George Sand

Ein Winter auf Mallorca


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denn es ist äußerst fruchtbar und seine Erzeugnisse sind von ausgezeichneter Qualität. Der Weizen ist hier so rein und so schön, dass die Bewohner ihn exportieren und er ausschließlich in Barcelona zur Herstellung eines hellen und leichten Gebäcks dient, das man Pan de Mallorca nennt. Die Bewohner lassen aus Galizien und der Biskaya gröberes Korn zu niedrigeren Preisen kommen, von dem sie sich ernähren. Dies führt dazu, dass man in dem Land, das an ausgezeichnetem Weizen am reichsten ist, widerwärtiges Brot essen muss. Ich weiß nicht, ob dies den Bewohnern zum Vorteil gereicht.

      In den Provinzen der Mitte unseres Landes, wo die Landwirtschaft die wenigsten Fortschritte gemacht hat, beweisen die Gepflogenheiten der Landwirte lediglich ihre Sturheit und Unwissenheit. Dies trifft umso mehr auf Mallorca zu, wo die Landwirtschaft, obwohl man sich ihrer mit Hingabe widmet, noch in den Kinderschuhen steckt. Nirgendwo sonst habe ich gesehen, dass die Äcker so geduldig und träge bewirtschaftet wurden. Die einfachsten Maschinen sind unbekannt; die Arme der Menschen, im Vergleich zu den unsrigen sehr mager und unterentwickelt, müssen alles erledigen, aber mit unerhörter Langsamkeit. Es bedarf eines halben Tages, um weniger Erde umzugraben, als man bei uns in zwei Stunden schafft, und fünf oder sechs Männer sind nötig, um ein Ackergerät fortzubewegen, das der Schmächtigste unserer Gehilfen fröhlich auf den Schultern davontragen würde.

      Trotz dieser Trägheit ist auf Mallorca alles beackert und dem Anschein nach gut beackert. Man sagt, dass diese Insulaner kein Elend kennen. Aber inmitten all dieser Naturschätze und unter dem denkbar schönsten Himmel ist das Leben rauer und auf traurige Weise kärglicher als das unserer Bauern.

      Für gewöhnlich lassen sich die Reisenden über das Glück der Völker des Südens aus, deren Gesichter und malerische Gewandung ihnen wie die Sonntagssonne erscheint und deren mangelnde Vorstellungskraft und Voraussicht ihnen wie die ideale Gelassenheit des Landlebens vorkommt. Dies ist ein Irrtum, den ich selbst oft begangen habe, dessen ich mir aber durchaus bewusst geworden bin, besonders, seit ich Mallorca besucht habe.

      Nichts auf der Welt ist so traurig und so arm wie dieser Bauer, der nur beten, singen und arbeiten kann und niemals nachdenkt. Sein Gebet ist eine stupide Formel, die in seinem Geiste keinerlei Sinn ergibt; seine Arbeit ist eine Anstrengung der Muskeln, die keine Anstrengung des Geistes ihm zu vereinfachen beibringt. Sein Gesang ist der Ausdruck dieser trüben Melancholie, die ihn niederdrückt, ohne dass er sich dessen bewusst wäre, und deren Poesie uns beeindruckt, während sie ihm verborgen bleibt. Würde ihn nicht dann und wann die Eitelkeit aus seiner Lethargie wecken und ihn zum Tanz gehen lassen, wären seine Feiertage nur dem Schlaf gewidmet.

      Aber schon verlasse ich den Rahmen, den ich mir gesteckt hatte. Ich vergesse, dass ein geografischer Artikel im strengeren Wortsinn Ertragswirtschaft und Handel erwähnen muss, oder sich erst ganz zum Schluss, nach dem Getreide und dem Vieh, mit der Gattung Mensch zu beschäftigen hat.

      In aller beschreibenden Geografie, die ich gelesen habe, habe ich im Artikel über die Balearen diesen kurzen Hinweis gefunden, den ich hier bestätige, auf den ich jedoch später mit Betrachtungen zurückkommen werde, die seinen Wahrheitsgehalt verringern: »Diese Insulaner sind sehr liebenswürdig (es ist bekannt, dass sich auf allen Inseln die menschliche Rasse in zwei Kategorien gliedert: die Menschenfresser und diejenigen, die sehr liebenswürdig sind). Sie sind sanft und gastfreundlich; es ist selten, dass sie Verbrechen begehen, und Diebstahl ist bei ihnen gleichsam unbekannt.« Auf diesen Text werde ich wahrlich zurückkommen.

      Sprechen wir aber zunächst von den Erzeugnissen, denn ich glaube, dass in der Abgeordnetenkammer unlängst ein paar Worte (die zumindest unvorsichtig waren) über die mögliche Besetzung Mallorcas durch die Franzosen gefallen sind, und ich vermute, dass, falls dieses Schriftstück in die Hände eines unserer Abgeordneten gelangt, er sich sehr viel mehr für den Abschnitt über die Nahrungsmittel interessieren wird als für meine philosophischen Betrachtungen über die intellektuelle Lage der Bewohner.

