Rudolf Virchow

Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre


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etwas genauer, nämlich die einfachen Zellengewebe, so ist unzweifelhaft am leichtesten übersichtlich die Horn- oder Epithelialformation, wie wir sie in der Epidermis und dem Rete Malpighii an der äussern Oberfläche, im Cylinder- und Plattenepithelium auf den Schleim- und serösen Häuten antreffen. Der Name Epithelium stammt von Ruysch, der zuerst an der Brustwarze ϑηλή ein ablösbares Häutchen auffand, welches er weiterhin in ähnlicher Weise auch an Schleimhäuten nachwies. Heusinger hat das Verdienst, den Zusammenhang aller Horngebilde dargelegt zu haben, indem er die chemische und physikalische Uebereinstimmung derselben lehrte. Das allgemeine Schema ist hier, dass Zelle an Zelle stösst, so dass in dem günstigsten Falle, wie bei der Pflanze, vier- oder sechseckige Zellen unmittelbar sich an einander schliessen und zwischen ihnen nichts Anderes weiter, als höchstens eine geringe Kittsubstanz, gefunden wird. So ist es an manchen Orten mit dem Platten- oder Pflasterepithel (Fig. 17). Die besonderen Formen der Epithelialzellen sind offenbar grossentheils Druckwirkungen. Wenn alle Elemente eines Zellengewebes eine vollkommene Regelmässigkeit haben sollen, so setzt dies voraus, dass sich alle Elemente völlig gleichmässig entwickeln und gleichzeitig vergrössern. Geschieht ihre Entwickelung dagegen unter Verhältnissen, wo nach einer Seite hin ein geringerer Widerstand besteht, so kann es sein, dass die Elemente, wie bei den Säulen- oder Cylinderepithelien, nur in einer Richtung auswachsen und sehr lang werden, während sie in den andern Richtungen sehr dünn bleiben. Aber auch ein solches Element wird, auf einem Querschnitt angesehen, sich als ein sechseckiges darstellen: wenn wir Cylinder-Epithel von der freien Fläche her betrachten, so sehen wir auch bei ihm ganz regelmässig polygonale Formen (Fig. 15, b).

      Fig. 15. Säulen- oder Cylinderepithel der Gallenblase. a. Vier zusammenhängende Zellen, von der Seite gesehen, mit Kern und Kernkörperchen, der Inhalt leicht längs gestreift, am freien Rande (oben) ein dickerer, fein radiär gestreifter Saum. b. Aehnliche Zellen, halb von der freien Fläche (oben, aussen) gesehen, um die sechseckige Gestalt des Querschnittes und den dicken Randsaum zu zeigen. c. Durch Imbibition veränderte, etwas aufgequollene und am oberen Saum aufgefaserte Zellen.

      Im Gegensatze dazu finden sich ausserordentlich unregelmässige Formen an solchen Orten, wo die Zellen in unregelmässiger Weise hervorwachsen, so besonders constant an der Oberfläche der Harnwege (Fig. 16), in der ganzen Ausdehnung der Schleimhaut von den Nierenkelchen bis zur Urethra. An allen diesen Stellen trifft man sehr gewöhnlich Anordnungen, wo einzelne Zellen an dem einen Ende rund sind, während sie an dem anderen in eine Spitze auslaufen, andere Zellen ziemlich grobe Spindeln darstellen, andere wieder an einer Seite platt abgerundet, an der anderen ausgebuchtet sind, oder wo eine Zelle sich so zwischen andere einschiebt, dass sie eine kolbige oder zackige Form annimmt. Immer entspricht hier die eine Zelle der Form der Lücke zwischen den anderen, und es ist nicht die Eigenthümlichkeit der Zelle, welche die Form bedingt, sondern die Art ihrer Lagerung, das Nachbarverhältniss, die Abhängigkeit von der Anordnung der nächsten Theile. In der Richtung des geringeren Widerstandes bekommen die Zellen Spitzen, Zacken und Fortsätze der mannichfaltigsten Art. Diese Art von Epithel nannte man, da sie sich nicht recht unterbringen liess, mit Henle Uebergangs-Epithel, weil sie schliesslich gewöhnlich in deutliches Platten- oder Cylinderepithel übergeht. Zuweilen ist dies aber nicht der Fall und man könnte ebenso gut einen anderen Namen dafür einführen. Sie stellt das Vorbild zu der vielbesprochenen Polymorphie gewisser pathologischer Epithelialzellen, z. B. der Krebszellen dar.

      An der Oberhaut (Epidermis) haben wir den günstigen Fall, dass eine Reihe von Zellenlagen über einander liegt, was an vielen Schleimhäuten nicht der Fall ist. Es lassen sich daher die jungen Lagen (das Rete Malpighii oder die Schleimschicht der früheren Autoren) von den älteren (der eigentlichen Epidermis) bequem trennen.

