über die Theaterbibliothek des Directors. Bereits im Winter 1830 auf 1831 wurde der größte Theil der hier vorräthigen dramatischen Werke geradezu verschlungen, später mit Muße das Beste — vor Allem Schiller, Goethe, Lessing, Shakespeare und was an antiken Dramen da war, wieder und wieder gelesen, halb auswendig gelernt. Mit Schiller vor Allen gewann Blum die größte Vertrautheit. Aber auch Goethe lernte er mehr und mehr schätzen. Als der deutsche Dichterfürst starb, schrieb Blum ein tiefempfundenes „Sonett auf Goethe’s Tod“ in seine Gedichtsammlung. Daneben regten die dramatischen Novitäten des Tages den kritischen Theaterdiener an, sein Urtheil über dieselben in kurzen scharfen Distichen auszusprechen. Viele dieser Urtheile über Stücke, die heute noch auf dem Repertoire stehen, sind noch jetzt recht interessant.
„Dummheiten, Malicen und Xenien“ hat Robert Blum selbst die kleine Sammlung überschrieben, aus der hier einige Beispiele folgen.
Sonst und jetzt.
Derbe Komik, kräft’ge Witze,
Leicht und treffend wie die Blitze,
Traf man sonst im Lustspiel an.
Aber jetzt sind wir verwöhnt,
Alles Kräft’ge ist verpönt,
Weil man’s — nicht mehr schaffen kann.
Raupach.
Als er noch Dichtungen gab, da waren die Stücke zu tadeln,
Jetzt sind die Stücke zwar gut, doch ach! nicht Dichtungen mehr.
Moderne Kritik.
Reiße den Einen herunter, erhebe den Andern zum Himmel;
Beides mit Brutalität, doch ohne Sinn und Verstand.
Schreibe das Ganze — aus Scham, aus Furcht theils auch, ohne Namen,
Nennt man Dich bald ein Genie, denn das heißt heute Kritik.
Das Orchester.
Welche unendliche Zahl von Musikern und Instrumenten!
Schade, daß durch das Gewühl man die Musik nicht mehr hört.
Die Stumme von Portici.
Glänzend brichst Du Dir Bahn in allen Ländern Europa’s
Weil Du mit sprachlosem Mund, sprichst aus dem Herzen des Volks.
Mozart.
Würde Musik vom Unsinn auch ganz verdrängt von der Erde,
Deine Werke allein geben ihr ewig Asyl.
Gleichniß.
Wie die Fische ewig dürsten,
Bei beständ’gem Ueberfluß,
Schlürfen Schmeichelei die Fürsten,
Ohne Maß und Ueberdruß.
Schwere Wahl.
Allopathie! Homöopathie!
Ich schwanke schon seit vielen Tagen
Und bitte, Freundchen, sagen Sie,
Mit welcher darf ich es wohl wagen?
Das ist Geschmack, der wechselt ab,
Und richtet sich nach Zeit und Mode;
Merkt nur den Unterschied vorab
Und wählt dann selber die Methode:
Die Eine bringt uns in das Grab,
Die Andre aber blos zum Tode!
Der Reformator.
Thebaldus will die Welt verbessern;
Was da besteht ist ihm zu schlecht,
Er will ein neu Gesetz und Recht
Um Glück und Wohlfahrt zu vergrößern;
Doch eine Plag’, die — wenn auch klein — Doch alle bessern Menschen fliehen, Die will er nicht der Welt entziehen; Er ist es selbst mit seinem Schrein!
Lehre.
Meidet das starke Getränk, es schadet den Nerven, dem Geiste!
So spricht der Weise und wahr. Merkt den erhabenen Spruch! Wasser hat furchtbare Kraft; es treibet das Schwungrad der Mühle, Brüder, das ist uns zu stark, darum — so rath ich — trinkt Wein.
Glück und Unglück.
Feindlich getrennt, im Thun und Wirken unendlich verschieden,
Wandelt Ihr dennoch vereint, Hand stets in Hand durch die Welt.
