Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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Igel nach mei­nem Blu­te, Za­ra­thustra sel­ber!

      Oh Glück! Oh Wun­der! Ge­lobt sei die­ser Tag, der mich in die­sen Sumpf lock­te! Ge­lobt sei der bes­te le­ben­digs­te Schröpf­kopf, der heut lebt, ge­lobt sei der gros­se Ge­wis­sens-Blut­egel Za­ra­thustra!« –

      Also sprach der Ge­tre­te­ne; und Za­ra­thustra freu­te sich über sei­ne Wor­te und ihre fei­ne ehr­fürch­ti­ge Art. »Wer bist du? frag­te er und reich­te ihm die Hand, zwi­schen uns bleibt Viel auf­zu­klä­ren und auf­zu­hei­tern: aber schon, dünkt mich, wird es rei­ner hel­ler Tag.«

      »Ich bin der Ge­wis­sen­haf­te des Geis­tes, ant­wor­te­te der Ge­frag­te, und in Din­gen des Geis­tes nimmt es nicht leicht Ei­ner stren­ger, en­ger und här­ter als ich, aus­ge­nom­men der, von dem ich’s lern­te, Za­ra­thustra sel­ber.

      Lie­ber Nichts wis­sen, als Vie­les halb wis­sen! Lie­ber ein Narr sein auf eig­ne Faust, als ein Wei­ser nach frem­dem Gut­dün­ken! Ich – gehe auf den Grund:

      – was liegt dar­an, ob er gross oder klein ist? Ob er Sumpf oder Him­mel heisst? Eine Hand breit Grund ist mir ge­nung: wenn er nur wirk­lich Grund und Bo­den ist!

      – eine Hand breit Grund: dar­auf kann man stehn. In der rech­ten Wis­sen-Ge­wis­sen­schaft giebt es nichts Gros­ses und nichts Klei­nes.«

      »So bist du viel­leicht der Er­ken­ner des Blut­egels? frag­te Za­ra­thustra; und du gehst dem Blut­egel nach bis auf die letz­ten Grün­de, du Ge­wis­sen­haf­ter?«

      »Oh Za­ra­thustra, ant­wor­te­te der Ge­tre­te­ne, das wäre ein Un­ge­heu­res, wie dürf­te ich mich des­sen un­ter­fan­gen!

      Wess ich aber Meis­ter und Ken­ner bin, das ist des Blut­egels Hirn: – das ist mei­ne Welt!

      Und es ist auch eine Welt! Ver­gieb aber, dass hier mein Stolz zu Wor­te kommt, denn ich habe hier nicht mei­nes Glei­chen. Da­rum sprach ich »hier bin ich heim.«

      Wie lan­ge gehe ich schon die­sem Ei­nen nach, dem Hirn des Blut­egels, dass die schlüpf­ri­ge Wahr­heit mir hier nicht mehr ent­schlüp­fe! Hier ist mein Reich!

      – darob warf ich al­les An­de­re fort, darob wur­de mir al­les. And­re gleich; und dicht ne­ben mei­nem Wis­sen la­gert mein schwar­zes Un­wis­sen.

      Mein Ge­wis­sen des Geis­tes will es so von mir, dass ich Eins weiss und sonst Al­les nicht weiss: es ekelt mich al­ler Hal­ben des Geis­tes, al­ler Duns­ti­gen, Schwe­ben­den, Schwär­me­ri­schen.

      Wo mei­ne Red­lich­keit auf­hört, bin ich blind und will auch blind sein. Wo ich aber wis­sen will, will ich auch red­lich sein, näm­lich hart, streng, eng, grau­sam, un­er­bitt­lich.

      Dass du einst sprachst, oh Za­ra­thustra: »Geist ist das Le­ben, das sel­ber in’s Le­ben schnei­det,« das führ­te und ver­führ­te mich zu dei­ner Leh­re. Und, wahr­lich, mit eig­nem Blu­te mehr­te ich mir das eig­ne Wis­sen!«

      – Wie der Au­gen­schein lehrt,« fiel Za­ra­thustra ein; denn im­mer noch floss das Blut an dem nack­ten Arme des Ge­wis­sen­haf­ten her­ab. Es hat­ten näm­lich zehn Blut­egel sich in den­sel­ben ein­ge­bis­sen.

      »Oh du wun­der­li­cher Ge­sell, wie Viel lehrt mich die­ser Au­gen­schein da, näm­lich du sel­ber! Und nicht Al­les dürf­te ich viel­leicht in dei­ne stren­gen Ohren gies­sen!

      Wohl­an! So schei­den wir hier! Doch möch­te ich ger­ne dich wie­der­fin­den. Dort hin­auf führt der Weg zu mei­ner Höh­le: heu­te Nacht sollst du dort mein lie­ber Gast sein!

