erzählt. Es tut mir schrecklich leid. Aber nun ist ja alles überstanden.«
Martens ist bei Nennung seines Vornamens zusammengezuckt. Das hat sie noch nie getan. Was will sie damit zum Ausdruck bringen? So sehr sind sie doch gar nicht befreundet?
Aber vor Amelie kann er sie schlecht zurechtweisen, was er jedoch am liebsten tun würde.
Manila hat es einen richtigen Schock versetzt, als sie Amelies Schönheit bemerkt. Alle Frauen, die schöner sind als sie, kann sie nicht leiden. Und Amelie ist von seltener Schönheit, das muß sie zugeben. Sie überbrückt ihr Erschrecken mit besonderer Herzlichkeit. Das Schauspielern liegt ihr ja im Blut.
Amelie ist zurückhaltend und schweigsam. Auch dem Essen, das Babette mit einem schiefen Blick auf die Schauspielerin serviert hat, spricht sie wenig zu.
Meist hält sie die Augen gesenkt. Immer wieder zieht Manila sie in ein Gespräch, doch Amelie gibt nur kurze, nichtssagende Antworten.
Es war eine große Dummheit von mir, gleich am ersten Tag Besuch ins Haus zu bringen – überlegt Martens. Ihm ist Amelies ins Auge fallende Blässe nicht entgangen.
Er ist nervös und geistesabwesend. Über ein Ja und Nein kommt auch er nicht hinaus, obwohl Manila all ihren Charme spielen läßt.
Schließlich verabschiedet sie sich verdrießlich. Martens bringt sie zu ihrem Wagen. Während sie sich hinter das Steuer setzt, sagt sie:
»Ein guter Gesellschafter sind Sie gerade nicht.«
»Das war ich nie und werde es auch nicht werden«, gibt er ehrlich zu. Sie verzieht den Mund, legt den Gang ein und läßt den Wagen den Hang hinunterrollen.
Achselzuckend kehrt der Professor ins Haus zurück. Warum hat sie sich ihm aufgedrängt? Merkt sie denn gar nicht, daß er keinerlei Interesse an ihr hat?
Er findet Amelie dabei, wie sie Babette den Tisch abräumen hilft.
»Sagte ich dir nicht schon, daß du noch schonungsbedürftig bist?« Aller Groll, den er gegen Manila empfindet, liegt ungerechterweise in seinen Worten.
Amelie legt den Kopf in den Nacken. »Ich fühle mich durchaus nicht mehr krank und möchte auch nicht als Kranke behandelt werden.«
»Das überlaß lieber mir«, entgegnet er ärgerlich. »Darin habe ich mehr Erfahrung.«
»Du vergißt, daß auch ich Ärztin bin«, fällt sie ihm schroff in die Rede.
Er lächelt spöttisch, was Amelie die Zornesröte ins Gesicht treibt.
»Solange du in meinem Hause bist, trage ich die volle Verantwortung für dich. Ist dir das klar?«
»Ich bin alt genug, um die Verantwortung für mich allein zu tragen.«
Babettes Hände zittern, als sie das Tablett aufnimmt. Sie ist Zeuge dieses Wortgefechtes geworden. Falsch, alles falsch, denkt sie. Der Professor stößt das Kind nur vor den Kopf. Aber sie freut sich, daß Amelie ihm keine Antwort schuldig geblieben ist.
Das kann ein schönes Zusammenleben werden, denkt sie noch, dann geht sie in die Küche.
*
Wochen sind vergangen. Amelie bekommt ihren Onkel kaum zu sehen, und sie hat auch kein Verlangen danach. Mit Babette verbindet sie ein herzliches Verhältnis. Oft, wenn sie bereits im Bett liegt, kommt Babette zu ihr und dann muß Amelie von sich und ihrer Mutter erzählen.
Mit Begeisterung schildert Amelie ihr bisheriges Leben, ihr Studium, ihre Arbeit.
Es sind für sie die schönsten Stunden, die sie mit Babette im trauten Zwiegespräch verbringt.
An einem der folgenden Tage ruft Babette sie ans Telefon.