Nützlich seid Ihr uns Beide, die Tiefen des Lebens zu kennen:
Lehrt uns das Glück den Genuß, lehrt uns das Unglück den Werth.
Stolz und Hochmuth.
Stolz, wenn er würdig ist, hält uns in ehrerbietiger Ferne
Hochmuth stößt uns zurück, füllt mit Verachtung die Brust.
Liebe und Treue.
Liebe hält mit zärtlichen Armen das Leben umschlungen,
Treue kettet sich fest, sei es auch an — den Tod.
Tugend und Scham.
Unzertrennliche Genien durchwandeln sie liebend das Leben
Diese voll Anmuth und Reiz, jene voll Würde und Kraft.
Fällt die Scham, sie reißet die Tugend mit sich zu Grabe;
Sinket die Tugend, die Scham hält sie mit kräftigem Arm.
Bald aber drängte die Begeisterung zu dramatischem Schaffen, die er dem Studium der Ringelhardt’schen Theaterbibliothek dankte, jede andere Dichtung zurück; glaubte er sich doch zum Theaterdichter ganz besonders vorbereitet durch die tiefen Blicke, die er als Theaterdiener hinter die Coulissen, in die Mache der Bühnentechnik gethan zu haben meinte. Pilzartig schossen die Lust-, Schau- und Trauerspiele unter seiner Feder in’s Kraut. Die wenigen „Literaten“, die ihn ihrer Freundschaft würdigten, Dr. Rave, Köhler, der Schauspieler Porth, der mit ihm viele Jahre später noch von Dresden aus treu correspondirte, natürlich auch Ringelhardt selbst, wurden von ihm unablässig mit der unheilverkündenden Bitte heimgesucht, wieder ein neues Drama von ihm zu lesen. Diejenigen, welche diese Freundschaftsprobe bestanden, sind ihm für’s Leben treu geblieben. Sie haben ihm auch als gute Freunde offen und stets von Neuem erklärt, daß seine Dramen nichts taugten. Er soll eine ungemessene Zahl seiner dramatischen Schöpfungen in’s Feuer geworfen haben, nachdem ihnen so das Todesurtheil gesprochen worden. Wären doch alle unberufenen dramatischen Dichter so reich an Selbsterkenntniß!
Trotzdem habe ich noch eine sehr große Anzahl dramatischer Dichtungen aller Art, die Robert Blum selbst verfaßt hat, in seinem handschriftlichen Nachlaß vorgefunden. Schon ihre Titel verrathen zum Theil ihren Inhalt: „Der Vaterfluch oder die Schrecken des Fanatismus. Trauerspiel in fünf Aufzügen.“ „Das Opfer der Bruderliebe. Ein Bild seltener Seelengröße aus unsrer Zeit“ u. s. w. Auch eine große Zahl „Einlagen“ von seiner Hand, Prosa und Verse, die in beliebten Operetten, Possen u. s. w. als Neuheit eingeschaltet wurden (wie heute neue Couplets), habe ich vorgefunden, namentlich aus der Leipziger Zeit — noch aus den Tagen, da er schon deutschkatholischer Kirchenvater geworden war. Den größten Schrecken muß Robert Blum den Freunden, die er zu Kunstrichtern über seine dramatischen Werke berief, schon durch den Umfang seines „dramatischen Gedichtes“ Kosciuzko eingeflößt haben. Denn der erste Theil dieser Riesentragödie oder in Scene gesetzten Biographie würde schon mindestens zwei Theaterabende füllen und das ganze Stück hat drei solcher Theile aufzuweisen. Von allen Bühnenschöpfungen Blum’s ist nur eine einzige gedruckt worden, aber auch diese ist Buchdrama geblieben und niemals aufgeführt worden — „Die Befreiung von Candia“ (Leipzig, C. H. F. Hartmann, 1836). Das Stück behandelt eine Episode des griechischen Befreiungskampfes der zwanziger Jahre (1822) und ist geschrieben in der pathetischen Rhetorik der großen französischen Revolution und voll