Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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mei­ne See­le, ich gab dir neue Na­men und bun­te Spiel­wer­ke, ich hiess dich »Schick­sal« und »Um­fang der Um­fän­ge« und »Na­bel­schnur der Zeit« und »azur­ne Glo­cke«.

      Oh mei­ne See­le, dei­nem Erd­reich gab ich alle Weis­heit zu trin­ken, alle neu­en Wei­ne und auch alle un­vor­denk­lich al­ten star­ken Wei­ne der Weis­heit.

      Oh mei­ne See­le, jede Son­ne goss ich auf dich und jede Nacht und je­des Schwei­gen und jede Sehn­sucht: – da wuch­sest du mir auf wie ein Wein­stock.

      Oh mei­ne See­le, über­reich und schwer stehst du nun da, ein Wein­stock mit schwel­len­den Eu­tern und ge­dräng­ten brau­nen Gold-Wein­trau­ben: –

      – ge­drängt und ge­drückt von dei­nem Glücke, war­tend vor Über­flus­se und scham­haft noch ob dei­nes War­tens.

      Oh mei­ne See­le, es giebt nun nir­gends eine See­le, die lie­ben­der wäre und um­fan­gen­der und um­fäng­li­cher! Wo wäre Zu­kunft und Ver­gang­nes nä­her bei­sam­men als bei dir?

      Oh mei­ne See­le, ich gab dir Al­les, und alle mei­ne Hän­de sind an dich leer ge­wor­den: – und nun! Nun sagst du mir lä­chelnd und voll Schwer­muth: »Wer von uns hat zu dan­ken? –

      – hat der Ge­ber nicht zu dan­ken, dass der Neh­men­de nahm? Ist Schen­ken nicht eine No­th­durft? Ist Neh­men nicht – Er­bar­men?« –

      Oh mei­ne See­le, ich ver­ste­he das Lä­cheln dei­ner Schwer­muth: dein Über-Reicht­hum sel­ber streckt nun seh­nen­de Hän­de aus!

      Dei­ne Fül­le blickt über brau­sen­de Mee­re hin und sucht und war­tet; die Sehn­sucht der Über-Fül­le blickt aus dei­nem lä­cheln­den Au­gen-Him­mel!

      Und wahr­lich, oh mei­ne See­le! Wer sähe dein Lä­cheln und schmel­ze nicht vor Thrä­nen? Die En­gel sel­ber schmel­zen vor Thrä­nen ob der Über-Güte dei­nes Lä­chelns.

      Dei­ne Güte und Über-Güte ist es, die nicht kla­gen und wei­nen will: und doch sehnt sich, oh mei­ne See­le, dein Lä­cheln nach Thrä­nen und dein zit­tern­der Mund nach Schluch­zen.

      »Ist al­les Wei­nen nicht ein Kla­gen? Und al­les Kla­gen nicht ein An­kla­gen?« Also re­dest du zu dir sel­ber, und dar­um willst du, oh mei­ne See­le, lie­ber lä­cheln, als dein Leid aus­schüt­ten.

      – in stür­zen­de Thrä­nen aus­schüt­ten all dein Leid über dei­ne Fül­le und über all die Dräng­niss des Wein­stocks nach Win­zer und Win­zer­mes­ser!

      Aber willst du nicht wei­nen, nicht aus­wei­nen dei­ne pur­pur­ne Schwer­muth, so wirst du sin­gen müs­sen, oh mei­ne See­le! – Sie­he, ich lächle sel­ber, der ich dir sol­ches vor­her­sa­ge:

      – sin­gen, mit brau­sen­dem Ge­san­ge, bis alle Mee­re still wer­den, dass sie dei­ner Sehn­sucht zu­hor­chen, –

      – bis über stil­le sehn­süch­ti­ge Mee­re der Na­chen schwebt, das gül­de­ne Wun­der, um des­sen Gold alle gu­ten schlim­men wun­der­li­chen Din­ge hüp­fen: –

      – auch vie­les gros­se und klei­ne Gethier und Al­les, was leich­te wun­der­li­che Füs­se hat, dass es auf veil­chen­blau­en Pfa­den lau­fen kann, –

      – hin zu dem gül­de­nen Wun­der, dem frei­wil­li­gen Na­chen und zu sei­nem Herrn: das aber ist der Win­zer, der mit dia­man­te­nem Win­zer­mes­ser war­tet, –

      – dein gros­ser Lö­ser, oh mei­ne See­le, der Na­men­lo­se – – dem zu­künf­ti­ge Ge­sän­ge erst Na­men fin­den! Und wahr­lich, schon duf­tet dein Athem nach zu­künf­ti­gen Ge­sän­gen, –

      – schon glühst du und träumst, schon trinkst du durs­tig an al­len tie­fen klin­gen­den Trost-Brun­nen, schon ruht dei­ne Schwer­muth in der Se­lig­keit zu­künf­ti­ger Ge­sän­ge! – –

      Oh mei­ne See­le, nun gab ich dir Al­les und auch mein Letz­tes, und alle mei­ne Hän­de sind an dich leer ge­wor­den: – dass ich dich sin­gen hiess, sie­he, das war mein Letz­tes!

