August Schrader

Thekla, oder die Flucht nach der Türkei


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Mein Gott, was ist Ihnen denn? fragte Netti theilnehmend. Sind Sie krank?

      – O nein, ich stampfte vorhin Senf in dem Laboratorium und dieses beißende Gewürz ist mir in die Nase gefahren – das ist alles, nun ist es schon vorbei.

      – Das freut mich, lieber Herr Niklas.

      – Darf ich fortfahren, Mamsell Netti?

      – Ich bitte darum!

      – Vor einer Stunde sprach ich einen Korporal von den kaiserlichen Soldaten, welche diesen Vormittag hier eingerückt sind.

      – Nun? fragte Netti, die ihre Arbeit wieder ergriffen hatte.

      – Der Korporal suchte Rekruten!

      – In unserer Stadt?

      – Ja! Korporal, sagte ich zu ihm, ich muß Ihnen gestehen, daß ich mich nicht mehr kenne – Korporal, wollen Sie mich?

      Netti blickte von ihrem Stickrahmen auf und sah den Apothekergehülfen verwundert an. Dieser schien mit großer Spannung eine Antwort zu erwarten.

      Eine Pause von einigen Secunden trat ein. Netti antwortete nicht.

      – Herr Korporal, rief Niklas verzweiflungsvoll, ich will Soldat werden!

      Netti schwieg immer noch.

      – Herr Korporal, fuhr Niklas fort, ich will mich morden, das heißt, mit in die Schlacht ziehen, denn das ist eben so gut wie ein Selbstmord!

      – Herr Niklas, rief Netti ängstlich, Sie wollen Soldat werden – was fällt Ihnen ein?

      – Netti, rief der lange Mann, indem er seine Arme ausstreckte, Sie wollen mich zurückhalten?

      – Das nun eben nicht, indeß – –

      – Sie hält mich nicht zurück, flüsterte Niklas vor sich hin – das hätte ich nicht erwartet! Leben Sie wohl, Mamsell Netti, der Korporal hat mir sein Wort gegeben, ich bin angeworben!

      Mit Thränen in den Augen verließ der verliebte und verzweifelnde Niklas das Zimmer. Noch hatte sich Netti von dem Schrecken über diese Scene nicht erholt, als sich plötzlich die Thür wieder öffnete und der Apothekergehülfe mit einem Korporal in weißer Uniform eintrat.

      – Kommen Sie, Herr Korporal, rief er mit glühenden Augen, hier ist die Tochter des Hauses, wenden Sie sich an diese!

      Ein junger, schön gewachsener Soldat mit einem vollen braunen Barte und feurigen schwarzen Augen stand vor der erstaunten Netti und hielt ein Quartierbillet in seiner Hand.

      – Heil und Ehre den Schönen! sagte er mit einer wohlklingenden Stimme, indem er militairisch grüßte. Ein allerliebstes Kind! flüsterte er dem langen Niklas zu.

      – Eine gefährliche Einquartierung, dachte Niklas, indem er den schönen Soldaten vom Kopfe bis zu den Füßen betrachtete.

      Netti hatte ihren Platz verlassen.

      – Verzeihung, mein Herr, – darf ich wissen wen ich die Ehre habe – –?

      – Janos Esthi, mein schönes Kind, kaiserlicher Korporal im zwanzigsten Infanterie-Regimente. Es lebe der Kaiser! Es leben die Schönen! Es lebe der Krieg!

      Mit einem Anstande, der den österreichischen Korporalen in der Regel nicht eigen zu sein pflegt, ergriff Janos Esthi Netti's weiche Hand und drückte ehrfurchtsvoll einen Kuß darauf, ohne daß es das junge Mädchen zu verhindern vermochte. Nicht ein Korporal, ein Officier höhern Ranges schien sich in dem Zimmer zu befinden.

      – Herr Korporal! rief Niklas, der sich ärgerte, ihn bei Netti eingeführt zu haben.

      – Ah, mein Rekrut! Ich sehe, mein junger Freund, Sie haben einen unbedingten Beruf für das Heldenhandwerk. Liebesgram – es ist klar! fügte er mit einem Seitenblicke auf Netti hinzu. O der kleine Gott mit der Binde vor den Augen ist der glücklichste Werber in allen Armeen der Welt!

