Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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      Hier aber ist mein Reich und mei­ne Herr­schaft: was mögt Ihr wohl in mei­nem Rei­che su­chen? Vi­el­leicht aber fan­det Ihr un­ter­wegs, was ich su­che: näm­lich den hö­he­ren Men­schen.«

      Als Diess die Kö­ni­ge hör­ten, schlu­gen sie sich an die Brust und spra­chen mit Ei­nem Mun­de: »Wir sind er­kannt!

      Mit dem Schwer­te die­ses Wor­tes zer­haust du uns­res Her­zens dicks­te Fins­ter­niss. Du ent­deck­test uns­re Noth, denn sie­he! Wir sind un­ter­wegs, dass wir den hö­he­ren Men­schen fän­den –

      – den Men­schen, der hö­her ist als wir: ob wir gleich Kö­ni­ge sind. Ihm füh­ren wir die­sen Esel zu. Der höchs­te Mensch näm­lich soll auf Er­den auch der höchs­te Herr sein.

      Es giebt kein här­te­res Un­glück in al­lem Men­schen-Schick­sa­le, als wenn die Mäch­ti­gen der Erde nicht auch die ers­ten Men­schen sind. Da wird Al­les falsch und schief und un­ge­heu­er.

      Und wenn sie gar die letz­ten sind und mehr Vieh als Mensch: da steigt und steigt der Pö­bel im Prei­se, und end­lich spricht gar die Pö­bel-Tu­gend: »sie­he, ich al­lein bin Tu­gend!« –

      Was hör­te ich eben? ant­wor­te­te Za­ra­thustra; wel­che Weis­heit bei Kö­ni­gen! Ich bin ent­zückt, und, wahr­lich, schon ge­lüs­tet’s mich, einen Reim dar­auf zu ma­chen: –

      – mag es auch ein Reim wer­den, der nicht für Je­der­manns Ohren taugt. Ich ver­lern­te seit lan­gem schon die Rück­sicht auf lan­ge Ohren. Wohl­an! Wohl­auf!

      (Hier aber ge­sch­ah es, dass auch der Esel zu Wor­te kam: er sag­te aber deut­lich und mit bö­sem Wil­len I-A.)

       Einst­mals – ich glaub’, im Jahr des Hei­les Eins –

       Sprach die Si­byl­le, trun­ken son­der Weins:

       »Weh, nun geht’s schief!

       »Ver­fall! Ver­fall! Nie sank die Welt so tief!

       »Rom sank zur Hure und zur Hu­ren-Bude,

       »Rom’s Cae­sar sank zum Vieh, Gott selbst – ward Jude!«

      2

      An die­sen Rei­men Za­ra­thustra’s wei­de­ten sich die Kö­ni­ge; der Kö­nig zur Rech­ten aber sprach: »oh Za­ra­thustra, wie gut tha­ten wir, dass wir aus­zo­gen, dich zu sehn!

      Dei­ne Fein­de näm­lich zeig­ten uns dein Bild in ih­rem Spie­gel: da blick­test du mit der Frat­ze ei­nes Teu­fels und hohn­la­chend: also dass wir uns vor dir fürch­te­ten.

      Aber was hal­f’s! Im­mer wie­der stachst du uns in Ohr und Herz mit dei­nen Sprü­chen. Da spra­chen wir end­lich: was liegt dar­an, wie er aus­sieht!

      Wir müs­sen ihn hö­ren, ihn, der lehrt »ihr sollt den Frie­den lie­ben als Mit­tel zu neu­en Krie­gen, und den kur­z­en Frie­den mehr als den lan­gen!«

      Nie­mand sprach je so krie­ge­ri­sche Wor­te: »Was ist gut? Tap­fer sein ist gut. Der gute Krieg ist’s, der jede Sa­che hei­ligt.«

      Oh Za­ra­thustra, uns­rer Vä­ter Blut rühr­te sich bei sol­chen Wor­ten in un­serm Lei­be: das war wie die Rede des Früh­lings zu al­ten Wein­fäs­sern.

      Wenn die Schwer­ter durch­ein­an­der lie­fen gleich ro­th­ge­fleck­ten Schlan­gen, da wur­den uns­re Vä­ter dem Le­ben gut; al­les Frie­dens Son­ne dünk­te sie flau und lau, der lan­ge Frie­den aber mach­te Scham.