      Dass ich dich sin­gen hiess, sprich nun, sprich: wer von uns hat jetzt – zu dan­ken? – Bes­ser aber noch: sin­ge mir, sin­ge, oh mei­ne See­le! Und mich lass dan­ken! –

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Das andere Tanzlied

      1

      »In dein Auge schau­te ich jüngst, oh Le­ben: Gold sah ich in dei­nem Nacht-Auge blin­ken, – mein Herz stand still vor die­ser Wol­lust:

      – einen gol­de­nen Kahn sah ich blin­ken auf mäch­ti­gen Ge­wäs­sern, einen sin­ken­den, trin­ken­den, wie­der win­ken­den gol­de­nen Schau­kel-Kahn!

      Nach mei­nem Fus­se, dem tanzwüthi­gen, warfst du einen Blick, einen la­chen­den fra­gen­den schmel­zen­den Schau­kel-Blick:

      Zwei Mal nur reg­test du dei­ne Klap­per mit klei­nen Hän­den – da schau­kel­te schon mein Fuss vor Tanz-Wuth. –

      Mei­ne Fer­sen bäum­ten sich, mei­ne Ze­hen horch­ten, dich zu ver­ste­hen: trägt doch der Tän­zer sein Ohr – in sei­nen Ze­hen!

      Zu dir hin sprang ich: da flohst du zu­rück vor mei­nem Sprun­ge; und ge­gen mich zün­gel­te dei­nes flie­hen­den flie­gen­den Haars Zun­ge!

      Von dir weg sprang ich und von dei­nen Schlan­gen: da standst du schon, halb­ge­wandt, das Auge voll Ver­lan­gen.

      Mit krum­men Bli­cken – lehrst du mich krum­me Bah­nen; auf krum­men Bah­nen lernt mein Fuss – Tücken!

      Ich fürch­te dich Nahe, ich lie­be dich Fer­ne; dei­ne Flucht lockt mich, dein Su­chen stockt mich: – ich lei­de, aber was litt ich um dich nicht ger­ne!

      De­ren Käl­te zün­det, de­ren Hass ver­führt, de­ren Flucht bin­det, de­ren Spott – rührt:

      – wer hass­te dich nicht, dich gros­se Bin­de­rin, Um­win­de­rin, Ver­su­che­rin, Su­che­rin, Fin­de­rin! Wer lieb­te dich nicht, dich un­schul­di­ge, un­ge­dul­di­ge, wind­sei­li­ge, kinds­äu­gi­ge Sün­de­rin!

      Wo­hin ziehst du mich jetzt, du Aus­bund und Un­band? Und jetzt fliehst du mich wie­der, du süs­ser Wild­fang und Un­dank!

      Ich tan­ze dir nach, ich fol­ge dir auch auf ge­rin­ger Spur. Wo bist du? Gieb mir die Hand! Oder einen Fin­ger nur!

      Hier sind Höh­len und Dickich­te: wir wer­den uns ver­ir­ren! – Halt! Steh still! Siehst du nicht Eu­len und Fle­der­mäu­se schwir­ren?

      Du Eule! Du Fle­der­maus! Du willst mich äf­fen? Wo sind wir? Von den Hun­den lern­test du diess Heu­len und Kläf­fen.

      Du flet­schest mich lieb­lich an mit weis­sen Zähn­lein, dei­ne bö­sen Au­gen sprin­gen ge­gen mich aus lockich­tem Mähn­lein!

      Das ist ein Tanz über Stock und Stein: ich bin der Jä­ger, – willst du mein Hund oder mei­ne Gem­se sein?

      Jetzt ne­ben mir! Und ge­schwind, du bos­haf­te Sprin­ge­rin! Jetzt hin­auf! Und hin­über! – Wehe! Da fiel ich sel­ber im Sprin­gen hin!

      Oh sieh mich lie­gen, du Über­muth, und um Gna­de flehn! Ger­ne möch­te ich mit dir – lieb­li­che­re Pfa­de gehn!

      – der Lie­be Pfa­de durch stil­le bun­te Bü­sche! Oder dort den See ent­lang: da schwim­men und tan­zen Gold­fi­sche!