Blum Hans

Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk


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      Das einzige unübersteigliche Hinderniß der Herausgabe dieser Gedichte war jene fluchwürdige Einrichtung, welche in Deutschland damals noch auf fast jeglichem literarischen Schaffen, mindestens aber auf der Presse lastete: die Censur. Denn der bei weitem größte Theil dieser Gedichte ist politischen Inhalts. Und so maßvoll uns Deutschen von heute die Freiheitsbegeisterung, so natürlich uns die Vaterlandsliebe des dreiundzwanzigjährigen Dichters erscheinen muß, so war doch der Censor, der über diese Blüthen der Dichtkunst sein maßgebendes Urtheil abzugeben hatte, ganz anderer Meinung. Er strich Blum’s politisch-poetische Offenbarungen unbarmherzig zusammen und gerieth über die Unermüdlichkeit, mit welcher der junge Dichter immer neue Kinder seiner patriotischen Muse überreichte, schließlich in solche Wuth, daß er Allem, was nur Blum’s verhaßte Handschrift trug, schlechthin die Druckerlaubniß versagte. Um sich volle Gewißheit über das parteiische Vorurtheil und die leidenschaftliche Pflichtwidrigkeit dieses Wächters des Staatswohls zu verschaffen, beging Blum die Bosheit, ihm, von seiner Hand geschrieben, unter einem recht verdächtigen Titel einige Gesangbuchsverse zur Censur zuzuschicken — und richtig, der Censor strich auch diese Verse als staatsgefährlich und wiederholte dasselbe noch zweimal, als Blum ihm die nämlichen Verse, die in jeder Kirche zur Erbauung der Gemeinde gesungen wurden, noch zweimal unter anderer Ueberschrift zusendete. Von solchen Menschen hing damals die Entscheidung darüber ab, was das deutsche Volk gedruckt sollte lesen dürfen.

      Von den politischen Ereignissen der damaligen Zeit stehen dem Dichter die französische Revolution, dann die große Erhebung Polens und natürlich die Verhältnisse des eigenen Vaterlandes im Vordergrunde des Interesses. Doch verfolgt er auch ferner liegende Dinge mit größter Aufmerksamkeit. Eine der schwungvollsten Dichtungen der Sammlung ist z. B. die ergreifende Klage um den Tod Bolivar’s, des Befreiers Südamerikas vom spanischen Joche († 10. December 1830):

      Bolivar ist nicht mehr! klagte der Glockenton,

       Bolivar ist nicht mehr! brauste der Ocean,

       und von den Andes rückhallte die Klage

       Ueber den Erdball.

      Sinkt denn der Gott dahin, fragt’ ich erschüttert mich,

       So wie der Wurm des Staub’s? Ist Er, der seinem Volk

       Mehr gab als Leben: die heilige Freiheit!

       Sklave des Todes?

      So übertrieben, wie alle liberalen Zeitgenossen, pries auch Blum die Helden der Pariser Julitage. Vom gesündesten politischen Urtheil zeugt dagegen das Scherzgedicht über Griechenland, das er unter dem Titel „Literarische Anzeige“ schrieb, und von dem so Vieles noch heute auf den Staat der Hellenen paßt:

      „Im Jahre ein Tausend acht Hundert und dreißig

       Erschien, nachdem man erst lange und fleißig

       Zu London daran war, mit Drucken und Pressen —

       — Auch hat man es nicht zu beschneiden vergessen —

       Ein Werkchen, betitelt: Neugriechischer Staat, In einem sehr niedlichen Taschenformat. Dasselbe ist ganz nach der neuesten Mode, So zierlich als möglich, und kurz, die Methode, Nach der man zu Werk ging, ist eigener Art, Und überall Ordnung mit Schönheit gepaart. Zwar wagte der Neid schon von manchen Gebrechen Und Fehlern, die drinnen sein sollen, zu sprechen; Doch können dies höchstens nur Druckfehler sein, Und diese sind dann um so mehr zu verzeih’n, Da mehrere Setzer am Werkchen gezimmert, Und Niemand um die Correctur sich gekümmert. Man suchet nun Jemanden, der den Verlag Des Werkchens gleich zu übernehmen vermag.“