»Hallo, Frau Kollegin«, hört sie eine Stimme, »hier ist Berthold. Ihr Kerkermeister ist doch für drei Tage zu einem Ärztekongreß gefahren. Darf ich Sie mit einigen Freunden besuchen? Ich habe meinen freien Tag.«
»Sehr gern«, antwortet Amelie hocherfreut. »Wann sind Sie hier?«
»In einer Stunde. Erst muß ich die anderen zusammentrommeln. Mein Wagen schafft die Strecke in zehn Minuten.«
Sie lacht und mahnt: »Fahren Sie aber nicht gegen einen Baum.«
»Keine Angst«, kommt es siegesbewußt zurück.
Das Lächeln liegt noch auf ihren Lippen, als sie Babette von dem bevorstehenden Besuch erzählt.
»Ob mein Onkel auch nichts dagegen hat?« fragt sie etwas bange die Haushälterin.
»Endlich kommt etwas Leben in das stille Haus! Was soll er denn dagegen haben? Sie haben eine Abwechslung sehr nötig.«
Geschäftig beginnt Babette, in der blitzblanken Küche zu hantieren.
»Was biete ich wohl an?« Auch das klingt ängstlich.
Babette winkt großartig ab. »Das lassen Sie nur meine Sorge sein. Früher, als Ihre Mutter noch im Hause lebte, gab es oft unverhofften Besuch. Sie werden mit mir zufrieden sein.«
Pünktlich, wie am Telefon versprochen, fahren zwei Wagen vor dem Haus vor, und Amelie eilt, ihre Gäste zu begrüßen.
Bald ist die sonst so vereinsamte Halle voller Leben. Es wird gelacht, geschwatzt. Man setzt sich, wo gerade Platz ist, und die Zwanglosigkeit, mit der die jungen Menschen sich geben, gefällt Amelie, die etwas zurückhaltender ist.
Das Radio wird angedreht, und bald tanzen die ersten Paare.
Amelie eröffnet den Tanz mit Dr. Berthold, der sich ganz in seinem Element fühlt. Er ist zu allerlei Scherzen aufgelegt. Offen zeigt er Amelie, wie sehr er in sie verliebt ist. Sie sieht bezaubernd aus, und sie ist auch eine gute Gastgeberin.
Babette kommt und geht, sieht nach, ob etwas fehlt, und verschwindet wieder, ein befriedigtes Lächeln auf dem lieben Gesicht. Das ist genau richtig für Amelie! Immer allein im Hause hocken, ist doch nichts für einen jungen Menschen.
Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt angelangt, als plötzlich Professor Martens in der Halle steht. Keiner hat das Vorfahren des Wagens gehört.
Amelie erblaßt bis in die Lippen, und Martens läßt seine Blicke reihum wandern.
Auf Dr. Berthold bleibt sein Auge haften.
»Natürlich, der Hans Dampf in allen Gassen«, sagt er spöttisch.
Dr. Berthold, nie um eine Antwort verlegen, drängt sich vor. »Wir haben uns erlaubt, Ihre Nichte ein bißchen zu unterhalten. Wollen Sie auch einen Cocktail trinken? Prima, ganz prima, hat Frau Doktor persönlich gemixt.«
Martens macht gute Miene zum bösen Spiel, läßt sich die Garderobe abnehmen und in seinen Sessel drücken. Dr. Berthold kredenzt ihm ein Glas.
»Bitte sehr, Herr Professor.« Er ist bester Laune, Martens’ Verwirrung übergeht er.
»Weitertanzen, Kinder«, befiehlt Berthold. Das Radio spielt, und bald drehen sich die Paare wieder zu der Musik. Aber es ist, als sei ein böser Geist unter sie gefahren. Nur Berthold zeigt sich völlig unbefangen.
Er setzt sich zu dem Professor, während Amelie abseits steht.
»Besser konnte ich meinen freien Tag nicht verbringen. Meinen Sie nicht auch, Herr Professor?«
»Mit meiner vorzeitigen Rückkehr haben Sie wohl kaum gerechnet.« Martens’ Stimme klingt immer noch spöttisch, was Berthold einfach überhört.
»Offen gestanden – nein, Herr Professor. Sonst hätten wir Ihre Nichte ausgeführt.«
»Aber sonst gefällt es Ihnen bei mir?« Martens’ Augen suchen Amelie, die sich aus der Unterhaltung heraushält.
»Sehr sogar, Herr Professor«, beteuert Berthold treuherzig. »Sie hätten uns schon lange einmal einladen können.«
»Nun, Sie haben es ja selbst getan. Ich nehme an, daß Ihr Besuch meiner Nichte