sah neidisch zu.
Klinglingling – da klingelte es wieder. Ein Herr war es, ein Ausländer. Er mußte wohl geradeswegs aus Afrika kommen, so schwarz war er, und hieß Herr Lolo. Merkwürdigerweise schienen die Herren in Afrika weiße, kurze Kniehöschen mit Stickereiansatz zu tragen.
Sein Töchterchen, ein allerliebstes Baby, hatte er auch mitgebracht. Die Mutter des Kindes mußte wohl eine Deutsche sein. Denn das Kleine war zwar etwas schmutzig, aber doch lange nicht so schwarz wie der Mohrenpapa.
»Was willst du essen, mein Herzchen?« fragte der Afrikaner liebevoll sein Töchterchen.
»Mohrenkopf mit Schlagsahne« verlangte das kluge Baby, obwohl es erst ein halbes Jahr alt war.
»Und der Herr? Vielleicht eine Tasse Schokolade gefällig?« fragte der dicke, kleine Konditor und machte drei Bücklinge auf einmal.
Der Herr überlegte einen Augenblick.
»Nein, bringen Sie mir eine Portion Vanilleeis.« Sicher war es in Afrika so heiß, daß man dort nichts weiter als Eis aß.
Der Herr Konditor lief mit einem kleinen Puppenteller in seinen Eiskeller, das war die Küche.
»Hanne, ich muß ganz flink eine Portion Eis haben, der Herr aus Afrika hat es bestellt«, bat er.
Hanne sah die Notwendigkeit ein. Sie schlug von dem Eis im Eisschrank ein kleines Stückchen ab und legte es auf den Puppenteller.
»Danke schön, liebe Hanne.« Zärtlich schlang der dicke Konditor seine Arme um die dicke Köchin und hopste dann in seinen Laden zurück, daß auch das Eis dreimal vom Teller hopste. Aber der Konditor wischte es mit seiner Schürze wieder sauber ab, und servierte es dem Afrikaner mit einer Verbeugung.
»Einmal Vanilleeis!«
Fritze mit der Zippelmütze, der inzwischen die Schlagsahne zu dem Mohrenkopf für das Baby hatte schlagen sollen, war wieder mal faul gewesen und hatte nichts getan. Er bekam von seinem Herrn eine Backpfeife und wurde sofort aus dem Dienst entlassen.
Der Herr Konditor brachte eigenhändig die Schlagsahne herbei, irrte sich aber und tat sie statt über den Mohrenkopf auf den Teller über Herrn Lolos Mohrenkopf.
Der schrie und schimpfte und lief aus der Konditorei fort, ohne das Vanilleeis zu bezahlen. Sogar sein Baby vergaß er im Ärger.
Fritze aber hatte mit der Stellung auch seine Zippelmütze abgelegt. Er erschien jetzt als niedlicher, kleiner Junge, mit einem Körbchen am Arm.
»Ein Brot mit Kümmel, aber kein altes«, forderte er und legte auch zugleich das Geld auf den Tisch.
Der Herr Konditor sah sich ratlos in seinem Laden um – Herrgott, das Brot war ja alle geworden!
»Ein Augenblick, mein Söhnchen, ich hole ganz frisches aus meiner Backstube«, und wieder ging es in die Küche.
»Hanne, liebe Hanne –« aber die Küche war leer. Die liebe Hanne schien mit dem Mülleimer hinuntergegangen zu sein.
Solange konnte man einen Kunden unmöglich warten lassen. Der kleine Konditor lief selbst an den Brotkasten in der Speisekammer, und weil er kein Messer anfassen durfte, bohrte er mit seinen Fingerchen ein großes Stück Krume aus dem zum Glück schon durchgeschnittenen Brot.
Dann legte er es sorgfältig wieder fort.
Kurt hatte das sauber in Papier geschlagene Brot gerade in seinem Körbchen untergebracht, da erschien ein vierfüßiger Kunde in der offengebliebenen Ladentür. Er lief sofort an den Ladentisch, auf dem die schönen Sachen alle so verlockend aufgebaut standen, und legte die Hände, die in weißen Pelzhandschuhen steckten, auf die Apfeltorte.
»Die Waren dürfen nicht berührt werden!« sagte der Konditor aufgebracht.
Aber der Herr ließ sich nicht stören. Ja, er hatte sogar die Unverschämtheit, ein Stück Kuchen nach dem andern zu beriechen.