      Ich erwähnte, dass der Boden Mallorcas von einer bemerkenswerten Fruchtbarkeit ist und dass eine aktivere und klügere Bewirtschaftung seinen Ertrag verzehnfachen würde. Hauptsächlich werden Mandeln exportiert, sowie Orangen und Schweine. Oh schöne Äpfel der Hesperiden, die ihr von scheußlichen Drachen gehütet werdet, es ist nicht meine Schuld, wenn ich bei der Erinnerung an euch an jene schrecklichen Schweine denken muss, auf die man auf Mallorca neidischer und stolzer ist, als auf eure duftenden Blumen und goldenen Äpfel! Aber der Mallorquiner, der euch anpflanzt, ist nicht poetischer als der Abgeordnete, der meinen Text liest.

      Ich komme also wieder auf meine Schweine zu sprechen. Diese Tiere, verehrter Leser, sind die Schönsten der Erde, und in naiver Bewunderung entwirft der Doktor Miguel Vargas das Porträt eines Schweins im zarten Alter von anderthalb Jahren, das 600 Pfund wog. Damals genoss die dortige Schweinezucht noch nicht den Ruf, den sie heute erlangt hat. Der Viehhandel wurde durch die Habgier der Assistentes oder Lieferanten behindert, denen ihn die spanische Regierung anvertraut hatte, das heißt, an welche sie das Versorgungsgeschäft übertragen hatte. Kraft ihrer Entscheidungsgewalt stellten sich diese Spekulanten jedwedem Viehexport entgegen und behielten sich die Möglichkeit eines unbegrenzten Imports vor.

      Diese wucherische Praxis zog nach sich, dass die enttäuschten Viehzüchter sich nicht mehr um ihre Herden kümmern mochten. Das Fleisch wurde zu lächerlichen Preisen verkauft, und da der Außenhandel verboten war, blieb ihnen nur der Ruin oder die vollständige Aufgabe ihres Geschäfts. Die Auslöschung der Viehzucht ging schnell vonstatten. Der Historiker, den ich zitiere, bedauert, dass Mallorca zur Zeit der arabischen Besetzung und lediglich im Artagebirge mehr fruchtbare Kühe und edle Stiere zählte, als man heute in der gesamten Ebene Mallorcas zusammenbrächte.

      Es war nicht diese Misswirtschaft allein, die das Land daran hinderte, seinen natürlichen Reichtum zu nutzen. Derselbe Schriftsteller berichtet, dass die Gebirge, besonders diejenigen von Torella und Galatzo, seinerzeit die schönsten Bäume der Welt besaßen. Gewisse Olivenbäume hatten zweiundzwanzig Fuß Umfang und vierzehn Durchmesser. Aber dieses herrliche Holz wurde von den Zimmerleuten der Marine zerstört, die anlässlich des spanischen Angriffs auf Algier aus ihm eine ganze Flotte von Kanonenbooten bauten. Die Erniedrigungen, denen die Waldbesitzer damals ausgesetzt waren, und der Geiz, mit dem sie entschädigt wurden, brachten die Mallorquiner dazu, ihr Holz gänzlich zu zerstören, anstatt seinen Anbau auszuweiten. Noch heute ist die Vegetation so üppig und so schön, dass es dem Reisenden gar nicht einfällt, der Vergangenheit nachzutrauern; aber heute wie damals und auf Mallorca wie in ganz Spanien, ist immer noch der Missbrauch die wichtigste Macht. Indes wird der Reisende niemals eine Beschwerde hören, weil der Schwache zu Beginn einer Unrechtsherrschaft aus Angst schweigt, und wenn sie erst einmal etabliert ist, schweigt er aus Gewohnheit.

      Obwohl die Tyrannei der Assistentes aufgehört hat, geht es der Viehzucht nicht besser, und das wird auch nicht der Fall sein, solange sich die Exporterlaubnis auf den Handel mit Ferkeln beschränkt. Man sieht Rinder und Kühe in großer Zahl in der Ebene, aber nie im Gebirge. Das Fleisch ist mager und zäh. Die Schafe sind von schöner Rasse, aber schlecht gefüttert und ungepflegt; die Ziegen, die afrikanischen Ursprungs sind, geben nicht ein Zehntel der Milch von unseren.

      Der Erde fehlt Dünger, und trotz aller Loblieder der Mallorquiner auf ihre Kunst, sie zu bestellen, glaube ich, dass die Algen, die sie benutzen, ein kärglicher Dung sind und die Felder weit davon entfernt, so viel abzuwerfen, wie sie es unter einem solchen Himmel eigentlich müssten. Ich betrachtete aufmerksam diesen Weizen, den zu essen sich die Bewohner nicht für würdig halten: Es ist genau derselbe wie in unseren zentralen Provinzen, unsere Bauern nennen ihn den weißen Weizen oder spanischen Weizen; bei uns ist er genauso schön, trotz des unterschiedlichen Klimas. Derjenige aus Mallorca müsste jedoch von höherer Qualität sein als der, den wir unseren so harten Wintern und wechselhaften Frühjahren abringen. Und dabei ist auch unsere Landwirtschaft noch recht barbarisch, wir haben in dieser Hinsicht noch viel zu lernen, aber der französische Landwirt ist von einer Ausdauer und Energie, auf die der Mallorquiner wie auf Hektik ohne Sinn und Verstand herabblicken würde.

      Feigen, Oliven, Mandeln und Orangen gibt es auf Mallorca im Überfluss; mangels Wegen im Landesinneren ist dieser Handel allerdings weit davon entfernt, die nötige Ausweitung zu haben. Fünfhundert Orangen werden vor Ort für ungefähr drei Francs verkauft. Aber um diese sperrige Fracht von der Mitte des Landes mit Maultieren an