Else Ury

Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury


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Teller, Messer und Gabeln hinaustragend.

      Aber davon wollte die biedere Wirtin nichts wissen. »I richt’s scho’ selber.«

      Die Studenten übernahmen das Tischdecken, die Mädel die Zubereitung der Brote. In bunter Reihe gruppierte man sich um die Tafel, welche Doktors Nesthäkchen mit dem Vergißmeinnichtstrauß, den es am Neckar gepflückt, geschmückt hatte.

      »Die Kirchenmäuse müsse das Präsidium übernehmen.« Die Übermütigen taten es nicht anders, das gemütliche Wirtspaar mußte mithalten.

      Und als Frau Kirchmäuser jetzt ihren Gästen eine große Schale saure Milch auftischte, erscholl’s zum Dank schmetternd im Chor: »Lindenwirtin du junge.«

      Der Frühlingsabend dämmerte lind und weich hinab. Immer noch klangen die Weisen, frohe und traurige, durch das Burggäßle. Auf den Hausbänken lauschten die Bewohner, den Feierabend genießend, dem herzerfrischenden Sang:

      »‘s gibt kein schöner Leben,

       Als Studentenleben.«

      Der Neckar rauschte die Begleitung, und die alten Giebelhäuser, die Jahrhunderte kommen und gehen gesehen, blickten still auf das sich stets wieder erneuernde junge Leben herab.

      6. Kapitel

       Ein Brief aus der Ferne

       Inhaltsverzeichnis

      Das erste Bild »Fräulein Blaustrumpf unter ihren Kommilitonen« – damit war die Schafherde gemeint – reiste mit verschiedenen anderen photographischen Aufnahmen nach dem Norden. Es war ein dicker Brief, den Doktor Brauns Hanne vom Briefträger morgens früh in Empfang nahm.

      »Ihr Jlück, Schultze, daß Se uns endlich mal ‘n Brief von unserm Nesthäkchen bringen tun. Immer bloß die dämlichen Ansichtskarten, wo nur Jeld kosten und nischt drin steht. Jott, was wird sich unser Herr und Frau Doktorn freu’n!«

      Die treue Seele überließ das Hineintragen der Post nicht wie sonst der Minna. Über das ganze breite Gesicht strahlend, trat sie an den Frühstückstisch.

      »Nu raten jnädje Frau mal, was ich hier haben tue?«

      »Einen Brief von unserer Lotte?« Ganz aufgeregt war Frau Doktor Braun.

      »Na woll ooch, von de Unversität, von unser Nesthäkchen – und noch dazu so’n jut beleibter.« Stolz, als ob sie selbst die Ursache der Freude sei, legte Hanne das umfangreiche Schreiben vor die Eltern.

      Während Frau Doktor die Adresse, welche die steilen, energischen Buchstaben ihrer Lotte zeigte, mit sehnsüchtigen Augen betrachtete, als seien sie die Schreiberin selbst, blieb Hanne breitspurig in der Tür stehen. Die roten Arme in die Hüften gestemmt, wartete sie. Sie hatte Doktors Nesthäkchen auf den Armen gewiegt, sie hatte es erzogen, ihm gute Extrahäppchen zugesteckt und ihm gelegentlich auch mal einen Klaps verabfolgt, wenn das ungebärdige Ding nicht gehorchen wollte. Sie mußte vor allen Dingen wissen, wie es »ihrem Kind« in der Fremde erging. War doch die Ruhe im Haus geradezu beklemmend, seitdem Nesthäkchens helles Lachen nicht mehr erklang und auch Klaus in Pommern Kartoffeln buddelte.

      »Na?« sagte sie, als die Mutter noch immer keine Miene machte, den Umschlag zu erbrechen. »Ich hab’ nich so ville Zeit.«

      »Recht hat die Hanne – mir geht’s gerade so. Ich muß auch bald in die Sprechstunde. Also laß uns sehen, Elsbeth, was unsere Studentin schreibt.«

      Der Brief wurde geöffnet.

      »Ach, Bilder!« rief die Mutter beglückt. »Unsere Lotte – sprechend ähnlich!«

      Das erste Bild zeigte das Neptunsbrünnle zu Tübingen. Auf der steinernen Einfassung im Dirndlkleid Doktors Nesthäkchen. Darunter stand der Vers:

      »Ohn’ Schuh’ und ohne Strümpfe

       Geht’s durch Morast und Sümpfe,

       Zu sechsen, nicht zu fümfe,

       Es grüßt die Brunnennymphe.«

      »Hahaha – diese Dichtung ist echt unsere Lotte.« Der Vater amüsierte sich köstlich, während der Blick der Mutter sich nicht von den Zügen ihres Kindes trennen konnte.

