Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre
der Zellen entweder durch Imbibition färbt oder in sich durch (metabolische) Umsetzung des Inhalts Pigment erzeugt. So entstehen Pigmentzellen in dem Rete gefärbter Hautstellen oder gefärbter Racen, bei Naevi und Bronzekrankheit; so bilden sich die dunkle Zellenschicht der Chorioides oculi (Fig. 6), gewisse pigmentirte Zellen in den Alveolen der Lunge (Fig. 8). —
Fig. 19. A. Entwickelung der Schweissdrüsen durch Wucherung der Zellen des Rete Malpighii nach innen. e. Epidermis, r. Rete Malpighii, g g solider Zapfen, der ersten Drüsenanlage entsprechend. Nach Kölliker.
B. Stück eines Schweissdrüsenkanals im entwickelten Zustande, t t Tunica propria. e e Epithellagen.
Zu den Epithelien gehört noch eine andere, ganz besondere Art von Elementen, die bei dem Zustandekommen gewisser höherer Functionen des Thiers eine sehr bedeutende Rolle spielen, nehmlich die Drüsenzellen. Die eigentlich activen Elemente der gewöhnlichen, mit Ausführungsgängen versehenen Drüsen sind wesentlich epitheliale. Es ist eines der grössten Verdienste von Remak, gezeigt zu haben, dass in der normalen Entwickelung des Embryo von den bekannten drei Keimblättern das äussere und innere hauptsächlich epitheliale Gebilde hervorbringen, von denen unter Anderem durch allmähliche Wucherung die Drüsengestaltung ausgeht. Schon andere Forscher hatten ähnliche Beobachtungen gemacht, insbesondere Kölliker. Gegenwärtig kann man es als allgemeine Doctrin hinstellen, dass die Drüsenbildung überhaupt als ein directer Wucherungsprocess von Epithelial-Gebilden zu betrachten ist. Früher dachte man sich Cytoblastem-Haufen, in denen unabhängig Drüsenmasse entstände; allein mit Ausnahme der Lymphdrüsen, welche in ein ganz anderes Gebiet gehören, entstehen sämmtliche Drüsen in der Weise, dass an einem gewissen Punkte in ähnlicher Art, wie ich von den Auswüchsen der Pflanzen angegeben habe (S. 25), epitheliale Zellen anfangen sich zu theilen, sich wieder und wieder theilen, bis allmählich ein kleiner Zapfen von zelligen Elementen entstanden ist (Fig. 19, A). Dieser wächst nach innen und bildet, indem er sich seitlich ausbreitet und im Innern aushöhlt, einen Drüsengang (Fig. 19, B), welcher demnach sofort ein Continuum mit äusseren Zellenlagen darstellt. So entstehen die Drüsen der Oberfläche (die Schweiss- und Talgdrüsen der Haut, die Milchdrüse), so entstehen aber auch die inneren Drüsen des Digestionstractus (Magendrüsen, Lieberkühnsche Darmdrüsen, Leber), der Eierstock u. s. w. Die einfachsten Formen, welche eine Drüse darbieten kann, kommen beim Menschen nicht vor. Es sind dies einzellige Drüsen, wie sie in neuerer Zeit bei niederen Thieren vielfach gefunden sind. Die menschlichen Drüsen sind stets Anhäufungen von vielen Elementen, die jedoch genetisch auf ziemlich einfache Anlagen zurückführen. Freilich gehen ausser den epithelialen Elementen in unsern zusammengesetzten Drüsen noch andere nothwendige Bestandtheile (Bindegewebe, Gefässe, Nerven) in die Zusammensetzung ein, und man kann nicht sagen, dass die Drüse, als Organ betrachtet, bloss aus Drüsenzellen bestehe. Jedoch ist man darüber gegenwärtig ziemlich einig, dass das bestimmende Element in der Zusammensetzung die Drüsenzelle ist, ebenso wie bei den Muskeln das Muskelprimitivbündel, und dass die specifische Thätigkeit der Drüse hauptsächlich in der Natur und eigenthümlichen Einrichtung dieser Elemente begründet ist.
