Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman


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      Die Stunden rinnen dahin. Die Stimmung steigt mehr und mehr. Pat und Donald genießen ihr Zusammensein aus vollem Herzen. Pat hat alle Scheu vor dem Fremden verloren. Sein Name fließt ihr ungehemmt über die Lippen. Beide vermeiden sie, wie in stiller Übereinkunft, jedes Gespräch über persönliche Dinge.

      »Ich bin müde«, sagt Pat, nachdem sie ihr Glas leergetrunken. »Würden Sie mich wohl heimbringen?«

      »Noch eine Stunde«, bettelt er. Weiß er denn, ob er das liebreizende Geschöpf je wiedersehen wird?

      »Schön, noch eine Stunde«, gibt sie schließlich nach. Und dann lauscht sie in sich hinein. Wünscht sie nicht ebenfalls, das Zusammensein etwas hinauszuzögern?

      Sie tanzen noch mehrmals zusammen, und immer mehr findet Pat daran Gefallen. Sie kommt sich wie ein ganz anderer Mensch vor, losgelöst von allem, was ihr junges Leben bedrückt. Mutti – denkt sie – von heißer Dankbarkeit erfüllt, dir allein verdanke ich die schönen Stunden, die mir unvergeßlich sein werden.

      Pünktlich nach einer Stunde erhebt Donald sich.

      »Jetzt ist es soweit, Patricia«, sagt er, sein gegebenes Versprechen einhaltend. Im Hinausgehen streift eine Blumenverkäuferin das auffallend schöne Paar.

      »Rosen, schöne dunkelrote Rosen, mein Herr!« preist sie ihre Ware an.

      Donald bleibt stehen, greift ohne Besinnen in den Korb und legt der erschrockenen Patricia die ganze süßduftende Pracht in den Arm.

      »Ach, wie schön«, flüstert sie, »das ist viel zu schön für mich.«

      Nichts ist zu schön für dich, möchte Donald am liebsten sagen, doch er unterläßt es.

      Vor dem Eingang schlägt ihnen kühle Luft entgegen, und Pat schauert zusammen.

      »Taxi!« ruft Donald. Mit aller Fürsorge hilft er ihr in den Wagen. »Und wohin soll ich Sie bringen? Ihre Adresse!«

      Wieder erschrickt Pat. Nein! Sie wird ihm ihre Adresse nicht nennen. Es ist ein einmaliges Erlebnis, und das soll es auch bleiben. So nennt sie ein Haus, eine Ecke von ihrer Wohnung entfernt.

      Als der Wagen anrollt, spürt sie eine Hand, die sich zu ihr hintastet und sich auf ihre verschlungenen Hände legt. Ein Arm zieht sie zur Seite, und Patricia lehnt still an der Seite Donalds. Wortlos fahren sie durch die Nacht. Es herrscht ein beseligendes Schweigen zwischen ihnen, und dennoch stehen sie beide unter dem Druck der bevorstehenden Trennung.

      »Hier!« unterbricht Patricia die Stille. Donald hilft ihr beim Aussteigen und bringt sie ein paar Schritte über den Gehweg. Er sieht an dem Mietshaus empor, das einen guten Eindruck macht.

      »Hier wohnen Sie?«

      Sie nickt nur und verbirgt ihr Erröten hinter den duftenden Rosen. Dankbar streckt sie die Hand aus, die aber nicht von ihm ergriffen wird.

      Im nächsten Augenblick fühlt sie sich umfaßt und liegt an seinem Herzen. Ein heißes Lippenpaar preßt sich auf ihren Mund. So blitzschnell hat er sie an sich gerissen, daß sie wie gelähmt ist und sich willig diesem Kuß hingibt. Sekundenlang läßt sie seine leidenschaftlichen Küsse über sich ergehen, dann befreit sie sich zitternd von ihm.

      Schwer atmend stehen sie sich gegenüber.

      »Verzeihen Sie, Patricia«, sagt er mit einem tiefen Aufleuchten in den Augen. »Ich liebe Sie. – Morgen hole ich Sie pünktlich um zwanzig Uhr hier ab. Gute Nacht!«

      »Gute Nacht!« flüstert sie und sieht hinter ihm her, wie er einsteigt, wie er durch das Fenster zurückwinkt und wie der Wagen langsam entschwindet.

      Dann hastet sie weiter, der Wohnung ihrer Mutter zu. Die Rosen preßt sie fest an ihr Herz.

      Wenig später sitzt Patricia am Bett der friedlich schlummernden Mutter. Alles ist in Aufruhr in ihr. Ist das das große Glück? Die große Liebe?

      Sie fröstelt, aber das Erlebte läßt sie nicht los, selbst als sie später ins Bett kriecht, kann sie vor Glück kein Auge schließen.

