Jeremy Bates

DIE KATAKOMBEN


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nahm neben ihr Platz, gegenüber von Rob und Pascal.

      »Also Danny sagt, du bist ein Reiseschriftsteller, oder so was?«, fragte Rob. Er hatte eine heisere Stimme, als wäre seine Kehle von Rost zerfressen. »Wie gefallen dir die Frösche?«

      »Warum sagst du das, Rob?«, wollte Danièle wissen. »Wir sind keine Frösche. Wo kommt das her? Ich verstehe das nicht.«

      »Ihr esst Froschschenkel, oder?«

      »Vielleicht sollte ich dich Rosbif nennen?«

      »Ros was?«

      »Roastbeef?«, schlug ich vor.

      Danièle nickte. »Ja, weil ihr Kanadier und Amerikaner so viel rotes Fleisch esst – ihr seid alle so fett wie Kühe.«

      Das brachte Rob zum Lachen. Er sprang auf, lief in der Hocke um den Tisch herum und trug dabei in seinen Händen einen unsichtbaren Bauch, den er dann von hinten gegen Danièle stieß. Die Bewegung erinnerte an einen untersetzten Stripper, der sich an einer Stange rieb.

      »Geh weg!«, sagte Danièle und schlug nach ihm. »Du bist so ekelhaft. Hör damit auf!«

      Noch immer lachend setzte sich Rob wieder hin. »Scheiß Franzosen«, sagte er. »Verstehen keinen Spaß. Ihre Arschlöcher sind so verkniffen, dass sie quieken, wenn sie furzen.«

      »Woher kommst du?«, fragte ich ihn.

      »Quebec City.«

      »Der Französisch sprechende Teil?«

      »Quebec ist eine Provinz, Kumpel. Quebec City ist eine kleine Stadt in dieser Provinz. Aber ja, der Französisch sprechende Teil. Bin nach Toronto gezogen, als ich zehn war. Eigentlich nach Mississauga. Aber keiner weiß, wo zur Hölle das ist, also sag ich einfach Toronto.«

      »Was machst du hier drüben?«

      »Ich bin Übersetzer, oder so ähnlich. Ich mache Untertitel für Filme.«

      »Hollywood-Zeug?«

      »Andersrum. Ich übersetze französische Filme ins Englische. Du hast wahrscheinlich nie einen von denen gesehen, die ich gemacht habe – weil französische Filme scheiße sind.«

      »Sie sind nicht scheiße«, sagte Danièle.

      »Nicht, wenn man wichtigtuerischen Arthouse-Mist mag.«

      »Pascal, warum hast du Rosbif eingeladen? Er ist manchmal so nervtötend. Hast du vergessen, dass wir fast zehn Stunden mit ihm verbringen müssen?«

      Pascal sagte etwas auf Französisch, macht eine Pause, und füge dann noch mehr hinzu, wobei er eine Schnörkelbewegung mit der Hand ausführte. Rob nickte und schleuderte ihm eine Antwort entgegen.

      »Sprichst du Englisch?«, fragte ich Pascal.

      Er richtete seinen Blick auf mich. »Sprichst du Französisch?«

      Mister Vokuhila erschien mit einem riesigen Tablett voller Essen. Wir mussten die Gewürze von der Mitte des Tisches entfernen, damit alles drauf passte: Austern, Soufflé, Schweinebauch, Knoblauchwurst und eine Käseplatte.

      Während alle aßen und ich etwas naschte, sagte Danièle: »Also, das ist der Plan, Will. Wir werden gegen zehn Uhr am Eingang der Katakomben ankommen. Wir werden vier Stunden lang unterwegs sein, dann eine Stunde rasten. Dann sind es noch mal ungefähr zwei Stunden bis zu dem Punkt, wo die Kamera gefunden wurde.« Sie erkundigte sich bei Pascal. »Stimmt das?«

      Er nickte, ohne von seinem Essen aufzusehen.

