Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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nach Quel­len der Zu­kunft su­chen und nach neu­en Ur­sprün­gen. –

      Oh mei­ne Brü­der, es ist nicht über lan­ge, da wer­den neue Völ­ker ent­sprin­gen und neue Quel­len hin­ab in neue Tie­fen rau­schen.

      Das Erd­be­ben näm­lich – das ver­schüt­tet viel Brun­nen, das schafft viel Ver­schmach­ten: das hebt auch in­n­re Kräf­te und Heim­lich­kei­ten an’s Licht.

      Das Erd­be­ben macht neue Quel­len of­fen­bar. Im Erd­be­ben al­ter Völ­ker bre­chen neue Quel­len aus.

      Und wer da ruft: »Sie­he hier ein Brun­nen für vie­le Durs­ti­ge, Ein Herz für vie­le Sehn­süch­ti­ge, Ein Wil­le für vie­le Werk­zeu­ge«: – um den sam­melt sich ein Vol­k, das ist: viel Ver­su­chen­de.

      Wer be­feh­len kann, wer ge­hor­chen muss – Das wird da ver­sucht! Ach, mit welch lan­gem Su­chen und Ra­then und Miss­rat­hen und Ler­nen und Neu-Ver­su­chen!

      Die Men­schen-Ge­sell­schaft: die ist ein Ver­such, so leh­re ich’s, – ein lan­ges Su­chen: sie sucht aber den Be­feh­len­den! –

      – ein Ver­such, oh mei­ne Brü­der! Und k­ein »Ver­trag«! Zerbrecht, zerbrecht mir solch Wort der Weich-Her­zen und Halb- und Hal­ben!

      26

      Oh mei­ne Brü­der! Bei Wel­chen liegt doch die gröss­te Ge­fahr al­ler Men­schen-Zu­kunft? Ist es nicht bei den Gu­ten und Ge­rech­ten? –

      – als bei De­nen, die spre­chen und im Her­zen füh­len: »wir wis­sen schon, was gut ist und ge­recht, wir ha­ben es auch; wehe De­nen, die hier noch su­chen!« –

      Und was für Scha­den auch die Bö­sen thun mö­gen: der Scha­den der Gu­ten ist der schäd­lichs­te Scha­den!

      Und was für Scha­den auch die Welt-Ver­leum­der thun mö­gen: der Scha­den der Gu­ten ist der schäd­lichs­te Scha­den.

      Oh mei­ne Brü­der, den Gu­ten und Ge­rech­ten sah Ei­ner ein­mal in’s Herz, der da sprach: »es sind die Pha­ri­sä­er.« Aber man ver­stand ihn nicht.

      Die Gu­ten und Ge­rech­ten sel­ber durf­ten ihn nicht ver­ste­hen: ihr Geist ist ein­ge­fan­gen in ihr gu­tes Ge­wis­sen. Die Dumm­heit der Gu­ten ist un­er­gründ­lich klug.

      Das aber ist die Wahr­heit: die Gu­ten müs­sen Pha­ri­sä­er sein, – sie ha­ben kei­ne Wahl!

      Die Gu­ten müs­sen Den kreu­zi­gen, der sich sei­ne eig­ne Tu­gend er­fin­det! Das ist die Wahr­heit!

      Der Zwei­te aber, der ihr Land ent­deck­te, Land, Herz und Erd­reich der Gu­ten und Ge­rech­ten: das war, der da frag­te: »wen has­sen sie am meis­ten?«

      Den Schaf­fen­den has­sen sie am meis­ten: den, der Ta­feln bricht und alte Wert­he, den Bre­cher – den heis­sen sie Ver­bre­cher.

      Die Gu­ten näm­lich – die kön­nen nicht schaf­fen: die sind im­mer der An­fang vom Ende:-

      – sie kreu­zi­gen Den, der neue Wert­he auf neue Ta­feln schreibt, sie op­fern sich die Zu­kunft, – sie kreu­zi­gen alle Men­schen-Zu­kunft!

      Die Gu­ten – die wa­ren im­mer der An­fang vom Ende. –

      27

      Oh mei­ne Brü­der, ver­stan­det ihr auch diess Wort? Und was ich einst sag­te vom »letz­ten Men­schen«? – –

      Bei Wel­chen liegt die gröss­te Ge­fahr al­ler Men­schen-Zu­kunft? Ist es nicht bei den Gu­ten und Ge­rech­ten?

