August Schrader

Thekla, oder die Flucht nach der Türkei


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Kenntnisse und Kraft besitze, eine gute Carriere zu machen, und wem steht ein glänzenderer Weg offen, als einem Rechtsgelehrten?

      Der Apotheker blieb stehen und sah seinen künftigen Schwiegersohn mit großen Augen an.

      – Wie, rief er erstaunt aus, willst Du vielleicht einen ähnlichen Weg einschlagen, wie jener Kossuth, der nichts Geringeres beabsichtigte, als durch eine Revolution gegen das angestammte Kaiserhaus sich zum Könige von Ungarn zu machen? Mensch, nimm Dir sein Schicksal zur Warnung, jetzt irrt er als Vagabond durch die Länder – das wäre mein König!

      – Bester Vater, er war doch ein muthiger Mann, wandte der Advokat ein.

      – Ein Schreihals, ein verdrehter Kopf war er, den man glücklicherweise beseitigt hat. O mein Gott, was hat dieser Mensch für Unglück angerichtet! Und wer schloß sich ihm an? Nur Leute, die nicht wußten, was sie wollten – lüderliche Menschen, die keine Lust zur Arbeit hatten und keine Steuern bezahlen wollten. Der gute Bürger, mein Freund, muß immer zahlen, ohne widerspenstig zu sein, vorzüglich, was er dem Staate schuldet, dann leben wir in Ruhe und Frieden und die Geschäfte gedeihen. Gott sei Dank, rief er aus und hob sein schwarzes Käppchen empor – Gott sei Dank, daß der Herr Generalfeldzeugmeister Herr im Lande geblieben ist und die verwünschten Rebellen verjagt hat! Ich hoffe, er wird sie noch alle erwischen, damit jeder Keim zur Empörung ausgerottet wird. Wenn er nur so glücklich wäre, die Gräfin Andrasy dahin zu bringen, wohin sie gehört.

      – In diesem Falle müßte er doch ihrer erst habhaft werden, sagte lächelnd der Advokat.

      – Allerdings! Das weiß ich auch! Sie entschlüpft ihm aus der Hand wie ein Aal – doch nur Geduld, wenn sie es jemals wagen sollte, nach Semlin zu kommen, sollen ihre Abenteuer bald zu Ende sein, denn wir sind alle dem rechtmäßigen Kaiser mit Leib und Seele ergeben. Selbst Niklas ist schwarz-gelb gesinnt, er ist in politischer Beziehung stets meiner Meinung und um dem Kaiser zu dienen, sind wir zu allem fähig. Und vorzüglich jetzt muß ich doppelten Eifer beweisen – –

      – Jetzt – warum jetzt? fragte der Advokat.

      – Weil ich heute bei der neu errichteten Schutzwache unserer Stadt zum Kommandanten gewählt worden bin!

      – Ah, ich gratulire, mein bester Czabo!

      – Danke! antwortete stolz der Apotheker, indem er würdevoll sein schwarzes Käppchen mit zwei Fingern emporhob. Morgen ist die erste Parade, bei der ich in vollem Glanze erscheinen werde – ich habe heute noch soviel zu besorgen, daß ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht.

      – Ihre Bücher werde ich nach Tische berichtigen, machen Sie sich deshalb keine Sorgen – und was das Hauswesen anbetrifft, so wird Netti – –

      – Ach ja, die hilft soviel sie kann, sie ist meine kleine Haushälterin – wird aber nun bald die Deinige werden. Ach, wenn ich doch meine alte Meta noch hätte! Kathi, die seit zwei Tagen in meinen Diensten steht, ist ein Landmädchen, ein sehr hübsch gewachsenes Landmädchen – ich habe auch sonst nichts auf sie zu sagen; aber sie kann und weiß nichts. Ihr Vetter Lajos, der Fischer, auf dessen Empfehlung ich sie genommen habe, hat mir es vorhergesagt – da fällt mir etwas ein!

      – Nun? fragte der Advokat, der eine wichtige Neuigkeit erwartete.

      – Dieser Lajos ist so schwarz-gelb, daß ich mich recht innig über den alten Mann gefreut habe.

      – Wie, ein Fischer kaiserlich gesinnt?

      – Kaiserlich durch und durch! Deshalb habe ich ihm auch erlaubt, daß er in dem Arme der Save, der meinen Garten hinter dem Hause begrenzt, nach Gefallen fischen kann, denn die Strecke des Flusses an meinem Grundstücke ist mein Eigenthum. Wenn er nun einen Hecht oder einen schlanken Aal erwischt, so bringt er sie mir – doch nun komm, mein Freund, es wird Zeit zum Mittagessen sein – vorher will ich noch einmal in der Küche nachsehen, ob Kathi keine Dummheiten begangen hat.

