James Bruce

Reisen zur Entdeckung des Nils


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abgezogen wurden. Zudem wusste er, wie sehr er von der Gewalt der Abessinier, seiner Feinde und nächsten Nachbarn, abhing. Er sah also ein, dass es besser war, sich im eigenen Land Sicherheit zu verschaffen und sich denjenigen, in deren Händen er war, gefällig zu zeigen. Es wurde also abgemacht, dass der Naybe die eine Hälfte der Abgaben und Zölle an den König von Abessinien auszahlen sollte, wofür dieser ihn in seiner Statthalterschaft nicht beeinträchtigen wollte. Es ist bereits gesagt worden, dass Massaua an völligem Wassermangel litt und alle Arten von Lebensmitteln nirgendwo anders herbekommen könnte als aus dem gebirgigen Land von Abessinien.

      Nachdem sich der Naybe der Freundschaft Abessiniens versichert hatte, begann er bei der täglich abnehmenden Macht der Türken in Arabien sich allmählich der Entrichtung des Tributs an den Pascha von Jidda, zu dessen Statthalterschaft die seine geschlagen worden war, zu entziehen. Er nahm den Firman nur der Form halber an, machte dafür Geschenke von geringem Wert, dachte aber an keinen Tribut; und in unruhigen Zeiten, oder wenn in Tigre ein schwacher Statthalter saß, bezahlte er gar nichts, weder an den Pascha einen Tribut noch an den König von Abessinien den versprochenen Anteil der Zölle. So war der Stand der Dinge, als ich in Abessinien ankam. Es hatte eine große Revolution in diesem Reich gegeben, deren wichtigster Urheber Michael gewesen war. Als er nach Gondar gerufen und dort zum Minister gemacht wurde, blieb die Provinz Tigre ohne Truppen und ohne Statthalter.

      Michael hatte ihm bereits kundgetan, dass er im nächsten Feldzug Arkeeko und Massaua so verheeren wolle, bis beide Städte der Wüste von Samhar gleichkämen. Weil man wusste, dass er in seinem ganzen Leben Versprechungen dieser Art sehr genau gehalten hatte, flohen viele der ausländischen Kaufleute nach Arabien. Dessen ungeachtet ließ der Naybe öffentlich keine Furcht erkennen und schickte keinen Heller, weder an den König von Abessinien noch an den Pascha von Jidda.

      Der türkische Pascha hatte den Metical Aga beauftragt, Michael vom Verhalten des Naybe Nachricht zu geben und ihn um Beistand zur Durchsetzung der Forderungen zu bitten. Zu gleicher Zeit ließ er den Naybe auch wissen, dass er nicht nur dieses getan habe, sondern überdies im folgenden Jahr in ganz Arabien den Befehl ausgeben werde, die mohammedanischen Kaufleute wie auch die Güter festzuhalten, die nach Arabien kämen. Zugleich mit dieser Nachricht schickte er den Firman aus Konstantinopel und verlangte die Bezahlung des Tributs und außerdem Geschenke.

      Der im vorigen Kapitel erwähnte Abd el-Kader, der die Botschaft und den Firman überbrachte und Statthalter auf der Insel Dahalac war, war zusammen mit mir losgesegelt und dabei Zeuge der Ehrungen geworden, die meinem Schiff beim Auslaufen aus dem Hafen von Jidda zuteilgeworden waren. Weil er direkt nach Massaua hinübersegelte und lange vor mir dort eintraf, hatte er genügend Zeit, das, was er gesehen hatte, mit vielen Übertreibungen zu erzählen: Ein Prinz und sehr naher Verwandter des Königs von England werde kommen, der kein Handelsmann sei, sondern nur die Länder und ihre Einwohner betrachten wolle.

      Der Naybe hatte, wie wir später erfuhren, oft mit seinen Ratgebern überlegt, was mit diesem Prinzen zu machen sei. Einige waren für den kürzesten und in Massaua üblichen Weg der Behandlung von Fremden, nämlich sie zu ermorden und ihre Habseligkeiten unter sich aufzuteilen. Andere drangen darauf, zu warten und erst zu sehen, was für Briefe ich aus Arabien nach Abessinien mitbrächte, damit dieser Mord das Ungewitter nicht noch schlimmer mache, welches vonseiten des Metical Aga und Michael Suhul im Begriff war, über sie hereinzubrechen.