      »Was bedeutet, dass wir gegen sieben Uhr fertig sind«, fügte sie hinzu. »Noch genug Zeit, um zur Arbeit zu kommen.«

      Ich war überrascht. »Arbeit?«

      »Du musst morgen arbeiten, oder?«

      »Ich hab mir überlegt, den Tag freizunehmen.«

      »Dann musst du dir keine Sorgen machen.«

      »Arbeitest du morgen?«

      »Natürlich. Aber ich fange erst um neun an.«

      »Du Glückliche«, sagte Rob, während er an einem Stück Schweinebauch herumsäbelte. »Ich fange um acht an.«

      Ich ging Danièles Rechnung durch. »Wenn wir um zehn losgehen, vier Stunden lang laufen, eine Stunde Pause machen, zwei weiterlaufen, dann sind das insgesamt sieben Stunden. Dann haben wir fünf Uhr morgens. Sieben Stunden zurück, dann wird es mindestens Mittag sein, bis wir wieder an die Oberfläche kommen.«

      »Nein, Will«, sagte Danièle. »Pascal kennt einen anderen Ausgang in der Nähe unseres Rastplatzes. Da werden wir rausgehen.«

      Ich sah sie an und fragte mich, ob ich das Offensichtliche aussprechen musste. Anscheinend musste ich es und fragte: »Warum gehen wir nicht einfach durch diesen Ausgang rein?«

      »Weil wir das nicht so machen«, erklärte sie. »Die Katakomben, die sind ein Erlebnis, jedes Mal, selbst für Pascal und mich. Da rennt man nicht einfach so durch. Du und Robert, ihr werdet es sehen. Ihr werdet es verstehen.«

      Kapitel 4

      ROB

      Rob Stratton warf einen weiteren flüchtigen Blick über den Tisch auf Danièles Freund Will und versuchte, aus ihm schlau zu werden. Er war kein typischer Expat, nicht laut, nicht mit der Absicht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Natürlich waren nicht alle amerikanischen Expatriates so; sie deckten das gesamte Spektrum ab, wie es Expatriates aller Nationen taten. Aber Amis konnten laut sein. Amis, dann Aussies, dann Spanier – besonders die Señoritas. So würde er sie auf der Lautstärkeskala einordnen. Die Schlimmsten von ihnen waren nicht nur laut, sondern passten sich nicht an. Wo immer sie hingingen, sie brachten ihr Geburtsland mit.

      Rob dachte speziell an den Freund eines Freundes, einen Texaner, der im Import und Export tätig war und ein Vermögen damit verdient hatte, der französischen Bourgeoisie chinesischen Ramsch zu verkaufen. Er trug keinen Cowboyhut, das hätte ihn zum Gespött von ganz Paris gemacht, aber er trug diese super schrägen, spitzen Kuhlederstiefel. Man konnte die Blockabsätze noch einen Straßenzug weiter über die gepflasterten Wege klackern hören. Und als ob dieser Fashion-Fauxpas nicht genug wäre, sagte dieser Hanswurst alles immer überlaut. »Leutchen« dies und »Gleich geht’s los« jenes. Man wollte ihm dafür eine scheuern.

      Wie auch immer, Verallgemeinerungen beiseite, Rob wollte Will mögen, er versuchte es, aber es war schwer, weil er wusste, wie viel Unbehagen – wenngleich unbeabsichtigt – er Pascal bereitete, der Danièle schon so lange anhimmelte, wie Rob ihn kannte.

      Wäre er an Pascals Stelle, hätte er Will wahrscheinlich mittlerweile auf die Schnauze gehauen. Aber Pascal war ein Verehrer, ein Romantiker, wie auch immer man Typen nannte, die mehr Herz als Testosteron besaßen. Er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun.

      Als Pascal Rob vor zwei Tagen angerufen und ihm seine missliche Lage geschildert hatte, hatte er versucht, so zu tun, als sei ihm die ganze Sache gleichgültig, aber es war offensichtlich, dass er am Boden zerstört war. Zunächst hatte Rob seine Einladung mitzukommen abgelehnt; er wusste, dass Pascal nur fragte, weil er nicht das fünfte Rad an seinem eigenen Wagen sein wollte; außerdem hatte seine Frau irgendein Arbeitsding vor und Rob hatte versprochen, auf die Mädchen aufzupassen.

      Trotzdem ließ der kleine Mistkerl nicht locker, bot sogar an, einen Babysitter zu bezahlen, und Rob gab schließlich nach. Warum auch nicht?, hatte er gedacht. Pascal und Danny redeten schon seit Jahren andauernd über die Katakomben, und er fand es höchste Zeit, herauszufinden, was der ganze Wirbel sollte.

      Kapitel 5

      PASCAL

      Pascal Gayet schlürfte eine Auster aus dem breiten Ende ihrer Schale und tat sein Bestes, um Danièle und den Amerikaner Will zu ignorieren. Er konnte noch immer nicht fassen, dass er wieder mal die Chance verpasst