»Was wünschen Sie denn, mein Herr?« fragte der Konditor nun schon zum drittenmal.
Die Wahl schien dem Herrn schwer zu werden. Schließlich war er mit sich im reinen. Aber anstatt sich die Torte an dem kleinen Tischchen servieren oder in Papier packen zu lassen, machte er kurzen Prozeß.
Schwapp – da hatte Herr Puck die größte Schokoladentorte mit dem Mund vom Ladentisch wegstiebitzt und lief damit eilig aus der Konditorei.
»Mutti – Mutti – meine Schokolade – meine schönste Schokoladentorte!« Der Herr Konditor eilte schreiend hinter dem Dieb her.
Aber Mutti, welche die Polizei vorstellen sollte, war nicht in ihrem Zimmer, die hatte Hanne soeben in die Speisekammer geholt, um ihr zu zeigen, daß unbedingt eine Maus dort sein müsse. Sie habe ein großes Loch ins Brot gefressen.
»Ja, wirklich, Hanne, das beste ist, Sie stellen eine Mausefalle auf«, meinte Frau Doktor Braun.
»Ne, erst mache ich selber Jagd auf die Maus, die ist sicher noch hier in der Speisekammer, denn heute mittag war das Brot noch ganz heil.« Damit begann Hanne voll Jagdeifer die Vorratstonnen und Gläser mit eingemachten Früchten auszuräumen.
Da erschien Nesthäkchen mit der Konditormütze. Aber vor lauter Staunen vergaß sie den Dieb Puck bei der Polizei anzuzeigen.
»Nanu, was ist denn hier los, ziehen wir aus?« fragte sie neugierig.
»Ne, aber wir haben ’ne Maus hier in der Speisekammer.« Hanne schleppte Wein-und Bierflaschen heraus, kein Stück ließ sie an seinem Platz.
»Eine Maus – eine Maus!« jubelte Nesthäkchen und sprang selig zwischen sämtlichen Flaschen und Vorratstüten herum.
Vergessen war der Dieb, vergessen die ganze Konditorei – »eine Maus – eine Maus!« das war ja wundervoll!
Annemie half geschäftig beim Auskramen der Speisekammer, zerschlug dabei den Deckel von der Reistonne, ließ die Zwiebeln alle aus dem Zwiebelnetz rollen und unter Küchenschrank und Tisch trudeln, tauchte heimlich das Fingerchen in die Zuckertonne – und zeigte sich auf diese Weise äußerst nützlich.
»Wenn ich die Maus aber kriege, der soll’s schlecht gehen – mir solche Arbeit zu machen!« schimpfte Hanne.
»Was tun Sie denn da mit ihr, Hanne?« fragte Annemie neugierig.
»Die wird bei lebendigem Leibe ersäuft!« sagte Hanne ingrimmig.
Das arme Mäuschen – eigentlich tat es Annemie sehr leid. Heimlich wünschte sie, daß Hanne es nicht erwischen sollte.
»Na, Hanne, haben Sie Ihre Maus schon gefunden?« Mutti trat wieder in die Küche.
»Ne, aber ich krieg’ sie schon noch, am hellichten Tage so’n Loch ins Brot zu knabbern – solche Frechheit!« Sie hielt das Brot mit dem großen Loch in die Höhe.
Klein-Annemie wurde blaß, und dann purpurrot.
Unschlüssig sah sie von dem Brot auf Hanne, und von dieser zu Mutti.
Sie schwankte – sie zauderte – und dann schlang sie plötzlich beide Ärmchen um Hannes breite Hüften und brach in bitterliches Weinen aus.
»Sie sollen das arme Mäuschen nicht ersäufen, Hanne, es kann ja nichts dafür, es hat das Brot doch gar nicht gefressen. Ich hab’s genommen, weil ich doch Konditor war, und mein Puppenjunge Brot kaufen wollte«, so jammerte Nesthäkchen.
»Du warst die Maus, na warte, wenn du mir nochmal solche Arbeit machen wirst, Mäuschen –« die Köchin drohte gutmütig und räumte ihre Speisekammer wieder ein.
Aber als Annemie jetzt ängstlich fragte: »Werde ich nun auch nicht bei lebendigem Leibe ersäuft?« da griff Hanne mit lustigem Lachen nach einem großen Eimer, und schreiend nahm Nesthäkchen Reißaus.
12. Kapitel
Schiffer-Lenchen