      Wie sie seufz­ten, uns­re Vä­ter, wenn sie an der Wand blitz­blan­ke aus­ge­dorr­te Schwer­ter sa­hen! De­nen gleich dürs­te­ten sie nach Krieg. Ein Schwert näm­lich will Blut trin­ken und fun­kelt vor Be­gier­de.« – –

      – Als die Kö­ni­ge der­ge­stalt mit Ei­fer von dem Glück ih­rer Vä­ter re­de­ten und schwätz­ten, über­kam Za­ra­thustra kei­ne klei­ne Lust, ih­res Ei­fers zu spot­ten: denn er­sicht­lich wa­ren es sehr fried­fer­ti­ge Kö­ni­ge, wel­che er vor sich sah, sol­che mit al­ten und fei­nen Ge­sich­tern. Aber er be­zwang sich. »Wohl­an! sprach er, dort­hin führt der Weg, da liegt die Höh­le Za­ra­thustra’s; und die­ser Tag soll einen lan­gen Abend ha­ben! Jetzt aber ruft mich ei­lig ein Noth­schrei fort von Euch.

      Es ehrt mei­ne Höh­le, wenn Kö­ni­ge in ihr sit­zen und war­ten wol­len: aber, frei­lich, Ihr wer­det lan­ge war­ten müs­sen!

      Je nun! Was thut’s! Wo lernt man heu­te bes­ser war­ten als an Hö­fen? Und der Kö­ni­ge gan­ze Tu­gend, die ih­nen üb­rig blieb, – heisst sie heu­te nicht: War­ten- kön­nen

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Der Blutegel

      Und Za­ra­thustra gieng nach­denk­lich wei­ter und tiefer, durch Wäl­der und vor­bei an moo­ri­gen Grün­den; wie es aber Je­dem er­geht, der über schwe­re Din­ge nach­denkt, so trat er un­ver­se­hens da­bei auf einen Men­schen. Und sie­he, da sprütz­ten ihm mit Ei­nem Male ein We­he­schrei und zwei Flü­che und zwan­zig schlim­me Schimpf­wor­te in’s Ge­sicht: also dass er in sei­nem Schre­cken den Stock er­hob und auch auf den Ge­tre­te­nen noch zu­schlug. Gleich dar­auf aber kam ihm die Be­sin­nung; und sein Herz lach­te über die Thor­heit, die er eben gethan hat­te.

      »Ver­gieb, sag­te er zu dem Ge­tre­te­nen, der sich grim­mig er­ho­ben und ge­setzt hat­te, ver­gieb und ver­nimm vor Al­lem erst ein Gleich­niss.

      Wie ein Wan­de­rer, der von fer­nen Din­gen träumt, un­ver­se­hens auf ein­sa­mer Stras­se einen schla­fen­den Hund an­stösst, einen Hund, der in der Son­ne liegt:

      – wie da Bei­de auf­fah­ren, sich an­fah­ren, Tod­fein­den gleich, die­se zwei zu Tod Er­schro­cke­nen: also er­gieng es uns.

      Und doch! Und doch – wie we­nig hat ge­fehlt, dass sie ein­an­der lieb­kos­ten, die­ser Hund und die­ser Ein­sa­me! Sind sie doch Bei­de – Ein­sa­me!«

      – »Wer du auch sein magst, sag­te im­mer noch grim­mig der Ge­tre­te­ne, du trittst mir auch mit dei­nem Gleich­niss zu nahe, und nicht nur mit dei­nem Fus­se!

      Sie­he doch, bin ich denn ein Hund?« – und da­bei er­hob sich der Sit­zen­de und zog sei­nen nack­ten Arm aus dem Sump­fe. Zu­erst näm­lich hat­te er aus­ge­streckt am Bo­den ge­le­gen, ver­bor­gen und un­kennt­lich gleich Sol­chen, die ei­nem Sumpf-Wil­de auf­lau­ern.

      »Aber was treibst du doch!« rief Za­ra­thustra er­schreckt, denn er sahe, dass über den nack­ten Arm weg viel Blut floss, – was ist dir zu­ge­stos­sen? Biss dich, du Un­se­li­ger, ein schlim­mes Thier?

      Der Blu­ten­de lach­te, im­mer noch er­zürnt. »Was geht’s dich an! sag­te er und woll­te wei­ter­gehn. Hier bin ich heim und in mei­nem Be­rei­che. Mag mich fra­gen, wer da will: ei­nem Töl­pel aber wer­de ich schwer­lich ant­wor­ten.«

      »Du irrst, sag­te Za­ra­thustra mit­lei­dig und hielt ihn fest, du irrst: hier bist du nicht bei dir, son­dern in mei­nem Rei­che, und dar­in soll mir Kei­ner zu Scha­den kom­men.

      Nen­ne mich aber im­mer­hin, wie du willst, – ich bin, der ich sein muss. Ich sel­ber heis­se mich Za­ra­thustra.

      Wohl­an! Dort hin­auf geht der Weg zu Za­ra­thustra’s Höh­le: die ist nicht fern, – willst du nicht bei mir dei­ner Wun­den war­ten?

      Es gieng dir schlimm, du Un­se­li­ger, in die­sem Le­ben: