten Hände unauffällig an ihrem Rock abzuwischen. Sie fühlte sich von Federicos überschwänglicher Herzlichkeit merkwürdig berührt. Das war doch alles nur Show? Oder sollte er etwa sein früheres Verhalten ihr gegenüber bereuen? Falls ja, wäre wohl eine Entschuldigung angebracht.

      Auf den ersten Blick wirkte Federico nicht nur gut gelaunt, sondern überhaupt sehr entspannt und ohne Zweifel sah er ausgezeichnet aus. Braungebrannt und erholt. Das Poloshirt spannte über seinem Brustkorb und seine kleinen Nippel zeichneten sich hart durch den Stoff ab. Giulia schluckte. Noch nie, seit sie die Zwillinge kannte, waren sie sich äußerlich unähnlicher gewesen. Für ein Sonnenbad fehlte ihrem Mann die Zeit, und würde er nicht abends und am Wochenende das eine oder andere kleine Training in ihrem hauseigenen Fitnessraum absolvieren, stünde es um seine Muskulatur bestimmt nicht zum Besten.

      Nicht täuschen lassen. Federico ist ein Wolf im Schafspelz, ermahnte sie eine innere Stimme.

      Interessiert beugte sich dieser nun über den Kinderwagen. »Oh, was für ein süßes Ding, schau nur Mariella, die süßen Kulleraugen. Ach«, Federico richtete sich auf und machte eine entschuldigende Geste, »Was bin ich doch für ein ungehobelter Gastgeber. Ihr kennt euch ja noch gar nicht.«

      Das sollten sie ihm abkaufen? Gedankenlosigkeit? Und aus seinem Mund eine Entschuldigung? Giulia glaubte ihm kein Wort. Federico war ein Stratege von Kopf bis Fuß. Er überließ nichts dem Zufall. Was hatte dies zu bedeuten? War es eine Herabwürdigung seiner Frau, was Giulia ihm durchaus zutrauen würde, oder wollte er im Gegenteil ihren Auftritt besonders dramatisch inszenieren?

      Die elegant gekleidete Frau stand auf, trat neben ihn und er stellte alle einander vor. »Mariella – Lorenzo – Giulia. Unsere Familie.«

      Giulias Neugierde wuchs. Was für ein Mensch mochte die Frau sein, die Federico geheiratet hatte? Ihr Blick war warm, ihr Lächeln wirkte natürlich. Trotzdem, sie würde auf der Hut sein. Vielleicht hatte er ihr von Giulias unsittlichem Liebesverhältnis mit beiden Brüdern erzählt, und dass sie eigentlich nur ein Dienstmädchen gewesen war, als sie in dieses Haus kam. Hoffentlich schoss ihr bei diesem Gedanken nicht die Röte in die Wangen.

      Giulia musterte Mariella genauer, während sie einander die Hand schüttelten. Ohne Zweifel war ihre Schwägerin eine nordische Schönheit, einen halben Kopf größer als Giulia, mit schlanker Taille und üppigem Busen, und fast stechend hellblauen Augen. Ihr Kleid aus schimmerndem pinken Stoff, um den tiefen Ausschnitt mit einer Applikation aus kleinen weißen Perlen verziert, saß wie maßgeschneidert. Was es vielleicht auch war. Wenn man eines anerkennen musste, dann Federicos exquisiten Geschmack.

      Giulia war mit ihrer eigenen äußeren Erscheinung sonst durchaus zufrieden. Sie war zierlich, mit vollen dunklen Locken und einem wohlproportionierten Busen, der durch die Schwangerschaft ein wenig größer geworden war. Ihre Figur war fast wieder dieselbe wie vorher, vielleicht noch ein kleines Bisschen draller. Gegen Mariella jedoch kam sie sich in ihrem geblümten, leichten Sommerkleid wie ein unreifes Mädchen vor. Ihre neue Schwägerin hatte eben ganz und gar die Ausstrahlung einer Frau, einer gut situierten Dame. Ihr Outfit, ihre verhaltenen kontrollierten Bewegungen, das kühle Lächeln, das perfekte MakeUp – alles wirkte ein wenig unnahbar, aber nicht unfreundlich. Vielleicht verbarg sich dahinter aber auch nur die Unsicherheit, da ihr noch die Erfahrung fehlte, wie sehr sie von allen akzeptiert werden würde. Giulia jedenfalls hatte vor, ihr Bestes zu geben. Schließlich war es ja nicht Mariellas Schuld, was vor Monaten geschehen war, und nur weil sie mit einem Scheusal verheiratet war, musste sie nicht genauso sein.

      Was würde Mariella wohl denken, wenn sie wüsste, was für Spiele die Brüder mit Giulia getrieben hatten? Würde ihre Schwägerin sie verachten? Giulia fühlte eine Hitzewallung, als