Unser junger Kaiser!
– Mädchen, rief erstaunt der Apotheker, bist Du toll? Doch es freut mich, daß Du nicht zu den sinnverwirrten Frauenzimmern gehörst, die sich an Rebellen und schlechte Mannsbilder hangen. Du bist ein loyales Mädchen und sollst so lange in meinem Hause bleiben, als es Dir gefällt.
– Ich danke, Herr Czabo!
– Hier nimm, fügte er hinzu, indem er eine Börse mit Geld aus seiner Tasche zog – es ist Dein halbjähriger Lohn im Voraus – kaufe Dir Kleider, oder was Du sonst gebrauchst, ich habe es gern, wenn meine Domestiken hübsch gekleidet gehen.
Ohne sich länger zu besinnen, ergriff Kathi die Börse.
In diesem Augenblicke ertönte ein Marsch von Trommeln durch die Straße. Als ob der kriegerische Schall sie wie ein Blitzstrahl berührt hätte, ließ Kathi die kaum empfangene Börse mit einem leisen Schrei des Schreckens zu Boden fallen, wobei sich ihre Blicke starr auf das Fenster hefteten, das nach der Straße hinaus ging.
Der Apotheker war selbst auf einen Augenblick verblüfft, er schob seine Brille vor die Stirn und starrte ebenfalls nach dem Fenster.
Ein Regiment österreichischer Infanterie in weißen Uniformen, blauen Hosen und großen Bärenmützen marschirte an dem Hause des Apothekers vorüber.
– Kaiserliche Soldaten! rief Herr Czabo, öffnete ein Fenster und sah mit großem Interesse dem kriegerischen Schauspiele zu. Jeder Andere würde sich über die hinkenden Teufel geärgert oder sie bemitleidet haben – Herr Czabo aber rief entzückt aus:
– Wie herrlich! Da kommen die Helden, die das Land erhalten! Ihr edeln Krieger, die Ihr muthig Euer Blut verspritzt für die gerechte Sache, für das milde, gerechte angestammte Kaiserhaus, für Ruhe und Ordnung im Lande – seid willkommen! Es lebe der Kaiser! Der Vater des Vaterlandes! Der hoffnungsvolle Jüngling!
Und rechts und links in der Straße fanden des Apothekers Ausrufungen ein lebhaftes Echo, man sah selbst weiße Tücher aus den Fenstern flattern, geschwungen von alten Weibern mit Hornbrillen auf den zusammengeschrumpften Nasen und Hunde oder Katzen zärtlich an ihre Brust drückend.
– Gott sei Dank, rief der Apotheker, daß wir endlich wieder Soldaten in unsern Mauern haben, nun kann man sich doch ruhig zu Bett legen und ruhig wieder aufstehen. Es lebe der Kaiser!
Kathi schien die Begeisterung ihres Herrn für das angestammte Kaiserhaus nicht zu theilen, der Anblick der Soldaten schien einen tiefen Eindruck auf sie ausgeübt zu haben.
Unbeweglich stand sie an der Seite des Fensters und sah mit schmerzlichen Blicken die weißen Krieger vorüberziehen.
Die Straße war nicht breit, so daß die äußern Rotten des Regimentes dicht an den Häusern marschirten.
Ein junger Mann mit gebräuntem Gesichte und einem großen vollen Barte sah das hübsche Mädchengesicht – rasch trat er einen Schritt seitwärts aus dem Gliede, streckte die Hand aus und trommelte eine Secunde mit den Fingern an der Stelle der Fensterscheibe, wo sich Kathi's Gesicht zeigte.
Mit einem unterdrückten Schrei der höchsten Ueberraschung oder des Schreckens fuhr die Köchin zurück und verbarg sich hinter der Wand.
In demselben Augenblicke mußte der junge Soldat seinen Scherz büßen: ein Korporal hob seinen langen Stock und führte einige derbe Schläge auf die Beine des Kriegers, der für seinen Kaiser in die Schlacht zog, um ihm den Thron zu erhalten.
Diese Aufrechterhaltung strenger Mannszucht sahen die beiden Personen in der Küche nicht mehr, nur die Hunde und alten Weiber in den Fenstern der Häuser hatten Gelegenheit, sich darüber zu wundern.
– Kathi, rief Herr Czabo, Du zitterst ja am ganzen Körper!
– Es ist nichts, Herr, der übermüthige Soldat hat mich ein wenig erschreckt.