      – Herr Korporal, was sagen Sie da?

      – Ich sage, daß Sie eine edle, kriegerische Physiognomie besitzen, daß Sie für den Ruhm geschaffen sind. Wahrhaftig, ich glaube in Ihnen den Kriegsgott zu erblicken, wie er für das Regiment angeworben wird. Nur eins ist mir unerklärlich, fügte der Korporal lächelnd hinzu.

      – Und was? fragte Niklas.

      – Daß ein so liebenswürdiger junger Mann Unglück in der Liebe haben kann. Bei Gott, man ist hier sehr difficil!

      In Niklas Augen glänzte ein Hoffnungsstrahl, er hielt die Ironie des fröhlichen Korporals für Wahrheit.

      – Wahrhaftig, sagte er vorwurfsvoll, ich begreife es auch nicht!

      – Um den Schönen zu gefallen, fuhr Janos Esthi mit Galanterie fort, bedarf es nur einer Uniform und vorzüglich der meines Regimentes. Wenn man einmal darin steckt, hat man ununterbrochen Glück bei dem schönen Geschlecht.

      – Ach, Herr Korporal, so haben Sie doch die Güte und stecken Sie mich hinein! rief eifrig der lange Mann.

      – In die Uniform? Gut, verabredet und beschlossen. Ich habe Ihr Wort, alles Uebrige ist unnütz. Freuen Sie sich, junger Held, in dem Regimente der Ehemänner wären Sie vielleicht ein schlechter Soldat geworden, aber in dem meinigen werden Sie ein verführerischer Grenadier werden.

      – Ich wäre doch lieber in das andere Regiment eingetreten, flüsterte Niklas vor sich hin und stieß einen tiefen Seufzer aus.

      – Herr Niklas, sagte Netti, die ruhig in einer Fenstervertiefung gestanden und dem Gespräche der beiden Männer zugehört hatte – gehen Sie in die Apotheke und bitten Sie meinen Vater, daß er komme.

      Niklas entfernte sich. Nach einigen Minuten trat Herr Czabo ein.

      – Was wünschen Sie? fragte er grüßend den Korporal.

      – Mein Herr, war die artige Antwort, hier ist mein Einquartierungsbillet. Es lebe der Kaiser!

      Der Apotheker hob sein schwarzes Käppchen mit der linken Hand empor und reichte die rechte dem Soldaten.

      – Bei diesem erhabenen Namen seien Sie mir willkommen! Ja, es lebe der Kaiser! Sie sind hier bei einem seiner wärmsten Anhänger und einem Soldaten, wie Sie – ich habe die Ehre, Kommandant der hiesigen Schutzwehr zu sein.

      – Doppelter Grund, uns näher kennen zu lernen. Ihr Name, mein Herr?

      – Istvan Czabo, Apotheker.

      – Ein herrliches Geschäft! rief der Korporal. Nun, Herr Istvan Czabo, ist mein Quartier in Ordnung?

      – Versteht sich. Sie sollen bei mir vollkommen zufrieden sein.

      – Ich zweifle nicht einen Augenblick daran, sagte der Soldat mit einer nachlässigen Verbeugung. Gleich bei dem Eintritte wird das Riechorgan durch einen angenehmen Geruch gekitzelt, ohne die angenehmen Gegenstände zu berücksichtigen, die das Auge erfreuen.

      – Ein galanter Soldat! dachte Herr Czabo.

      – Fräulein Tochter? fragte der Sohn des Mars mit einer Protectormiene, die zugleich auch den Kenner verrieth.

      – Ja, mein Herr!

      Der Korporal wandte sich mit großer Unbefangenheit zu Netti.

      – Fräulein Czabo ist der Inbegriff aller Vorzüge des schönen Geschlechts. Ich mache Ihnen mein Compliment!

      Die Ungezwungenheit des Gastes schien dem Apotheker nicht zu behagen, er trat rasch zu seiner Tochter und sagte in einem unwilligen Tone:

      – Herr Korporal, meine einzige Tochter Netti!

      – Bei Gott, ein schöner Name! Aber noch schöner ist das Gesicht – –!

      – Bitte, mein Herr, fuhr Czabo rasch fort – ich muß Ihnen bemerken, daß meine Tochter Braut ist und vielleicht in einigen Tagen schon