      Ganz überraschend klar und kräftig tritt aber bei Blum der deutsch-nationale Gedanke hervor. In einer Zeit, in der fast Alle, gelegentlich auch er selbst, berauscht waren von einem unbestimmten Freiheitsdrang und kosmopolitischer Schwärmerei und die Erkenntniß, daß erst auf dem Boden eines festen, einigen, deutschen Staatslebens alle höheren Güter der Nation, vor allem die Freiheit, errungen werden könnten, höchst vereinzelt, von Männern wie Pfizer und Dahlmann ausgesprochen wurde, während Männer wie Börne und Heine nur Hohn und Spott für ihr Vaterland hatten, in dieser Zeit erscheint ein Gedicht wie dasjenige, das Blum 1831 „an Germania“ schrieb, als ein hervorragendes Zeugniß politischer Einsicht und nationaler Klarheit. Es heißt darin unter Anderem:

      „Völker siehst Du auferstehen,

       In des Freiheitsodems Wehen,

       In der Zeiten hehrem Lauf;

       Erntend längst gestreute Saaten.

       Treten sie im Feld der Thaten

       Kühn als Nationen auf.

      Ach, der Hebel aller Staaten,

       Die Erzeug’rin großer Thaten,

       Aller Völker Kraft und Macht.

       Die allein nur Muth und Stärke

       Geben kann zum großen Werke: —

       Einheit — ist Dir ja versagt!

      In die einzeln schwachen Glieder

       Gießt sie Kraft und Fülle wieder;

       Einheit ist der Staaten Mark.

       Kein Erob’rer stellt verwegen

       Dann sich lüstern uns entgegen;

       Werdet eins, dann sind wir stark.

      Deutsche, nützt die hehren Stunden!

       Wenn sie einmal hingeschwunden,

       Sind sie ewig uns vorbei;

       Laßt das große Völkerringen

       Etwas wenigstens uns bringen:

       Werdet eins! dann sind wir — frei!“

      Ueberhaupt ist der gesunde Realismus, der bei aller Begeisterung des jungen Herzens aus diesen Gedichten spricht, doppelt wohlthuend in einer Zeit, die sich anschickte, mit Heine einem krankhaften sentimentalen Weltschmerz sich zu ergeben. Nirgends fingirt Blum Liebesleiden, die er nicht kannte, nirgends zeigt er sich mit der Welt zerfallen, lebensmüde, obwohl er hierzu mehr Grund haben mochte, als mancher Andere. Dagegen dringt wiederholt die bittere Klage über das harte Geschick, das ihm gerade die Erreichung der höchsten Lebensziele so unendlich schwer machte, mit der vollen Kraft eines gewaltigen Naturlautes aus seiner gepreßten Brust. Aber immer richtet ihn auf der felsenfeste Glaube an den Sieg der idealen Mächte, denen er sein Streben geweiht, und damit auch an die eigene Sendung, die er zu erfüllen bestimmt ist.

      Besonders merkwürdig für seine Weltanschauung ist dabei, zumal bei dem rein rationalistischen Glauben, den er z. B. in seinem „Glaubensbekenntniß“ ausspricht, die feste Ueberzeugung an die Unsterblichkeit der Seele, die er in diesen Gedichten wiederholt ebenso deutlich bekennt, wie — in dem letzten Briefe an seine Gattin, den er Angesichts des Todes schrieb. In einem seiner frühesten Gedichte „An die Zeit“ (1829) heißt es am Schlusse:

      „Du veränderst und wechselst nur jede Gestalt,

       Die im Staub sich erzeugte vom Staube;

       Doch dem Geiste droht nie der Zerstörung Gewalt,

       Er wird nie der Verwesung zum Raube.

       Zerstöre Du nur ohne Ende und Ruh’ —

       Ein Theil meines Wesens ist ewig, wie Du.“

      In der That bedurfte es eines so festen Glaubens an das Walten der sittlichen Mächte und solcher Bedürfnißlosigkeit, wie Robert Blum sie gewöhnt war, um auch in jenen bösen Tagen den Kopf oben zu behalten, als Ringelhardt Anfang Juni 1831 gezwungen war, plötzlich „aus Geschäftsrücksichten“, das heißt mit Rücksicht auf die Geschäftslosigkeit, die Bretter, die die Welt bedeuten, in Köln abzubrechen und Robert Blum zu entlassen. In dieser traurigen Lage griff dieser nach dem ersten Erwerb, der sich ihm bot — er wurde Schreiber beim Gerichtsvollzieher Kümpeler und bezog in dieser Stellung einen Monatsgehalt von — sechs Thalern! Davon war Alles zu bestreiten. Glücklicher Weise dauerte diese harte Prüfung nur bis 15. September. Da engagirte ihn Ringelhardt von Neuem für den