      Donald – denkt sie – und sie sieht das gutgeschnittene Gesicht des Mannes, an dessen Seite sie einen Schritt in die große Welt getan hat, fast greifbar vor sich. Mitten heraus aus dem Krankenzimmer, aus der dampfen Atmosphäre, hat er sie in so viel Licht gestellt, daß es ihr schier das kleine Herz abgedrückt hat.

      Er hat sie geküßt! Es waren die ersten Küsse ihres Lebens, die sie mit einem Mann gewechselt hat. Noch nachträglich erfüllt das wonnige Gefühl sie und läßt sie erschauern. Nicht nur den eigenen Herzschlag vermeint sie zu vernehmen, nein, auch den des Mannes, dessen Arm sie besitzergreifend an sich gepreßt hielt.

      Morgen sehe ich ihn wieder! Herrgott! Sie betet aus tiefstem Herzen. Laß es der Mutter gutgehen, damit ich wieder weggehen kann.

      Morgen sehe ich ihn wieder. Mit diesem letzten Gedanken fallen ihr endlich die müden Lider zu.

      *

      Als Donald Johnson, der seit ein paar Jahren regelmäßig zum Kölner Fasching seine deutschen Verwandten aufsucht, die Halle des Ring-Hotels betritt, erlebt er eine unliebsame Überraschung.

      Aus einem Kreis lärmender Gäste tritt Mary Kingston ihm entgegen.

      Sie trägt eine kostbare Abendrobe und auf dem blonden Haar verwegen ein lächerlich kleines Hütchen, das bei jedem Schritt wippt.

      Nichts ist ihm unerwünschter als dieses späte Zusammentreffen. Er hat nur den Wunsch, seinem Glück in der Stille seines Appartements nachzuhängen. Er zwingt sich zu einem Lächeln und begrüßt Mary höflich.

      Sie überfällt ihn mit einem Schwall von Worten, die er kaum richtig erfaßt.

      »Endlich, Donald! Ich finde überhaupt keine Worte! Mich und Mama so lange warten zu lassen! Konntest du deine Verwandten nicht mitbringen? Ein Telefongespräch, wie lächerlich! Habe ich mich so auf den Abend gefreut, damit du ihn mir zerstörst? Komm mit zu Mama. Sie hat so lange ausgehalten. Jetzt ist sie müde. Aber ich möchte noch tanzen.« Sie sieht ihn groß an. Ihr Ton ist befehlend. »Du wirst mich doch hoffentlich nicht allein lassen?«

      Sein Blick sucht den Kreis, den Mary soeben verlassen hat, und sein Mund verzieht sich zu einem spöttischen Lächeln.

      »Allein warst du nicht gerade, Mary. Selbst wenn ich mich zurückziehen wollte –«

      »Nein, Donald, das wirst du nicht tun. Ich verlange als Entschädigung, daß du mit zu meinen Bekannten kommst.«

      Schon hat er eine heftige Erwiderung auf der Zunge, als sein Blick auf Lady Kingston fällt. Sie nickt ihm freundlich lächelnd zu. Sie ist ganz anders als ihre Tochter. Sie strahlt mütterliche Wärme und Güte aus. Nie hat er ihr vergessen können, daß sie den elternlosen Knaben an ihr mütterliches Herz genommen hat. Als Nachbarin glaubte sie dazu verpflichtet zu sein, denn sie hatten stets gute Freundschaft gehalten, die Johnsons und die Kingstons. Zudem liebte sie den lebhaften Knaben mit den offenen grauen Augen und seiner Anhänglichkeit.

      Er zuckt mit den Schultern, als er sich wieder Mary zuwendet.

      »Wenn du es wünschst. Zuvor gestatte mir, deine Mutter bis zu ihrem Zimmer zu geleiten.«

      Ohne eine Antwort abzuwarten, geht er mit großen Schritten an den Tisch und neigt sich über Lady Kingston.

      »Verzeih, Tante Helen, ich wurde aufgehalten. Du bist sicherlich müde. Ich bringe dich hinauf«, sagt er in gänzlich verändertem Ton. Marys wütendes Gesicht kann er nicht sehen, auch nicht, daß sie die Faust ballt.

      »Unverständlich!« murmelt sie, wirft den Kopf in den Nacken und kehrt zu ihren Bekannten zurück. Bald tanzt sie mit einem der Herren davon.

      »Du brauchst nicht bis oben mitzugehen, Donald«, sagt Lady Kingston zu Donald. »Begleite mich bis zum Fahrstuhl. Das genügt. Und dann ver-gnüge dich noch ein wenig.«

      Bittend sieht sie ihn an. »Mary hat so sehr auf dich gewartet.«

      Er verneigt sich respektvoll.