nach Quellen der Zukunft suchen und nach neuen Ursprüngen. –
Oh meine Brüder, es ist nicht über lange, da werden neue Völker entspringen und neue Quellen hinab in neue Tiefen rauschen.
Das Erdbeben nämlich – das verschüttet viel Brunnen, das schafft viel Verschmachten: das hebt auch innre Kräfte und Heimlichkeiten an’s Licht.
Das Erdbeben macht neue Quellen offenbar. Im Erdbeben alter Völker brechen neue Quellen aus.
Und wer da ruft: »Siehe hier ein Brunnen für viele Durstige, Ein Herz für viele Sehnsüchtige, Ein Wille für viele Werkzeuge«: – um den sammelt sich ein Volk, das ist: viel Versuchende.
Wer befehlen kann, wer gehorchen muss – Das wird da versucht! Ach, mit welch langem Suchen und Rathen und Missrathen und Lernen und Neu-Versuchen!
Die Menschen-Gesellschaft: die ist ein Versuch, so lehre ich’s, – ein langes Suchen: sie sucht aber den Befehlenden! –
– ein Versuch, oh meine Brüder! Und kein »Vertrag«! Zerbrecht, zerbrecht mir solch Wort der Weich-Herzen und Halb- und Halben!
26
Oh meine Brüder! Bei Welchen liegt doch die grösste Gefahr aller Menschen-Zukunft? Ist es nicht bei den Guten und Gerechten? –
– als bei Denen, die sprechen und im Herzen fühlen: »wir wissen schon, was gut ist und gerecht, wir haben es auch; wehe Denen, die hier noch suchen!« –
Und was für Schaden auch die Bösen thun mögen: der Schaden der Guten ist der schädlichste Schaden!
Und was für Schaden auch die Welt-Verleumder thun mögen: der Schaden der Guten ist der schädlichste Schaden.
Oh meine Brüder, den Guten und Gerechten sah Einer einmal in’s Herz, der da sprach: »es sind die Pharisäer.« Aber man verstand ihn nicht.
Die Guten und Gerechten selber durften ihn nicht verstehen: ihr Geist ist eingefangen in ihr gutes Gewissen. Die Dummheit der Guten ist unergründlich klug.
Das aber ist die Wahrheit: die Guten müssen Pharisäer sein, – sie haben keine Wahl!
Die Guten müssen Den kreuzigen, der sich seine eigne Tugend erfindet! Das ist die Wahrheit!
Der Zweite aber, der ihr Land entdeckte, Land, Herz und Erdreich der Guten und Gerechten: das war, der da fragte: »wen hassen sie am meisten?«
Den Schaffenden hassen sie am meisten: den, der Tafeln bricht und alte Werthe, den Brecher – den heissen sie Verbrecher.
Die Guten nämlich – die können nicht schaffen: die sind immer der Anfang vom Ende:-
– sie kreuzigen Den, der neue Werthe auf neue Tafeln schreibt, sie opfern sich die Zukunft, – sie kreuzigen alle Menschen-Zukunft!
Die Guten – die waren immer der Anfang vom Ende. –
27
Oh meine Brüder, verstandet ihr auch diess Wort? Und was ich einst sagte vom »letzten Menschen«? – –
Bei Welchen liegt die grösste Gefahr aller Menschen-Zukunft? Ist es nicht bei den Guten und Gerechten?
Zerbrecht, zerbrecht mir die Guten und Gerechten! – Oh meine Brüder, verstandet ihr auch diess Wort?
28
Ihr flieht von mir? Ihr seid erschreckt? Ihr zittert vor diesem Worte?
Oh meine Brüder, als ich euch die Guten zerbrechen hiess und die Tafeln der Guten: da erst schiffte ich den Menschen ein auf seine hohe See.
Und nun erst kommt ihm der grosse Schrecken, das grosse Um-sich-sehn, die grosse Krankheit, der grosse Ekel, die grosse See-Krankheit.
Falsche Küsten und falsche Sicherheiten lehrten euch die Guten; in Lügen der Guten wart ihr geboren und geborgen. Alles ist in den Grund hinein verlogen und verbogen durch die Guten.
Aber wer das Land »Mensch« entdeckte, entdeckte auch das Land »Menschen-Zukunft«. Nun sollt ihr mir Seefahrer sein, wackere, geduldsame!
Aufrecht geht mir bei Zeiten, oh meine Brüder, lernt aufrecht gehn! Das Meer stürmt: Viele wollen an euch sich wieder aufrichten.
Das Meer stürmt: Alles ist im Meere. Wohlan! Wohlauf! Ihr alten Seemanns-Herzen!
Was Vaterland! Dorthin will unser Steuer, wo unser Kinder-Land ist! Dorthinaus, stürmischer als das Meer, stürmt unsre grosse Sehnsucht! –
29
»Warum so hart! – sprach zum Diamanten einst die Küchen-Kohle; sind wir denn nicht Nah-Verwandte?« –
Warum so weich? Oh meine Brüder, also frage ich euch: seid ihr denn nicht – meine Brüder?
Warum so weich, so weichend und nachgebend? Warum ist so viel Leugnung, Verleugnung in eurem Herzen? So wenig Schicksal in eurem Blicke?
Und wollt ihr nicht Schicksale sein und Unerbittliche: wie könntet ihr mit mir – siegen?
Und wenn eure Härte nicht blitzen und scheiden und zerschneiden will: wie könntet ihr einst mit mir – schaffen?
Die Schaffenden nämlich sind hart. Und Seligkeit muss es euch dünken, eure Hand auf Jahrtausende zu drücken wie auf Wachs, –
– Seligkeit, auf dem Willen von Jahrtausenden zu schreiben wie auf Erz, – härter als Erz, edler als Erz. Ganz hart ist allein das Edelste.
Diese neue Tafel, oh meine Brüder, stelle ich über euch: werdet hart! –
30
Oh du mein Wille! Du Wende aller Noth du meine Nothwendigkeit! Bewahre mich vor allen kleinen Siegen!
Du Schickung meiner Seele, die ich Schicksal heisse! Du-In-mir! Über-mir! Bewahre und spare mich auf zu Einem grossen Schicksale!
Und deine letzte Grösse, mein Wille, spare dir für dein Letztes auf, – dass du unerbittlich bist in deinem Siege! Ach, wer unterlag nicht seinem Siege!
Ach, wessen Auge dunkelte nicht in dieser trunkenen Dämmerung! Ach, wessen Fuss taumelte nicht und verlernte im Siege – stehen! –
– Dass ich einst bereit und reif sei im grossen Mittage: bereit und reif gleich glühendem Erze, blitzschwangrer Wolke und schwellendem Milch-Euter: –
– bereit zu mir selber und zu meinem verborgensten Willen: ein Bogen brünstig