Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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es ja, ant­wor­te­te der Wahr­sa­ger hef­tig, was ver­birgst du dich? Der hö­he­re Men­sch ist es, der nach dir schreit!«

      »Der hö­he­re Mensch? schrie Za­ra­thustra von Grau­sen er­fasst: was will der? Was will der? Der hö­he­re Mensch! Was will der hier?« – und sei­ne Haut be­deck­te sich mit Sch­weiss.

      Der Wahr­sa­ger aber ant­wor­te­te nicht auf die Angst Za­ra­thustra’s, son­dern horch­te und horch­te nach der Tie­fe zu. Als es je­doch lan­ge Zeit dort stil­le blieb, wand­te er sei­nen Blick zu­rück und sahe Za­ra­thustra stehn und zit­tern.

      »Oh Za­ra­thustra, hob er mit trau­ri­ger Stim­me an, du stehst nicht da wie Ei­ner, den sein Glück dre­hend macht: du wirst tan­zen müs­sen, dass du mir nicht um­fällst!

      Aber wenn du auch vor mir tan­zen woll­test und alle dei­ne Sei­ten­sprün­ge sprin­gen: Nie­mand soll mir doch sa­gen dür­fen: »Sie­he, hier tanzt der letz­te fro­he Mensch!«

      Um­sonst käme Ei­ner auf die­se Höhe, der den hier such­te: Höh­len fän­de er wohl und Hin­ter-Höh­len, Ver­ste­cke für Ver­steck­te, aber nicht Glücks-Schach­te und Schatz­kam­mern und neue Glücks-Golda­dern.

      Glück – wie fän­de man wohl das Glück bei sol­chen Ver­gra­be­nen und Ein­sied­lern! Muss ich das letz­te Glück noch auf glück­se­li­gen In­seln su­chen und fer­ne zwi­schen ver­ges­se­nen Mee­ren?

      Aber Al­les ist gleich, es lohnt sich Nichts, es hilft kein Su­chen, es giebt auch kei­ne glück­se­li­gen In­seln mehr!« – –

      Also seufz­te der Wahr­sa­ger; bei sei­nem letz­ten Seuf­zer aber wur­de Za­ra­thustra wie­der hell und si­cher, gleich Ei­nem, der aus ei­nem tie­fen Sch­lun­de an’s Licht kommt. »Nein! Nein! Drei Mal Nein! rief er mit star­ker Stim­me und strich sich den Bart – Das weiss ich bes­ser! Es giebt noch glück­se­li­ge In­seln! Stil­le da­von, du seuf­zen­der Trau­er­sack!

      Höre da­von auf zu plät­schern, du Re­gen­wol­ke am Vor­mit­tag! Ste­he ich denn nicht schon da, nass von dei­ner Trüb­sal und be­gos­sen wie ein Hund?

      Nun schütt­le ich mich und lau­fe dir da­von, dass ich wie­der tro­cken wer­de: dess darfst du nicht Wun­der ha­ben! Dün­ke ich dir un­höf­lich? Aber hier ist mein Hof.

      Was aber dei­nen hö­he­ren Men­schen an­geht: wohl­an! ich su­che ihn flugs in je­nen Wäl­dern: da­her kam sein Schrei. Vi­el­leicht be­drängt ihn da ein bö­ses Thier.

      Er ist in mei­nem Be­rei­che: dar­in soll er mir nicht zu Scha­den kom­men! Und wahr­lich, es giebt vie­le böse Thie­re bei mir.« –

      Mit die­sen Wor­ten wand­te sich Za­ra­thustra zum Ge­hen. Da sprach der Wahr­sa­ger: »Oh Za­ra­thustra, du bist ein Schelm!

      Ich weiss es schon: du willst mich los sein! Lie­ber noch läufst du in die Wäl­der und stellst bö­sen Thie­ren nach!

      Aber was hilft es dir? Des Abends wirst du doch mich wie­der­ha­ben, in dei­ner eig­nen Höh­le wer­de ich da­sit­zen, ge­dul­dig und schwer wie ein Klotz – und auf dich war­ten!«

      »So sei’s! rief Za­ra­thustra zu­rück im Fort­gehn: und was mein ist in mei­ner Höh­le, ge­hört auch dir, mei­nem Gast­freun­de!

      Soll­test du aber drin noch Ho­nig fin­den, wohl­an! so le­cke ihn nur auf, du Brumm­bär, und ver­süs­se dei­ne See­le! Am Aben­de näm­lich wol­len wir Bei­de gu­ter Din­ge sein,

      – gu­ter Din­ge und froh darob, dass die­ser Tag zu Ende gieng! Und du sel­ber sollst zu mei­nen Lie­dern als mein Tanz­bär tan­zen.