      Zerbrecht, zerbrecht mir die Gu­ten und Ge­rech­ten! – Oh mei­ne Brü­der, ver­stan­det ihr auch diess Wort?

      28

      Ihr flieht von mir? Ihr seid er­schreckt? Ihr zit­tert vor die­sem Wor­te?

      Oh mei­ne Brü­der, als ich euch die Gu­ten zer­bre­chen hiess und die Ta­feln der Gu­ten: da erst schiff­te ich den Men­schen ein auf sei­ne hohe See.

      Und nun erst kommt ihm der gros­se Schre­cken, das gros­se Um-sich-sehn, die gros­se Krank­heit, der gros­se Ekel, die gros­se See-Krank­heit.

      Fal­sche Küs­ten und falsche Si­cher­hei­ten lehr­ten euch die Gu­ten; in Lü­gen der Gu­ten wart ihr ge­bo­ren und ge­bor­gen. Al­les ist in den Grund hin­ein ver­lo­gen und ver­bo­gen durch die Gu­ten.

      Aber wer das Land »Mensch« ent­deck­te, ent­deck­te auch das Land »Men­schen-Zu­kunft«. Nun sollt ihr mir See­fah­rer sein, wa­cke­re, ge­duld­sa­me!

      Auf­recht geht mir bei Zei­ten, oh mei­ne Brü­der, lernt auf­recht gehn! Das Meer stürmt: Vie­le wol­len an euch sich wie­der auf­rich­ten.

      Das Meer stürmt: Al­les ist im Mee­re. Wohl­an! Wohl­auf! Ihr al­ten See­manns-Her­zen!

      Was Va­ter­land! Dor­thin will un­ser Steu­er, wo un­ser Kin­der-Lan­d ist! Dor­thin­aus, stür­mi­scher als das Meer, stürmt uns­re gros­se Sehn­sucht! –

      29

      »Wa­rum so hart! – sprach zum Dia­man­ten einst die Kü­chen-Koh­le; sind wir denn nicht Nah-Ver­wand­te?« –

      Wa­rum so weich? Oh mei­ne Brü­der, also fra­ge ich euch: seid ihr denn nicht – mei­ne Brü­der?

      Wa­rum so weich, so wei­chend und nach­ge­bend? Wa­rum ist so viel Leug­nung, Ver­leug­nung in eu­rem Her­zen? So we­nig Schick­sal in eu­rem Bli­cke?

      Und wollt ihr nicht Schick­sa­le sein und Uner­bitt­li­che: wie könn­tet ihr mit mir – sie­gen?

      Und wenn eure Här­te nicht blit­zen und schei­den und zer­schnei­den will: wie könn­tet ihr einst mit mir – schaf­fen?

      Die Schaf­fen­den näm­lich sind hart. Und Se­lig­keit muss es euch dün­ken, eure Hand auf Jahr­tau­sen­de zu drücken wie auf Wachs, –

      – Se­lig­keit, auf dem Wil­len von Jahr­tau­sen­den zu schrei­ben wie auf Erz, – här­ter als Erz, ed­ler als Erz. Ganz hart ist al­lein das Edels­te.

      Die­se neue Ta­fel, oh mei­ne Brü­der, stel­le ich über euch: wer­det har­t! –

      30

      Oh du mein Wil­le! Du Wen­de al­ler Noth du mei­ne No­thwen­dig­keit! Be­wah­re mich vor al­len klei­nen Sie­gen!

      Du Schi­ckung mei­ner See­le, die ich Schick­sal heis­se! Du-In-mir! Über-mir! Be­wah­re und spa­re mich auf zu Ei­nem gros­sen Schick­sa­le!

      Und dei­ne letz­te Grös­se, mein Wil­le, spa­re dir für dein Letz­tes auf, – dass du un­er­bitt­lich bist in dei­nem Sie­ge! Ach, wer un­ter­lag nicht sei­nem Sie­ge!

      Ach, wes­sen Auge dun­kel­te nicht in die­ser trun­ke­nen Däm­me­rung! Ach, wes­sen Fuss tau­mel­te nicht und ver­lern­te im Sie­ge – ste­hen! –

      – Dass ich einst be­reit und reif sei im gros­sen Mit­ta­ge: be­reit und reif gleich glü­hen­dem Erze, blitz­schwan­g­rer Wol­ke und schwel­len­dem Milch-Eu­ter: –

      – be­reit zu mir sel­ber und zu mei­nem ver­bor­gens­ten Wil­len: ein Bo­gen brüns­tig