      »Na?« sagte Hanne und streckte die Hand in nicht mißzuverstehender Bewegung nach dem Bilde aus. »Da jibt’s ja noch mehr.« Ohne Umstände nahm sie ihrem Herrn Doktor das Bild aus der Hand. »Na, so weit sieht unser Kind ja janz mobil aus. Aber daß se da so viel Sumpf in die Jejend haben und denn noch barfuß laufen tun, det kann doch nich jesund sind.« Sie nahm Annemaries Scherzworte für Ernst.

      Inzwischen betrachteten die Eltern die Serie photographischer Aufnahmen, die durchweg gelungen war. Da sah man Nesthäkchen mit den Freundinnen am Neckargestade im Grünen ruhend, als Unterschrift »Die drei Grazien«. Die nächste Aufnahme war ein allerliebstes Genrebild. Ein weinumranktes Giebelhaus, auf dem Hausbänklein pfeiferauchend, wie das Urbild aller Gemächlichkeit, der Wirt in Hemdsärmeln, Frau Wirtin stand in der Haustür. Aus den Fenstern lugten Marlenes und Ilses neugierige Gesichter. Nesthäkchen selbst hockte auf den Steinstufen, auf dem Schoß Putzerli, innig umschlungen von Vronli und Kasperle. Selbst die Ziege und die Hühner, die auch zur Familie Kirchmäuser gehörten, fehlten nicht. Wieder ein Vers dazu:

      »Hier in dem netten Häuslein,

       Bei unsern Kirchenmäuslein,

       Lebt sich’s in Saus und Braus –

       ‘s heißt das ›Dreimäderlhaus‹!«

      »Na, fidel scheint die Gesellschaft ja dort zu sein«, schmunzelte der Vater und griff nach dem nächsten Kunstprodukt. Es war die Aufnahme »Fräulein Blaustrumpf unter ihren Kommilitonen«.

      »Elsbeth, das Mädel ist doch köstlich – sieh bloß, mit welch ehrpusseligem Gesicht es dasitzt und strickt. Als ob es die Hirtin der Schafherde wäre. Die Kollegen werden nicht sehr begeistert von dem schmeichelhaften Vergleich sein.«

      Hanne betrachtete das Bild befriedigt. »Da tut se doch wenigstens ooch mal wat Jescheites an de Unversität. Strümpfe stricken is besser als studieren!«

      Frau Elsbeth sprach so gut wie gar nichts. Aber ihre Augen sprachen um so mehr von Freude, Glück, Mutterstolz und Sehnsucht.

      Immer neue Bilder. Die Schwäbische Albkette tauchte vor den Blicken der Eltern auf. Auf einem Gipfel, untergeärmelt, mit lachenden Gesichtern eine Schar junger Menschen, Männlein und Weiblein. Rucksack und Wanderstab zu Füßen.

      »Bis auf den Hohenstaufe

       Sind heute wir gelaufe,

       Es grüscht mit Herz und Mund

       Der Schwäb’sche Wanderbund.«

      »Schwabenland, das so viele Dichter erzeugt hat, scheint auch unsere Lotte infiziert zu haben«, lachte Doktor Braun. »Einem Wanderbund ist sie auch beigetreten, die Krabbe. Na, ich gönn’s ihr. Einmal ist man nur jung!« Die eigenen lustigen Studententage wurden in Doktor Braun lebendig.

      »Ich freue mich von Herzen, daß unsere Lotte so herrliche neue Eindrücke in sich aufnimmt. So sehr sie uns auch fehlt, sie speichert Freude und Frohsinn für ihr ganzes Leben auf«, meinte die Mutter innig.

      »Das ist bei unserer Lotte nicht nötig. Die wird noch als Großmutter mit weißem Haar ebenso durchtrieben sein wie jetzt. Sieh nur, was sie auf diesem Bilde anstellt.«

      »Neschthäkche auf der erschten Mensur« prangte als Überschrift. Mit Zerevis und Schärpe, das Rapier in der Hand, ging Annemarie auf einen den Hieb parierenden Jüngling los.

      »Die Krabbe wird doch nicht im Ernst Fechtstunde nehmen.« Doktor Braun betrachtete das Bild, das einen Tisch mit geleerten Bierseideln im Hintergrund zeigte, kopfschüttelnd.

      »Eine Affenschande ist’s, sich derart ‘rauszustaffieren, und mit so’n Morddings seine Mitmenschen zuleide zu jehen. Kochlöffel und Quirl sollt’ se lieber in