Der Apotheker trat mitleidig zu seiner Köchin und streichelte ihr sanft die Wangen. Fast wäre er in laute Bewunderung ausgebrochen über die Zartheit der weichen Haut, das hatte er nicht erwartet.
– Sei nur ruhig, sagte er fast stammelnd, ich bin ja Kommandant dieses Stadtviertels, es soll Dir niemand etwas zu Leide thun. Und wenn ich meine Sorge für Dich etwas mehr ausdehne, als ich sonst für meine Mägde gethan, so bedenke, daß ich Wittwer bin und niemandem Rechnung von meinen Handlungen schulde. Hörst Du, Kathi, vergiß nicht, daß ich Wittwer bin!
Noch einen freundlichen Blick warf er auf die erschreckte und erstaunte Magd, dann verließ er die Küche.
Nach einer Viertelstunde hatte Netti mit Kathi's Hülfe die Speisen aufgetragen und Herr Czabo setzte sich mit seiner kleinen Familie zu Tische.
Kathi saß in der Küche auf einer Bank und hielt sinnend ihren Kopf in der Hand.
3.
Es war drei Uhr Nachmittags.
Ferenz war in seinem Zimmer mit dem Ordnen der Rechnungsbücher beschäftigt und Herr Czabo befand sich in dem Verkaufslocale, weil um diese Zeit Niklas, der Apothekergehülfe, die Geschäfte in dem Laboratorium besorgte.
Netti saß in dem Wohnzimmer und arbeitete an einer Stickerei, wobei sie dann und wann einen Blick in die Straße warf, in welcher Soldaten mit Zetteln in der Hand auf und abgingen, ihre Quartiere zu suchen.
Plötzlich ließ sich ein leises Klopfen an der Thür vernehmen. Das junge Mädchen mochte es nicht gehört haben, denn sie sah nur dann erst von ihrer Arbeit auf, als die Thür sich öffnete und ein langer, magerer Mann eintrat.
Man denke sich eine ungewöhnlich lange Gestalt mit bleichem Gesicht, dessen Backenknochen hoch emporragen, mit einer fast durchsichtigen großen Adlernase, großen grauen Augen, hellblondem Haare, mit breiten, langen Händen und Füßen, einem linkischen Benehmen, wie es Leuten von dieser Körperbildung eigen zu sein pflegt – angethan mit abgetragenen bürgerlichen Kleidern, die nicht mehr passen, und einer grünen wollenen Schürze, so hat man ungefähr ein Bild von dem Gehülfen des Herrn Czabo, der zu Netti in das Zimmer trat.
Unter verlegenem Lächeln stammelte der Eingetretene einige unverständliche Worte, die, wie es schien, einen Gruß bedeuten sollten.
Netti kannte die zarten Gefühle des langen Niklas und bedauerte ihn von Herzen – deshalb sah sie ihn freundlich an und fragte in einem sanften, fast bewegten Tone:
– Was meinen Sie, lieber Herr Niklas?
Die freundlichen Worte des jungen Mädchens hatten dem Schüchternen Muth eingeflößt.
– Was ich meine? fragte er laut.
– Nun ja!
– Soll ich es Ihnen offen bekennen, liebe Netti?
– Ich bitte darum, wenn Sie anders gekommen sind, mit mir zu reden.
Als ob die Verzweiflung seinen Muth noch erhöhte, holte er tief Athem und sagte in einem weinerlichen Tone:
– Ich meine, daß ich nicht mehr weiß, was ich meine, noch was ich thue. Ich dachte so eben über Pferde-Arznei-Kunde nach, denn ich stand im Begriffe, acht Gran Brechpulver anstatt vier in ein Paket zu thun. Ich zittere, wenn ich an die Wirkung denke! So kann das nicht mehr gehen, liebe Mamsell Netti, ich muß Abschied von Ihnen nehmen!
Niklas ließ den Kopf sinken und trocknete sich mit der grünen Schürze die Stirn, als ob ihm dieses Geständniß blutsauer geworden wäre.
– Himmel, rief Netti erschreckt, was fällt Ihnen ein? Sie wollen unser Haus verlassen?
– Glauben Sie denn, daß ein Apotheker kein Herz im Leibe hat? Im Gegentheil, dieses Organ des menschlichen Körpers ist bei ihm sehr gefühlvoll – dies ist wenigstens die Meinung Ihres Herrn Vaters, denn er erlaubte mir, sanfte