      Die beiden Männer stiegen die Treppe hinab und traten in das freundliche Wohnzimmer, wo Netti beschäftigt war, den Tisch zu decken.

      Die Tochter des Apothekers war ein schönes, blühendes Mädchen von ein und zwanzig Jahren. Ihre Gestalt war schlank, nicht üppig, aber wohlgeformt. Ihr dunkelbraunes Haar hing in zwei langen Flechten über den Rücken herab, während es auf der weißen Stirn sich in einem einfachen Scheitel theilte. Das große blaue Auge, von dunkeln Augenbrauen bedeckt, strahlte freundliche, milde Blicke und verrieth einen nicht gewöhnlichen Grad weiblicher Bildung. Ihre Wangen, die bei jeder Bewegung der frischen Lippen niedliche Grübchen zeigten, waren von einer leichten Röthe gefärbt, die zu dem weißen Teint des zarten ovalen Gesichts einen lieblichen Kontrast bildeten. Ein einfaches dunkelblaues Kleid umschloß die schlanke Taille der Braut des jungen Advokaten.

      – Netti, sagte Ferenz zärtlich, indem er ihre Hand ergriff und sie an seine Lippen zog – es kostet Mühe, Sie heute zu sehen!

      – Sie haben Recht, antwortete das junge Mädchen mit einer weichen, wohlklingenden Stimme – mein guter Vater hat heute soviel Geschäfte, daß ich ihm ein wenig helfen muß.

      – Netti, rief Herr Czabo im Tone des Vorwurfs – Du läßt Kathi allein in der Küche, die von der edeln Kochkunst so wenig versteht – Du hast ihr doch gesagt, daß der Braten – –

      Das junge Mädchen trat zu dem Vater und ergriff seine Hand, als ob sie seinen aufkeimenden Unwillen rasch besänftigen wollte.

      – Gewiß, lieber Vater! sagte sie bittend – Kathi ist noch unerfahren und an unsere Hausarbeit nicht gewöhnt – haben Sie ein wenig Nachsicht mit ihr – bitte, mein guter Vater! Es ist nicht ihre Schuld – sie ist nicht einen Augenblick aus der Küche gekommen.

      – Wie, rief aufbrausend der Apotheker, ist etwas mit dem Braten vorgefallen?

      – Wenn ich nicht darauf geachtet hätte – er wollte anbrennen!

      – Ach, mein Gott, wie ist doch ein armer Wittwer zu beklagen! Ein so herrlicher Braten, bei dem ich heute Mittag mein Avancement zum Kommandanten der Schutzmannschaft feiern wollte! Warum mußte auch meine alte Meta blind werden, die hätte es gewiß nicht geschehen lassen! Nein, das ist unverzeihlich, ich werde auf der Stelle – –

      – Vater, sagte Netti schmeichelnd, indem sie ihn sanft bei der Hand zurückhielt, wollen Sie mir etwas versprechen?

      – Was?

      – Zürnen Sie der armen Kathi nicht, sie ist so ängstlich, daß sie kaum noch weiß, was sie thut.

      – Sie ist ängstlich?

      – Ja, vor Ihrem Unwillen!

      Der Apotheker sah seine Tochter einen Augenblick an.

      – Gut, antwortete er plötzlich beruhigt, ich will diesmal noch schweigen, wenn es aber wieder geschieht –

      – Es wird nicht wieder geschehen!

      – Kathi ist noch jung – glaubst Du, daß wir sie für unsern Haushalt werden bilden können?

      – Gewiß, mein Vater, versicherte Netti.

      – Gut, Netti, besorge Du den Tisch, ich werde in die Küche gehen, um das arme Mädchen zu beruhigen.

      Herr Czabo schob seine goldene Brille von der Stirn auf die Nase herab und verließ still lächelnd das Zimmer.

      Er schlug den Weg nach seiner Küche ein.

      Als Netti sich nach ihrem Bräutigam umsah, saß er in einer Ecke des Sopha's, hielt sein Taschenbuch in der Hand und war in tiefes Nachsinnen versunken. Der junge Mann schien von der ganzen Unterhaltung zwischen Vater und Tochter nicht ein Wort gehört zu haben.

      – Nun, fragte Netti lächelnd, woran denken Sie, lieber Ferenz?

      Der Angeredete fuhr empor und verbarg sein Taschenbuch.

      – Verzeihung, Netti, ich dachte an Sie, an unser Glück!

      – Oder vielmehr an das, was Sie so oft beschäftigt – fügte