Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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und zu Netz-Aus­wer­fern: so reich ist die Welt an Wun­der­li­chem, gros­sem und klei­nem!

      Son­der­lich die Men­schen-Welt, das Men­schen-Meer: – nach dem wer­fe ich nun mei­ne gol­de­ne An­gel­ru­the aus und spre­che: thue dich auf, du Men­schen-Ab­grund!

      Thue dich auf und wirf mir dei­ne Fi­sche und Glit­zer-Kreb­se zu! Mit mei­nem bes­ten Kö­der kö­de­re ich mir heu­te die wun­der­lichs­ten Men­schen-Fi­sche!

      – mein Glück sel­ber wer­fe ich hin­aus in alle Wei­ten und Fer­nen, zwi­schen Auf­gang, Mit­tag und Nie­der­gang, ob nicht an mei­nem Glücke vie­le Men­schen-Fi­sche zerrn und zap­peln ler­nen.

      Bis sie, an­beis­send an mei­ne spit­zen ver­bor­ge­nen Ha­ken, hin­auf müs­sen in mei­ne Höhe, die bun­tes­ten Ab­grund-Gründ­lin­ge zu dem bos­haf­tigs­ten al­ler Men­schen- Fisch­fän­ger.

      Der näm­lich bin ich von Grund und An­be­ginn, zie­hend, her­an­zie­hend, hin­auf­zie­hend, auf­zie­hend, ein Zie­her, Züch­ter und Zucht­meis­ter, der sich nicht um­sonst einst­mals zu­sprach: »Wer­de, der du bist!«

      Also mö­gen nun­mehr die Men­schen zu mir hin­auf kom­men: denn noch war­te ich der Zei­chen, dass es Zeit sei zu mei­nem Nie­der­gan­ge, noch gehe ich sel­ber nicht un­ter, wie ich muss, un­ter Men­schen.

      Dazu war­te ich hier, lis­tig und spöt­tisch auf ho­hen Ber­gen, kein Un­ge­dul­di­ger, kein Ge­dul­di­ger, viel­mehr Ei­ner, der auch die Ge­duld ver­lernt hat, – weil er nicht mehr »dul­det.«

      Mein Schick­sal näm­lich lässt mir Zeit: es ver­gass mich wohl? Oder sitzt es hin­ter ei­nem gros­sen Stei­ne im Schat­ten und fängt Flie­gen?

      Und wahr­lich, ich bin ihm gut darob, mei­nem ewi­gen Schick­sa­le, dass es mich nicht hetzt und drängt und mir Zeit zu Pos­sen lässt und Bos­hei­ten: also dass ich heu­te zu ei­nem Fisch­fan­ge auf die­sen ho­hen Berg stieg.

      Fieng wohl je ein Mensch auf ho­hen Ber­gen Fi­sche? Und wenn es auch eine Thor­heit ist, was ich hier oben will und trei­be: bes­ser noch Diess, als dass ich da un­ten fei­er­lich wür­de vor War­ten und grün und gelb –

      – ein ge­spreitz­ter Zorn­schnau­ber vor War­ten, ein hei­li­ger Heu­le-Sturm aus Ber­gen, ein Un­ge­dul­di­ger, der in die Thä­ler hin­a­b­ruft: »Hört, oder ich peit­sche euch mit der Geis­sel Got­tes!«

      Nicht dass ich sol­chen Zür­nern darob gram wür­de: zum La­chen sind sie mir gut ge­nung! Un­ge­dul­dig müs­sen sie schon sein, die­se gros­sen Lärm­trom­meln, wel­che heu­te oder nie­mals zu Wor­te kom­men!

      Ich aber und mein Schick­sal – wir re­den nicht zum Heu­te, wir re­den auch nicht zum Nie­mals: wir ha­ben zum Re­den schon Ge­duld und Zeit und Über­zeit. Denn einst muss er doch kom­men und darf nicht vor­über­gehn.

      Wer muss einst kom­men und darf nicht vor­über­gehn? Un­ser gros­ser Ha­zar, das ist un­ser gros­ses fer­nes Men­schen-Reich, das Za­ra­thustra-Reich von tau­send Jah­ren – –

      Wie fer­ne mag sol­ches »Fer­ne« sein? was geht’s mich an! Aber dar­um steht es mir doch nicht min­der fest –, mit bei­den Füs­sen ste­he ich si­cher auf die­sem Grun­de,

      – auf ei­nem ewi­gen Grun­de, auf har­tem Ur­ge­stei­ne, auf die­sem höchs­ten här­tes­ten Ur­ge­bir­ge, zu dem alle Win­de kom­men als zur Wet­ter­schei­de, fra­gend nach Wo? und Wo­her? und Wo­hin­aus?

      Hier la­che, la­che mei­ne hel­le hei­le Bos­heit! Von ho­hen Ber­gen wirf hin­ab dein glit­zern­des Spott-Ge­läch­ter! Kö­de­re mit dei­nem Glit­zern mir die schöns­ten Men­schen-Fi­sche!

      Und was in al­len Mee­ren mir zu­ge­hört, mein An-und-für-mich in al­len Din­gen – Das fi­sche mir her­aus, Das füh­re zu mir her­auf: dess war­te ich, der bos­haf­tigs­te al­ler Fisch­fän­ger.

