Heinrich Zschokke

Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke


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sagt wohl, es gibt betrübte, übelgerathene Ehen; könnten wir auch wohl Beide jemals aufhören, uns lieb zu haben, und könnten wir jemals wünschen, lieber getrennt, als ewig verbunden zu sein?«

      Oswald antwortete und sprach: »Wir werden Beide mit einander glücklich sein, so lange wir leben auf Erden; aber wir müssen ein dreifaches Gelübde thun. Und so lange wir es redlich halten, wird Eintracht und Segen Gottes in unserer Ehe sein. Von heute an lebst du für mich, und ich lebe für dich; und wir wollen nie vor einander das geringste Geheimniß haben, und selbst wenn wir gefehlt haben, es uns einander sogleich offenbaren. Dadurch werden wir manchen Fehltritt und manches Mißverständniß verhüten, das oft schmerzliche Folgen haben kann. Dann aber wollen wir von unsern häuslichen Sachen Niemandem, auch Vater und Mutter nichts offenbaren, daß Niemand in unsern Dingen reden könne, oder sich zwischen uns dränge. Nur so gehören wir Beide uns ganz an, als wären wir allein in der Welt. Endlich wollen wir niemals gegen einander böse werden, und nicht einmal zum Scherz mit einander böse thun; denn aus Neckerei wird oft Ernst, und was man zuweilen thut, daran gewöhnt man sich leicht.«

      So sprach Oswald. Und Beide thaten sich einander gegenseitig das Gelübde vor Gott. Und wie sie den Bund mit einem Kuß besiegelten, stieg vor dem Hause in nächtlicher Stille ein sanfter schöner Gesang von vielen Stimmen empor. Das waren Oswalds Schüler und Schülerinnen im Gesang, die doch auch ihrem Lehrer eine Freude machen wollten. – Und wie die Neuvermählten folgenden Morgens aufgestanden waren, sahen sie viele Männer, Weiber und Kinder in der Ferne zusammengelaufen stehen, und auf das Haus schauen und darauf zeigen. Oswald öffnete neugierig das Fenster, und sah sein ganzes Haus wunderbar mit Blumenkränzen und Blumenschnüren umhängt und umsponnen. Das hatten in der Nacht still und heimlich seine Schüler und Schülerinnen gethan. Auch die kleinsten Kinder hatten dazu Feld- und Gartenblumen gesammelt. So lange das Dorf Goldenthal auf Erden war, hatte man dergleichen nicht erlebt, und als Oswald wieder zur Schule ging, kamen am ersten Tage nach seiner Hochzeit alle Kinder, groß und klein, reich und arm, und hatten sich mit Blumensträußen geschmückt, als wäre es ein großer Festtag. Das freute den Oswald und seine junge Frau recht innig; denn das verrieth doch gute Herzen voll Liebe und Erkenntlichkeit. Und sie küßten die Kinder, ließen ihnen Kuchen backen und theilten Allen aus.

      Im Dorfe aber war viel eitles Geschwätz über die Hochzeit, und Jeder hatte seine Meinung darüber. Denn Niemand konnte begreifen, daß es dabei mit rechten Dingen zugegangen sein solle, sintemal unerhört war, daß der reichste Müller im Lande seine schöne Tochter und einzige Erbin einem armen Schulmeister zur Frau gegeben. Um die Elsbeth würden auch wohl vornehme Herren aus der Stadt gefreit haben, so schön und reich war sie. Man wollte daher gern wissen, warum der Müller einen so einfältigen Streich gemacht habe? Aber der alte Siegfried lachte nur, und die Leute brachten von ihm nichts heraus. Auch die alte Müllerin ward von ihren Gevatterinnen sehr geplagt und geneckt mit dem armen, schlechten Schulmeister, und daß man einem hergelaufenen Kerl eine solche Tochter anhänge. Die Müllerin war bei aller Gottesfurcht doch eine stolze Frau. Daher thaten ihr die verächtlichen Reden weh, und als sie darüber einst vor Zorn fast weinte, sagte sie zur Adlerwirthin heftig: »Schweigt mit euerm dummen Geschwätz; ihr wisset so viel als nichts. Der Oswald könnte wohl den Adlerwirth und Kreuzwirth auskaufen. Er hat mehr, als man glaubt. Das hab' ich mit meinen leiblichen Augen gesehen. Wenn ich nur reden dürfte, ich könnte euch Dinge sagen, ihr solltet Maul und Nase aufsperren.« So sprach sie und schwieg plötzlich, und war verdrießlich, daß sie im Zorn mit etwas herausgeplatzt war, das sie verschweigen wollte Auch erfuhr die Adlerwirthin weiter nichts, und mußte noch dazu versprechen, es Keinem wieder zu sagen.

      Die Adlerwirthin sagte es auch Niemandem, als ihrer Schwester und ihrem Manne, die vorher geloben mußten, das Geheimniß bei sich zu behalten. Aber sie erklärten die Reden der Müllerin so, als habe diese mit leiblichen Augen ganze Haufen Goldes und Silbers bei Oswald gesehen; und Oswald könne, wenn er wolle, das ganze Dorf kaufen; und es gingen im Hause Oswalds manchmal Dinge vor, daß, wenn man sie sagen dürfte, den Leuten die Haare zu Berge stehen würden. Dem Adlerwirth und seiner Schwägerin, als sie dies hörten, standen vor Entsetzen wirklich schon die Haare gen Berge, und sie konnten nicht anders, und vertrauten das Geheimniß nur einigen ihrer besten Freunde.