      Fig. 16. Uebergangsepithel der Harnblase. a. Eine grössere, am Rande ausgebuchtete Zelle mit keulen- und spindelförmigen, feineren Zellen besetzt, b. dasselbe: die grössere Zelle mit zwei Kernen. c. Eine grössere, unregelmässig eckige Zelle mit vier Kernen. d. Eine ähnliche mit zwei Kernen und 9 von der Fläche aus gesehenen Gruben, den Randausbuchtungen entsprechend (vgl. Archiv f. path. Anat. u. Phys. Bd. III. Taf. I. Fig 8.)

      Wenn man einen senkrechten Durchschnitt der Hautoberfläche betrachtet, so erblickt man zumeist nach aussen ein sehr dichtes, verschieden dickes Stratum, welches aus lauter platten Elementen besteht, die von der Seite her wie einfache Linien aussehen. Man könnte sie bei dieser Betrachtung für Fasern halten, welche übereinander geschichtet mit leichten Niveau-Verschiedenheiten die ganze Oberhaut zusammensetzen. Von der Fläche aus gesehen, erweisen sie sich jedoch als rundlich-ovale Plättchen, die bei Einwirkung von Alkalien sich zu dickeren, linsenförmigen Körpern aufblähen. Unterhalb dieser Lagen folgt in verschiedener Mächtigkeit das sogenannte Rete Malpighii, welches unmittelbar bis an die Papillen der Haut (Lederhaut, Cutis, Corium) reicht. Untersuchen wir nun die Grenze zwischen Epidermis und Rete, so ergibt sich fast bei allen Arten der Betrachtung, dass fast plötzlich an die innerste Lage der Epidermis sich Elemente anschliessen, die zunächst noch immer platt sind, aber doch schon einen grösseren Dickendurchmesser haben, innerhalb deren man sehr deutlich Kerne erkennt, welche in den Plättchen der Epidermis fehlen. Diese ziemlich grossen Elemente stellen den Uebergang dar von den ältesten Schichten des Rete Malpighii zu den jüngsten der Epidermis. Hier ist der Punkt, von wo aus sich die Epidermis regenerirt, welche ihrerseits eine träge Masse darstellt die an der Oberfläche durch Reibung und Abblätterung allmählich entfernt wird. Und hier ist im Allgemeinen auch die Grenze, wo die pathologischen Processe einsetzen. Je weiter wir gegen die Tiefe hin untersuchen, um so kleiner werden die Elemente; die letzten stehen als kleine Cylinder auf der Oberfläche der Hautpapillen (Fig. 17, r, r).

      Fig. 17. Senkrechter Schnitt durch die Oberfläche der Haut von der Zehe, mit Essigsäure behandelt. P. P. Spitzen durchschnittener Papillen, in denen man je eine Gefässschlinge und daneben kleine spindelförmige und an der Basis netzförmige Bindegewebselemente bemerkt: links eine Ausbiegung der Papille, entsprechend einem nicht mehr dargestellten, tiefer gelegenen Tastkörperchen. R. R. Das Rete Malpighii, zunächst an der Papille eine sehr dichte Lage kleiner cylinderförmiger Zellen (r, r), nach aussen immer grösser werdende polygonale Zellen. E. Epidermis, aus platten, dichteren Zellenlagen bestehend. S. S. Ein durchtretender Schweisskanal. — Vergröss. 300.

      Im Grossen ist das Verhältniss der verschiedenen Schichten an der ganzen Hautoberfläche überall dasselbe, so mannichfaltig auch im Einzelnen die Besonderheiten sein mögen, welche sie in Beziehung auf Dicke, Lagerung, Festigkeit und Zusammenfügung darbieten. Ein Durchschnitt z. B. des Nagels, der seiner äusseren Erscheinung nach gewiss weit von der gewöhnlichen Oberhaut abweicht, zeigt doch im Allgemeinen dasselbe Bild, wie diese; er unterscheidet sich nur in einem Punkte wesentlich, nehmlich dadurch, dass sich an ihm zwei verschiedene epidermoidale Gebilde übereinanderschieben. Dadurch entsteht eine Complication, die, wenn man sie nicht erkennt, zu der Annahme gewisser specifischer Verschiedenheiten des Nagels von anderen Theilen der Epidermis führen kann, während sie doch nur durch eine eigenthümliche Verschiebung gewisser Epidermislagen gegen andere bedingt ist. Die äusserst dichten und festen Plättchen, welche den frei zu Tage liegenden Theil, das sogenannte Nagelblatt, zusammensetzen, lassen sich auf verschiedene Weise wieder in Formen zurückführen, in denen sie das gewöhnliche Bild von Zellen darbieten; am deutlichsten durch Behandlung mit einem Alkali, wo ein jedes Plättchen zu einer grossen, rundlich-ovalen Blase anschwillt.

      In den oberen Schichten der Oberhaut werden die Zellen