      Hin­aus, hin­aus, mei­ne An­gel! Hin­ein, hin­ab, Kö­der mei­nes Glücks! Träuf­le dei­nen süs­ses­ten Thau, mein Her­zens-Ho­nig! Beis­se, mei­ne An­gel, in den Bauch al­ler schwar­zen Trüb­sal!

      Hin­aus, hin­aus, mein Auge! Oh wel­che vie­len Mee­re rings um mich, welch däm­mern­de Men­schen-Zu­künf­te! Und über mir – welch ro­sen­ro­the Stil­le! Welch ent­wölk­tes Schwei­gen!

      Der Nothschrei

      Des nächs­ten Ta­ges sass Za­ra­thustra wie­der auf sei­nem Stei­ne vor der Höh­le, wäh­rend die Thie­re draus­sen in der Welt her­um­schweif­ten, dass sie neue Nah­rung heim­bräch­ten, – auch neu­en Ho­nig: denn Za­ra­thustra hat­te den al­ten Ho­nig bis auf das letz­te Korn verthan und ver­schwen­det. Als er aber der­maas­sen da­sass, mit ei­nem Ste­cken in der Hand, und den Schat­ten sei­ner Ge­stalt auf der Erde ab­zeich­ne­te, nach­den­kend und, wahr­lich! nicht über sich und sei­nen Schat­ten – da er­schrak er mit Ei­nem Male und fuhr zu­sam­men: denn er sahe ne­ben sei­nem Schat­ten noch einen an­dern Schat­ten. Und wie er schnell um sich blick­te und auf­stand, sie­he, da stand der Wahr­sa­ger ne­ben ihm, der sel­be, den er einst­mals an sei­nem Ti­sche ge­speist und ge­tränkt hat­te, der Ver­kün­di­ger der gros­sen Mü­dig­keit, wel­cher lehr­te: »Al­les ist gleich, es lohnt sich Nichts, Welt ist ohne Sinn, Wis­sen würgt.« Aber sein Ant­litz hat­te sich in­zwi­schen ver­wan­delt; und als ihm Za­ra­thustra in die Au­gen blick­te, wur­de sein Herz aber­mals er­schreckt: so viel schlim­me Ver­kün­di­gun­gen und asch­graue Blit­ze lie­fen über diess Ge­sicht.

      Der Wahr­sa­ger, der es wahr­ge­nom­men, was sich in Za­ra­thustra’s See­le zu­trug, wisch­te mit der Hand über sein Ant­litz hin, wie als ob er das­sel­be weg­wi­schen woll­te; des­glei­chen that auch Za­ra­thustra. Und als Bei­de der­ge­stalt sich schwei­gend ge­fasst und ge­kräf­tigt hat­ten, ga­ben sie sich die Hän­de, zum Zei­chen, dass sie sich wie­der­er­ken­nen woll­ten.

      »Sei mir will­kom­men, sag­te Za­ra­thustra, du Wahr­sa­ger der gros­sen Mü­dig­keit, du sollst nicht um­sonst einst­mals mein Tisch- und Gast­freund ge­we­sen sein. Iss und trink auch heu­te bei mir und ver­gieb es, dass ein ver­gnüg­ter al­ter Mann mit dir zu Ti­sche sitzt!« – »Ein ver­gnüg­ter al­ter Mann? ant­wor­te­te der Wahr­sa­ger, den Kopf schüt­telnd: wer du aber auch bist oder sein willst, oh Za­ra­thustra, du bist es zum Längs­ten hier Oben ge­we­sen, – dein Na­chen soll über Kur­zem nicht mehr im Trock­nen sit­zen!« – »Sit­ze ich denn im Trock­nen?« frag­te Za­ra­thustra la­chend. – »Die Wel­len um dei­nen Berg, ant­wor­te­te der Wahr­sa­ger, stei­gen und stei­gen, die Wel­len gros­ser Noth und Trüb­sal: die wer­den bald auch dei­nen Na­chen he­ben und dich da­von­tra­gen.« – Za­ra­thustra schwieg hier­auf und wun­der­te sich. – »Hörst du noch Nichts? fuhr der Wahr­sa­ger fort: rauscht und braust es nicht her­auf aus der Tie­fe?« – Za­ra­thustra schwieg aber­mals und horch­te: da hör­te er einen lan­gen, lan­gen Schrei, wel­chen die Ab­grün­de sich zu­war­fen und wei­ter­ga­ben, denn kei­ner woll­te ihn be­hal­ten: so böse klang er.

      »Du schlim­mer Ver­kün­di­ger, sprach end­lich Za­ra­thustra, das ist ein Noth­schrei und der Schrei ei­nes Men­schen, der mag wohl aus ei­nem schwar­zen Mee­re kom­men. Aber was geht mich Men­schen-Noth an! Mei­ne letz­te Sün­de, die mir auf­ge­spart blieb, – weisst du wohl, wie sie heisst?«

      – »Mit­lei­den! ant­wor­te­te der Wahr­sa­ger aus ei­nem über­strö­men­den Her­zen und hob bei­de Hän­de em­por – oh Za­ra­thustra,