      Nach wenigen Tagen wußten die Leute in Goldenthal weit mehr, als die Müllerin gesagt hatte. Da hieß es, der Oswald stünde mit dem Fürsten der Hölle im Bündniß; dem habe er mit eigenem Blute seine arme Seele verschrieben. Doch dreißig Jahre lang solle der Böse den Willen des Schulmeisters thun; am Ende des letzten Jahres werde der Teufel Oswalds Seele in der heiligen Christnacht zwischen Eilf und Zwölf holen, und dem Unglücklichen den Kopf umdrehen, daß das Antlitz im Nacken stehen bleibe. Der Schulmeister habe Gold, so viel er begehre, und der schönen Elsbeth habe er einen Liebestrank beigebracht, daran sie hätte entweder rasend werden oder jämmerlich sterben, oder ihn heirathen müssen. Ferner, der Oswald könne Geister bannen, Schätze heben, das Fieber besprechen, den Kühen es anthun, daß sie blaue Milch oder wohl gar Blut geben müßten; er könne das Feuer bannen, sich stich- und kugelfest machen, auf einem Besen durch die Luft reiten und viele andere Dinge mehr. Das habe er alles aus gefährlichen Büchern erlernt; er habe Doktor Fausts Höllenzwang, Kaiser Caroli Halsgerichtsordnung und das Buch von Salomonis Siegelring.

      Von diesem Augenblicke an fürchteten sich die Leute in Goldenthal vor dem Schulmeister entsetzlich. Keiner that ihm etwas zu leid, aus Angst vor Oswalds Rache und höllischem Bundesgenossen. Sogar der grimmige Löwenwirth unterstand sich nicht, ihm oder dem Müller etwas in den Weg zu legen. Manche Leute schlugen heimlich ein Kreuz, wenn sie dem Oswald von ungefähr begegneten.

      11.

       Elsbeth steht in gutem Ruf.

       Inhaltsverzeichnis

      Wenn aber die jungen Leute des Dorfes der Elsbeth begegneten, die da blühte wie eine Rose, schlug Niemand vor ihr ein Kreuz, sondern Jeder nickte ihr den freundlichsten guten Tag; und wenn sie vorbei war, blieb wohl Mancher gar still stehen und sah ihr nach. Denn Elsbeth war eine schöne Frau, und sie schien mit jedem Tage schöner zu werden, daß sich selbst die Mädchen in Goldenthal darüber wunderten. Dennoch war sie nicht kostbarer gekleidet oder geputzter, als andere Frauen waren. Aber man mochte sie sehen Sonntags oder Werkeltags, Morgens oder Abends, sie war immer, als wollte sie zum Tanz gehen. Sie arbeitete in der Sonnenhitze auf dem Felde und im Garten; sie ging in den Stall und besorgte Kuh und Schwein; trug Gemüs und Eier zum Verkauf in die Stadt – und dabei war sie allezeit sauber und zierlich, und kein Fleck an ihren Kleidern.

      »Ich glaube beinahe, die kann auch schon hexen!« sagte die Löwenwirthin, indem sie eine Prise Schnupftabak nahm, und sich die Nase mit dem Aermel wischte.

      »Ja wohl!« sagten die jungen Männer alle: »Die kann es. Wenn Elsbeth nicht schon verheiratet wäre, sie würde uns allen die Herzen aus dem Leibe hexen, so schön ist sie!«

      Und die verheirateten Männer im Dorfe verfuhren gar oft grob mit ihren Weibern, und gaben ihnen Schmähworte und Ohrfeigen, daß sie nicht auch so schön geblieben waren, wie die Schulmeisterin. Dann heulten die Weiber und fluchten und schworen und zerkratzten ihren Männern das Gesicht mit ihren langgewachsenen Nägelkrallen.

      Zwei Mädchen, welche Elsbeths Freundinnen waren und bald Hochzeit machen wollten, kamen zu Elsbeth und sprachen: »Du bist nun seit Jahr und Tag eine Frau, und bist so hübsch wie eine Jungfrau. Und alle Männer bewundern dich, und alle Weiber müßen dich beneiden. O Elsbeth, sage uns an, wie du das machest? Denn siehe, du weißt es, sobald bei uns eine Tochter einen Mann hat, wird sie häßlich und wüst, und die Liebe hört auf. So ist es nicht bei dir.«

      Die junge Schulmeisterin antwortete und sprach: »Ich will es euch sagen. Die Weiber haben allein die Schuld. So lange sie Jungfrauen sind, und den jungen Burschen gefallen wollen, schmücken sie sich, und alles Geld, was sie haben und verdienen, stecken sie in neuen Putz. Da sind sie sauber und glatt, daß ihre Stirn glänzt an der Sonne, und ihr Haar ist wie gemalt. Haben sie endlich einen Mann, da denken sie nicht mehr daran, gefallen zu wollen. Da gehen sie des Morgens lange umher mit Stroh und Bettfedern im ungekämmten Haar; vergessen, sich jedesmal