      Ger­ne möch­te ich’s auch an dei­nem Lei­be wie­der gut ma­chen, dass Za­ra­thustra dich mit Füs­sen trat: dar­über den­ke ich nach. Jetzt aber ruft mich ein Noth­schrei ei­lig fort von dir.«

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Der Zauberer

      1

      Als aber Za­ra­thustra um einen Fel­sen her­um­bog, da sahe er, nicht weit un­ter sich, auf dem glei­chen Wege, einen Men­schen, der die Glie­der warf wie ein Tob­süch­ti­ger und end­lich bäuch­lings zur Erde nie­der­stürz­te. »Halt! sprach da Za­ra­thustra zu sei­nem Her­zen, Der dort muss wohl der hö­he­re Mensch sein, von ihm kam je­ner schlim­me Noth­schrei, – ich will sehn, ob da zu hel­fen ist.« Als er aber hin­zu­lief, an die Stel­le, wo der Mensch auf dem Bo­den lag, fand er einen zit­tern­den al­ten Mann mit stie­ren Au­gen; und wie sehr sich Za­ra­thustra müh­te, dass er ihn auf­rich­te und wie­der auf sei­ne Bei­ne stel­le, es war um­sonst. Auch schi­en der Un­glück­li­che nicht zu mer­ken, dass je­mand um ihn sei; viel­mehr sah er sich im­mer mit rüh­ren­den Ge­bär­den um, wie ein von al­ler Welt Ver­las­se­ner und Ver­ein­sam­ter. Zu­letzt aber, nach vie­lem Zit­tern, Zu­cken und Sich-zu­sam­men-Krüm­men, be­gann er also zu jam­mern:

       Wer wärmt mich, wer liebt mich noch?

       Gebt heis­se Hän­de!

       Gebt Her­zens-Koh­len­be­cken!

       Hin­ge­streckt, schau­dernd,

       Halb­tod­tem gleich, dem man die Füs­se wärmt –

       Ge­schüt­telt, ach! von un­be­kann­ten Fie­bern,

       Zit­ternd vor spit­zen ei­si­gen Frost-Pfei­len,

       Von dir ge­jagt, Ge­dan­ke!

       Un­nenn­ba­rer! Ver­hüll­ter! Ent­setz­li­cher!

       Du Jä­ger hin­ter Wol­ken!

       Dar­nie­der­ge­blitzt von dir,

       Du höh­nisch Auge, das mich aus Dunklem an­blickt:

       – so lie­ge ich,

       Bie­ge mich, win­de mich, ge­quält

       Von al­len ewi­gen Mar­tern,

       Ge­trof­fen

       Von Dir, grau­sams­ter Jä­ger,

       Du un­be­kann­ter – Gott!

       Triff tiefer,

       Triff Ein Mal noch!

       Zer­stich, zer­brich diess Herz!

       Was soll diess Mar­tern

       Mit zäh­ne­stump­fen Pfei­len?

       Was blickst du wie­der,

       Der Men­schen-Qual nicht müde,

       Mit scha­den­fro­hen Göt­ter-Blitz-Au­gen?

       Nicht töd­ten willst du,

       Nur mar­tern, mar­tern?

       Wozu – mich mar­tern, Du scha­den­fro­her un­be­kann­ter Gott? – Haha! Du schleichst her­an? Bei sol­cher Mit­ter­nacht Was willst du? Sprich! Du drängst mich, drückst mich – Ha! schon viel zu nahe! Weg! Weg! Du hörst mich ath­men, Du be­horchst mein Herz, Du Ei­fer­süch­ti­ger – Worauf doch ei­fer­süch­tig? Weg! Weg! Wozu die Lei­ter? Willst du hin­ein, In’s Herz, Ein­stei­gen, in mei­ne heim­lichs­ten Ge­dan­ken ein­stei­gen? Scham­lo­ser! Un­be­kann­ter – Dieb! Was willst du dir er­steh­len, Was willst du dir er­hor­chen, Was willst du dir er­fol­tern, Du Fol­te­rer! Du – Hen­ker-Gott! Oder soll ich, dem Hun­de gleich, Vor dir mich wäl­zen? Hin­ge­bend, be­geis­tert-aus­ser-mir, Dir – Lie­be zu­we­deln? Um­sonst! Stich wei­ter, Grau­sams­ter Sta­chel! Nein, Kein Hund – dein Wild nur bin ich, Grau­sams­ter Jä­ger! Dein stol­zes­ter Ge­fang­ner, Du Räu­ber hin­ter Wol­ken! Sprich end­lich, Was willst du,