      Du glaubst nicht dar­an? Du schüt­telst den Kopf? Wohl­an! Wohl­auf! Al­ter Bär! Aber auch ich – bin ein Wahr­sa­ger.«

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Gespräch mit den Königen

      1

      Za­ra­thustra war noch kei­ne Stun­de in sei­nen Ber­gen und Wäl­dern un­ter­wegs, da sahe er mit Ei­nem Male einen selt­sa­men Auf­zug. Gera­de auf dem Wege, den er hin­ab­woll­te, ka­men zwei Kö­ni­ge ge­gan­gen, mit Kro­nen und Pur­pur­gür­teln ge­schmückt und bunt wie Fla­min­go-Vö­gel: die trie­ben einen be­la­de­nen Esel vor sich her. »Was wol­len die­se Kö­ni­ge in mei­nem Rei­che?« sprach Za­ra­thustra er­staunt zu sei­nem Her­zen und ver­steck­te Sich ge­schwind hin­ter ei­nem Bu­sche. Als aber die Kö­ni­ge bis zu ihm her­an­ka­men, sag­te er, halb­laut, wie Ei­ner, der zu sich al­lein re­det: »Selt­sam! Selt­sam! Wie reimt sich Das zu­sam­men? Zwei Kö­ni­ge sehe ich – und nur Ei­nen Esel!«

      Da mach­ten die bei­den Kö­ni­ge Halt, lä­chel­ten, sa­hen nach der Stel­le hin, wo­her die Stim­me kam, und sa­hen sich nach­her sel­ber in’s Ge­sicht. »Sol­cher­lei denkt man wohl auch un­ter uns, sag­te der Kö­nig zur Rech­ten, aber man spricht es nicht aus.«

      Der Kö­nig zur Lin­ken aber zuck­te mit den Ach­seln und ant­wor­te­te: »Das mag wohl ein Zie­gen­hirt sein. Oder ein Ein­sied­ler, der zu lan­ge un­ter Fel­sen und Bäu­men leb­te. Gar kei­ne Ge­sell­schaft näm­lich verdirbt auch die gu­ten Sit­ten.«

      »Die gu­ten Sit­ten? ent­geg­ne­te un­wil­lig und bit­ter der and­re Kö­nig: wem lau­fen wir denn aus dem Wege? Ist es nicht den »gu­ten Sit­ten«? Uns­rer »gu­ten Ge­sell­schaft«?

      Lie­ber, wahr­lich, un­ter Ein­sied­lern und Zie­gen­hir­ten als mit un­serm ver­gol­de­ten falschen über­schmink­ten Pö­bel le­ben, – ob er sich schon »gute Ge­sell­schaft« heisst,

      – ob er sich schon »Adel« heisst. Aber da ist Al­les falsch und faul, vor­an das Blut, Dank al­ten schlech­ten Krank­hei­ten und schlech­teren Heil-Künst­lern.

      Der Bes­te und Liebs­te ist mir heu­te noch ein ge­sun­der Bau­er, grob, lis­tig, hart­nä­ckig, lang­hal­tig: das ist heu­te die vor­nehms­te Art.

      Der Bau­er ist heu­te der Bes­te; und Bau­ern-Art soll­te Herr sein! Aber es ist das Reich des Pö­bels, – ich las­se mir Nichts mehr vor­ma­chen. Pö­bel aber, das heisst: Misch­masch.

      Pö­bel-Misch­masch: dar­in ist Al­les in Al­lem durch­ein­an­der, Hei­li­ger und Hal­lun­ke und Jun­ker und Jude und jeg­lich Vieh aus der Ar­che Noäh.

      Gute Sit­ten! Al­les ist bei uns falsch und faul. Nie­mand weiss mehr zu ver­eh­ren: dem ge­ra­de lau­fen wir da­von. Es sind süss­li­che zu­dring­li­che Hun­de, sie ver­gol­den Pal­men­blät­ter.

      Die­ser Ekel würgt mich, dass wir Kö­ni­ge sel­ber falsch wur­den, über­hängt und ver­klei­det durch al­ten ver­gilb­ten Gross­vä­ter-Prunk, Schau­mün­zen für die Dümms­ten und die Schlaues­ten, und wer heu­te Al­les mit der Macht Scha­cher treibt!

      Wir sin­d nicht die Ers­ten – und müs­sen es doch be­deu­ten: die­ser Be­trü­ge­rei sind wir end­lich satt und ekel ge­wor­den.

      Dem Ge­sin­del gien­gen wir aus dem Wege, al­len die­sen Schreihälsen und Schreib-Schmeiss­flie­gen, dem Krä­mer-Ge­stank, dem Ehr­geiz-Ge­zap­pel, dem üb­len Athem –: pfui, un­ter dem Ge­sin­del le­ben,

      – pfui, un­ter dem Ge­sin­del die Ers­ten zu be­deu­ten! Ach, Ekel! Ekel! Ekel! Was liegt noch an uns Kö­ni­gen!« –

      »Dei­ne alte Krank­heit fällt dich an, sag­te hier der Kö­nig zur Lin­ken,