Im Allgemeinen bestehen also die Drüsen aus Anhäufungen von Zellen, welche in der Regel offene Kanäle bilden. Wenn man von den Drüsen mit zweifelhafter Function (Schilddrüse, Nebennieren) absieht, so gibt es beim Menschen nur die Eierstöcke, welche eine Ausnahme machen, indem ihre Follikel nur zu Zeiten offen sind; aber auch sie müssen offen sein, wenn die specifische Secretion der Eier stattfinden soll. Bei den meisten Drüsen kommt freilich bei der Secretion noch eine gewisse Menge transsudirter Flüssigkeit hinzu, allein diese Flüssigkeit stellt nur das Vehikel dar, welches die Elemente selbst oder ihre specifischen Produkte wegschwemmt. Wenn sich in den Hodenkanälen eine Zelle ablöst, in welcher Samenfäden entstehen, so transsudirt zugleich eine gewisse Menge von Flüssigkeit, welche dieselben fortträgt, aber das, was den Samen zum Samen macht, was das Specifische der Thätigkeit gibt, ist die Zellenfunction. Die blosse Transsudation von den Gefässen aus ist wohl ein Mittel zur Fortbewegung, gibt aber nicht das specifische Produkt der Drüse, das Secret im engeren Sinne des Worts. Wie am Hoden, so geht im Wesentlichen an allen Drüsen, an denen wir mit Bestimmtheit das Einzelne ihrer Thätigkeit übersehen können, die wesentliche Eigenthümlichkeit ihrer Energie von der Entwickelung, Umgestaltung und Thätigkeit epithelialer Elemente aus. —
Die zweite histologische Gruppe bilden die Gewebe der Bindesubstanz. Es ist dies diejenige Gruppe, welche gerade für mich das meiste Interesse hat, weil von hier aus meine allgemein-physiologischen Anschauungen zu dem Abschlusse gekommen sind, den ich im Eingange kurz darstellte. Die Aenderungen, welche es mir gelungen ist, in der histologischen Auffassung der ganzen Gruppe herbeizuführen, haben mir zugleich die Möglichkeit gegeben, die Cellulardoctrin zu einer gewissen Abrundung zu bringen.
Die Hauptglieder dieser Gruppe sind das Bindegewebe, das Schleimgewebe, der Knorpel, das Knochengewebe, das Zahnbein, die Neuroglia und das Fettgewebe. Betrachten wir zuerst das Bindegewebe als das für die Auffassung der übrigen mehr oder weniger bestimmende. Bis in die neueste Zeit hiess es fast allgemein Zellgewebe (tela cellulosa), weil man annahm, dass es regelmässig kleinere Räume (cellulae, areolae) enthalte. Erst Johannes Müller führte den Ausdruck Bindegewebe (tela conjunctoria s. connectiva), freilich nur für eine gewisse Art, ein; er meinte damit, was wir gegenwärtig interstitielles Gewebe zu nennen pflegen, nehmlich dasjenige „Zellgewebe“, welches Organe oder Organtheile mit einander verbindet. Sehr langsam, zum Theil aus blossem Widerwillen gegen den schlechten Namen Zellgewebe, ist die Bezeichnung Bindegewebe auf alles Zellgewebe und auf alle daraus zusammengesetzten Theile (Lederhaut, Sehnen, Fascien) ausgedehnt worden. Gegenwärtig muss man sich fast in Acht nehmen, nicht noch weiterzugehen und auch die übrigen Glieder dieser Gruppe dem Bindegewebe zuzurechnen. „Bindesubstanz“ soll diesem weiteren Klassenbegriff entsprechen.
Fig. 20. A. Bündel von gewöhnlichem lockigem Bindegewebe (Intercellularsubstanz), am Ende in feine Fibrillen zersplitternd.
B. Schema der Bindegewebs-Entwickelung nach Schwann. a. Spindelzelle (geschwänztes Körperchen, fibroplastisches Körperchen Lebert) mit Kern und Kernkörperchen. b. Zerklüftung des Zellkörpers in Fibrillen.
C. Schema der Bindegewebs-Entwickelung nach Henle. a. Hyaline Grundsubstanz (Blastem) mit regelmässig eingestreuten, nucleolirten Kernen. b. Zerfaserung des Blastems (directe Fibrillenbildung) und Umwandlung der Kerne in Kernfasern.
Seit Haller betrachtete man das Zellgewebe oder, wie man auch wohl sagte, das Fasergewebe (tela fibrosa) als wesentlich aus Fasern (fibrae, fibrillae) zusammengesetzt und sah in diesen Fasern, wie im ersten Capitel (S. 22) hervorgehoben ist, die eigentlich elementare Form des Organischen. In der That, wenn man Bindegewebe an verschiedenen Regionen, z. B. an den Sehnen und Bändern, der Pia mater, dem subserösen und submucösen Zellgewebe untersucht, so findet man überall wellige Faserbündel (Fascikel), sogenanntes lockiges Bindegewebe (Fig. 20, A). Die Zusammensetzung dieser Bündel glaubte man um so bestimmter auf einzelne Fasern zurückführen zu können, als wirklich nicht selten an dem Ende der Bündel isolirte Fädchen herausstehen. Trotzdem ist gerade auf diesen Punkt vor etwa 25 Jahren ein ernsthafter Angriff gemacht worden, der, wenngleich in einer anderen, als der beabsichtigten Richtung, eine sehr grosse Bedeutung gewonnen hat. Reichert