      Aber Achmet, der Neffe des Naybe, wandte dagegen ein, dass es eine Torheit wäre, zu glauben, ein Mann wie ich hätte keinerlei Schutz. Ich möge aber nun welchen haben oder nicht, mein Rang müsse mich doch an jedem Ort, wo nur irgendeine Regierung sei, schützen, sogar unter Mördern und Dieben, die sich in den Wäldern und Bergen aufhielten. Es sei schon genug Blut von Fremden des Plünderns wegen vergossen worden, und er glaube, Fluch und Armut seien die Folge davon gewesen. Diejenigen, die das Kanonieren der Schiffe gehört hätten, könnten unmöglich wissen, ob ich Geleitbriefe nach Abessinien hätte oder nicht. Es wäre besser, zu erwägen, ob ich nicht bei den Kapitänen, welche die Kanonen abgefeuert hätten, in hohem Ansehen stünde, weil die Hälfte der mir zu Ehren abgefeuerten Schüsse ausreichte, sie alle zugrunde zu richten und Arkeeko und Massaua so zu verwüsten, wie Michael Suhul es angedroht habe. Eine solche Rache würde die nächstes Jahr nach Jidda kommenden Schiffe nur einen Umweg von einem Tag kosten, und weil ein reichlicher Wasservorrat südwestlich der Bai sei, könnte diese Zerstörung an einem Nachmittag geschehen und alle Jahre ohne Schwierigkeiten, Gefahren und Kosten während der Zeit, da die Schiffe Wasser einnähmen, wiederholt werden.

      Ehe mein Schiff ankam, waren diese Entschlüsse bereits gefasst, und wenn ich auch mutmaßte, dass das Wehen der Flaggen und der Salut mit Kanonenschüssen beim Abschied mich in diese Gefahr brachten, so kann man doch vielleicht mit größerem Grund annehmen, dass die gütige Vorsehung sich dieses Mittels bediente, um mein Leben aus dieser Mördergrube für Fremde zu retten.

      Achmets Vater war früher Naybe gewesen, und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Regierung musste die Souveränität nach dem Tod des jetzigen Inhabers auf ihn zurückfallen, umso mehr, als die Söhne des regierenden Naybe alle von den Blattern hingerafft worden waren und Achmet zweifellos als sein Sohn und Nachfolger angesehen werden musste. Dazu kam, dass dem Naybe eine Seite durch einen Schlag gelähmt war, was ihn sehr an seiner Tätigkeit, außer im Tun von Bösem, hinderte. Wenn es darauf ankam, konnte ich nicht die geringste Schwäche an ihm bemerken. Dies alles verschaffte Achmet den größten Einfluss. Es wurde also beschlossen, dass mein Schicksal in seine Hände gelegt werden sollte. Die anderen sollten nur Zuschauer sein.

      Wir langten am 19. September 1769 in Massaua an, waren der See sehr überdrüssig und sehnten uns an Land. Weil es jedoch Abend war, hielt ich es für ratsamer, an Bord zu schlafen, um den ganzen Tag, weil der erste nach der Ankunft immer der geschäftigste ist, vor uns zu haben. Die Nacht über wollten wir von unseren Freunden einige Nachrichten einholen, weil sie es vielleicht nicht wagten, uns bei Tag zu besuchen, zumindest nicht, ehe man gehört hatte, wozu sich der Naybe unseretwegen entschlossen hatte.

      Mahomet Gibberti, ein Mann, der ganz auf unserer Seite stand und der nicht nur wusste, welchen Verdacht wir gegen den Naybe hegten, sondern auch, wie wir uns ihm gegenüber zu verhalten gedachten, ging des Abends an Land. Weil er selbst ein Abessinier war und folglich Verbindungen in Massaua hatte, schickte er noch in derselben Nacht einen Boten nach Adowa, der Hauptstadt von Tigre, ab, welcher die Briefe mitnahm, die von äußerster Wichtigkeit für mich waren. Er sollte unseren Freund Janni, einem Griechen und zuverlässigen Diener des Statthalters Michael von Tigre, Nachricht von unserer Ankunft geben. Ferner schickte er auch die Briefe von Metical Aga an Ras Michael und einen Brief in griechischer Sprache an Janni, worin wir ihm von unserer Angst vor dem Naybe berichteten und ihn baten, so schnell wie möglich einen zuverlässigen Mann zu schicken, der uns schützen oder wenigstens ein Augenzeuge von dem, was uns widerfahren würde, sein könnte. Wir ersuchten ihn außerdem, den Hof von Abessinien zu benachrichtigen und dort zu melden, dass wir Briefe an den König und Ras Michael bei uns hätten.

      Mahomet Gibberti erledigte diesen Auftrag mit der Aufrichtigkeit eines ehrlichen Mannes, der den Befehlen seines Herrn folgt und sonst von niemandem abhängig ist. Er wandte sich an Mahomet Adulai, den sowohl Ras Michael als auch der Metical Aga als Spion bei dem Naybe sitzen hatten, und dieser hatte immer treue und zuverlässige