Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum: Jahrgang 1900
Wingenroth
ANDREAS HERNEISEN
VON HANS STEGMANN.
Als ich mit freud in uberflues
Den spruch, mein valete, peschlues,
Des tags kam eben zu mir gleich
Der weit perüembt und künstenreich
Maler, der in Nürnberg, der stat
Den rumb, wie Albrecht Dürer hat,
Der im vergleichet mit der hant,
Mit sinreichikeit und verstand[1].
Wer heute die obenstehenden auf Andreas Herneisen[2] sich beziehenden Verse des biederen Hans Sachs liest, wird sich, wenn er die Kunstverhältnisse Nürnbergs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sich vergegenwärtigt, kaum eines Lächelns erwehren können, auch wenn ihm der hier an Dürers Seite gestellte Andreas Herneisen zunächst noch gänzlich unbekannt sein sollte. Es gehört ein tiefes Eindringen in die Geschichte Nürnbergs in allen ihren Äußerungen politischer, wirtschaftlicher, geistiger und künstlerischer Natur dazu, um den Tiefstand begreifen zu können, den die Nürnberger Malerei noch nicht fünfzig Jahre nach dem Tode Albrecht Dürers, des Mannes, der ihr den ersten Platz in ganz Deutschland erworben, erreichte. Es können hier die Faktoren nicht aufgezählt werden, die den außergewöhnlich raschen, wenn auch nach außen noch verschleierten Verfall der in jeder Richtung so hoch bedeutenden Reichsstadt herbeiführten. Die bildenden Künste, vor allem die Malerei, zeigt denselben am augenscheinlichsten, nur das Kunsthandwerk blüht, weil eben allein das Bürgertum, d. i. in diesem Falle das Handwerk, sich ernste Tüchtigkeit bewahrt hatte, während die oberen Kreise, politisch, wirtschaftlich und geistig mit dem Vergessen und der Vernachlässigung der Momente, welche Nürnberg groß gemacht hatten, dem unausbleiblichen Bankerott langsam aber sicher zusteuerten.
Die Künstler, die in Nürnberg Dürers Erbe übernahmen, heißen, wenn auch zunächst wegen des kleinen Formats ihrer graphischen Werke die Kleinmeister, klein war aber auch der geistige Horizont und Inhalt ihrer Thätigkeit. Das war, wie bereits angedeutet, nicht allein ihre eigene Schuld, sondern mehr noch die ihrer Umgebung, die ja schon einem Dürer nur ein dürftiges Einkommen gewährt hatte. Die Kirche, die Jahrhunderte lang die nährende Mutter der Künste auch in Nürnberg gewesen, hörte auf, der Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens zu sein, die vornehmen Leute, das Patriziat, waren aus klugen, weitsichtigen, unternehmenden Bürgern äußerlich Edelleute geworden, innerlich aber Spießbürger geblieben, der dritte Stand war in seiner geistigen Entwicklung noch zu weit zurück, um in die Entwicklung der hohen Kunst fördernd einzugreifen. Doch aber war mit dem Anbruch der modernen Zeit die Freude an der Persönlichkeit so weit gestiegen, daß die Darstellung derselben, die Bildniskunst, reiche Nahrung, quantitativ wenigstens, fand. Denn die Zunahme der Porträts aus bürgerlichen Kreisen führte ihre Verbilligung und damit ihre Handwerksmäßigkeit herbei. Georg Pencz war der letzte Vertreter der eigentlichen Nürnberger Bildnismalerschule, und als einen, wenn auch vielleicht nur mittelbaren Nachfolger dürfen wir den bescheidenen Meister, dessen unbescheidenes Lob aus Hans Sachs Munde wir an die Spitze stellten, ansehen, Andreas Herneisen, über dessen Leben und Wirken die an sich vielleicht nicht übermäßig interessanten, aber doch manche kultur- und kunstgeschichtliche Aufschlüsse bietenden, bis jetzt auffindbaren Notizen im Folgenden zusammengestellt werden sollen.
In weiteren Kreisen war eigentlich von ihm nicht viel mehr bekannt, als daß Jost Amman nach einem Bild von ihm 1576 das Porträt des Hans Sachs radierte. Und doch werden wir sehen, daß die launische Klio über ihn mehr der Nachwelt erhalten hat, als über viel bedeutendere Kunstgenossen; dafür ist von dem wichtigsten Teile seiner Thätigkeit, seinen dekorativen Malereien, so gut wie nichts auf unsere Zeit überkommen.
Andreas Herneisen[3] ist am 28. Juli 1538 als der Sohn von Hans und Barbara Herneisen zu Nürnberg geboren. 1562 dürfte er das Meisterrecht errungen haben, da er in diesem Jahre heiratet und ebenso zuerst als Meister erwähnt wird. Über seine Lehr- und Wanderjahre, sowie seine Lehrmeister sind wir nicht im mindesten unterrichtet[4]. Sein erstes Vorkommen ist indes kein rühmliches. Am 27. Juni heißt es »Enndresen Herneysen im loch auff das schmehelich gemeldt vnd wers Im also angeben guetlich zured halten sein sag wiederpringen[5].« Der Maler war also wegen eines dem Rat anstößig erschienenen Gemäldes gefänglich eingezogen worden. Auf die Dauer scheint ihm dies aber die Gunst des Rates nicht entzogen zu haben; in demselben Jahre wird er vom Rat für die Triumphpforte für Maximilian II. im August und September in Gemeinschaft mit den übrigen Nürnberger Meistern dreiundeinhalb Wochen beschäftigt und erhält 7 fl. Lohn[6].
Bald muß er sich auf dem Gebiet großer dekorativer Malereien einen guten Namen gemacht haben, denn das in seinem Anfang oben zitierte Gedicht des Hans Sachs spricht in ausführlichster Weise von seinen Arbeiten in Aldersbach[7] wie folgt:
Saget mir, wie er kumen wer
Von Allerspach dem gefuersten abt;
Pey dem het er ein pstallung ghabt,
Am cor zu malen künstlich fleißig
Umb hundert guelden, darzu dreyssig,
Sambt als unkost und zerung frey,
Farb und was man sunst dorft darpey,
Sambt einen leitkauf seiner frawen.