Elend wächst je mehr und mehr,
Ein düstrer Gram bedrückt uns sehr,
Laß, Vater, den Geliebten gehn,
Mit uns wirst du ihn wieder sehn.
XIII.
Wenn in bangen trüben Stunden
Unser Herz beinah verzagt,
Wenn von Krankheit überwunden
Angst in unserm Innern nagt;
Wir der Treugeliebten denken,
Wie sie Gram und Kummer drückt,
Wolken unsern Blick beschränken,
Die kein Hoffnungsstrahl durchblickt:
O! dann neigt sich Gott herüber,
Seine Liebe kommt uns nah,
Sehnen wir uns dann hinüber
Steht sein Engel vor uns da,
Bringt den Kelch des frischen Lebens,
Lispelt Mut und Trost uns zu;
Und wir beten nicht vergebens
Auch für die Geliebten Ruh.
XIV.
Wer einmal, Mutter, dich erblickt,
Wird vom Verderben nie bestrickt,
Trennung von dir muß ihn betrüben,
Ewig wird er dich brünstig lieben
Und deiner Huld Erinnerung
Bleibt fortan seines Geistes höchster Schwung.
Ich mein es herzlich gut mit dir,
Was mir gebracht, siehst du in mir.
Laß, süße Mutter, dich erweichen,
Einmal gib mir ein frohes Zeichen.
Mein ganzes Dasein ruht in dir,
Nur einen Augenblick sei du bei mir.
Oft, wenn ich träumte, sah ich dich
So schön, so herzensinniglich,
Der kleine Gott auf deinen Armen
Wollt des Gespielen sich erbarmen;
Du aber hobst den hehren Blick
Und gingst in tiefe Wolkenpracht zurück;
Was hab ich, Armer, dir getan?
Noch bet ich dich voll Sehnsucht an,
Sind deine heiligen Kapellen
Nicht meines Lebens Ruhestellen?
Gebenedeite Königin
Nimm dieses Herz mit diesem Leben hin.
Du weißt, geliebte Königin,
Wie ich so ganz dein eigen bin.
Hab ich nicht schon seit langen Jahren
Im stillen deine Huld erfahren?
Als ich kaum meiner noch bewußt,
Sog ich schon Milch aus deiner selgen Brust.
Unzähligmal standst du bei mir,
Mit Kindeslust sah ich nach dir,
Dein Kindlein gab mir seine Hände,
Daß es dereinst mich wieder fände;
Du lächeltest voll Zärtlichkeit
Und küßtest mich, o himmelsüße Zeit!
Fern steht nun diese selge Welt,
Gram hat sich längst zu mir gesellt,
Betrübt bin ich umhergegangen,
Hab ich mich denn so schwer vergangen?
Kindlich berühr ich deinen Saum,
Erwecke mich aus diesem schweren Traum.
Darf nur ein Kind dein Antlitz schaun,
Und deinem Beistand fest vertraun,
So löse doch des Alters Binde,
Und mache mich zu deinem Kinde:
Die Kindeslieb und Kindestreu
Wohnt mir von jener goldnen Zeit noch bei.
XV.
Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt,
Doch keins von allen kann dich schildern,
Wie meine Seele dich erblickt.
Ich weiß nur, daß der Welt Getümmel
Seitdem mir wie ein Traum verweht,
Und ein unnennbar süßer Himmel
Mir ewig im Gemüte steht.
Giasar und Azora
(Fragment)
In den reizenden Gefilden am Fuße des Kaukasus lebte in den seligen Zeiten der Feerei und der Wunder ein alter Druid mit einem bildschönen Jüngling den man für seinen Sohn hielt, über dessen Ursprung und Geschichte ein tiefes Geheimnis lag. Rundherum hatte sich der Alte durch seine weit ausgebreitete Erfahrung ehrwürdig und beliebt gemacht, denn man konnte in allen Zufällen des menschlichen Lebens nur getrost ihn um Rat fragen, und sein Rat war gewiß immer der heilsamste. Seine geräumige aber nichts weniger als prachtvolle Wohnung wimmelte immer von Leuten, die sich bei ihm Rats erholten und er stand in einem solchen Ansehn unter ihnen, daß sich seinem Ausspruche jeder willig unterwarf und Xerxes hat gewiß nie so unumschränkt geherrscht als unser Druide, ob sich gleich nie jemand über ihn beschweren konnte. Giasar, so hieß der schöne Jüngling, der bei ihm wohnte und von ihm in allen Wissenschaften unterrichtet wurde, war durch seine Herzensgüte, seine Bescheidenheit, seine Offenheit ebenso beliebt bei den glücklichen Bewohnern dieser elysischen Gegend, als die Schönheit seiner Gestalt und seines Gesichts Bewunderung und Entzücken erweckte. Man konnte ihn in der Tat nicht ansehn ohne ihn innigst liebzugewinnen und unter den unschuldigen Schönheiten seiner Gegend waren wenige, die sich nicht um seinen Besitz beneidet hätten, obgleich ihr Neid nie in bittern Groll ausartete. Alle suchten ihn zu fesseln, jede mit höhern Gefälligkeiten ihn zu fangen und an ländlichen Festen war er oft die Ursache kleiner Zwistigkeiten, welche mit ihm zuerst tanzen sollte oder an seiner Seite sitzen und sich von ihm erzählen lassen; denn er wußte tausend kleine Geschichten die ihm der alte Druide erzählt, und die er mit unendlicher Grazie seinen Gespielinnen wiedererzählte und denen er durch das Feuer, womit er erzählte, und durch kleine Ausschmückungen neue Reize geben konnte. Der alte Druide war der menschenfreundlichste Erzieher seines Giasars; er erlaubte ihm unschuldige Vergnügungen sehr gern und veranstaltete öfters selbst kleine Feste, wozu er die artige Jugend aus der Gegend einlud; und anstatt sie durch seinen Frost zu stören, wie andre Greise getan haben würden, denen das Alter den frohen Sinn der Jugend genommen hatte, gab er ihnen vielmehr durch seine Gegenwart tausend Vergnügungen und Annehmlichkeiten mehr, als sie ohne ihn würden gehabt haben. Er war unerschöpflich in Spielen, Erzählungen und andern jugendlichen Unterhaltungen und es schien als hätte die Natur einen jugendlichen Geist in einen ältlichen Körper gesendet. Jünglinge und Mädchen liebten den guten Alten, der unvermerkt durch seine Contes und Unterhaltungen