Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman


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geweht zu haben«, sagte die Hausdame zu Götterun, der gedankenverloren seine Zigarette rauchte. »Ich muß schon sagen, daß ich in meinem Leben kaum jemanden in einer so jammervollen Verfassung gesehen habe wie dieses arme Menschenkind. Wie alt ist die junge Dame eigentlich?«

      »Sölve – wie alt? Warten Sie mal – achtzehn oder neunzehn muß sie sein. Und jammervoll sagen Sie, Frau Fröse?«

      »Mehr als das, Herr Baron. Man kann auch sagen: halb verhungert. Was mag dem armen Kinde geschehen sein?«

      Jobst von Götterun gehörte nicht zu den Menschen, die ihr Herz sozusagen auf der Zunge tragen. Aber sprach er doch einmal über das, was ihn quälte, dann geschah es zu der schlanken weißhaarigen Frau, dem guten Geist seines Hauses, wie er sie nannte.

      Seit fast zehn Jahren im Hause, hatte sie sich immer wieder bewährt und stets ihre Aufopferung und Treue bewiesen. Aus diesem Grunde war sie dem Schloßherrn ans Herz gewachsen wie etwas, das man nie mehr missen will. Sein Vertrauen und seine Verehrung für die Frau waren groß, sein Gefühl für sie so warm, daß man es schon mit Sohnesliebe bezeichnen konnte.

      »Ja – was mag dem armen Kinde geschehen sein –«, wiederholte er ihren letzten Satz. »Ich weiß es nicht, Frau Fröse. Sie ist die Tochter der Frau, der meine erste schwärmerische Liebe galt.«

      In den Augen der Frau blitzte es überrascht auf. Doch nur augenblicklich, dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. Und doch war es von ihm bemerkt worden.

      »Sie wissen darum, Frau Fröse?«

      »Ja, Herr Baron. Allerdings nur vom Hörensagen. Als ich nach Uhlen kam, waren Sie über die schmerzliche Angelegenheit wohl gerade hinweg.«

      »Hinweg? Nein, Frau Fröse, das war ich noch lange nicht – ich bin es wohl überhaupt nie gewesen. Ich lernte Frau Elga Jödeborg nebst Gatten und Töchterchen in Ägypten kennen, wohin mich ein Bummel durch die Welt führte. Ich hatte damals gerade mein Abitur hinter mir, und die Reise war ein Geschenk meines Vaters. Neunzehnjährig, lebensfroh und voller himmelsstürmender Ideale nahm ich schönheitstrunken in mir auf, was die Welt darbot.

      In dieser Jugendseligkeit kam mir Frau Elga in den Weg und nahm mein leicht entflammtes Herz sofort gefangen. Ich liebte diese Frau mit der ganzen Stärke meines Gefühls. Der Gatte, ein echter Friese, ließ sich meine Vergötterung für seine Frau nachsichtig lächelnd gefallen. Er nahm den jungen Fant wohl nicht ernst. Obgleich er sehr viel älter war als sie, war die Ehe gut, und das damals sechsjährige Töchterchen das Glück und die Freude der Eltern. Auch ich liebte das Kind, weil es das der vergötterten Frau war, liebte überhaupt alles, was zu diesem bezaubernden Geschöpf gehörte.

      Ich wich nicht mehr von ihrer Seite, und länger als ein Jahr bummelten wir durch die Welt. Nur der ausbrechende Krieg zwang uns, in die Heimat zurückzukehren.

      Kurze Zeit darauf hörte ich, daß Herr Jödeborg einem Herzschlag erlegen wäre. Er hatte wohl selbst nicht gewußt, wie herzkrank er war. Ich habe mich während des Trauerjahres fern von ihr gehalten. Doch als das vorüber war und ich nach einer Verwundung in die Heimat beurlaubt wurde, eilte ich zu ihr und begehrte sie stürmisch zur Gattin. Was machten die sechs Jahre Altersunterschied zwischen uns? Mir waren sie kein Hindernis, zumal die Frau in ihrer Zartheit stets so rührend jung wirkte.

      Ich werde nie den entsetzten Blick vergessen, mit dem sie meine ungestüme Werbung, verbunden mit einer noch stürmischeren Liebeserklärung, aufnahm. Sie besaß wohl nicht den Mut, den törichten Burschen abzuweisen, der ihre Güte und Herzlichkeit, die sie ihm entgegenbrachte, für Liebe gehalten hatte. Sie bat sich Bedenkzeit aus – und nahm wenige Tage später den anderen. Einen Jugendfreund, der sie schon seit langen Jahren liebte.

      Später heiratete ich die Frau, die meine Familie mir aussuchte. Alles andere wissen Sie ja.«

      Nach diesen Worten war es sekundenlang totenstill. Der Mann schien ganz gelassen, doch an der zitternden Hand, mit der er eine Zigarette in Brand steckte, merkte die Frau, daß er nicht so ruhig war, wie er vorgab. Dann legte er sich tiefer in den Sessel zurück.

      »Ich habe nichts mehr von Frau Elga gehört«, sprach er dann sachlich weiter. »Um so mehr überraschte mich der Brief, den ich vor ungefähr zwei Wochen erhielt. Ihre Tochter schrieb mir, daß sie in Not sei und ich der einzige Mensch wäre, der ihr helfen könnte.

      Dem Schreiben lag ein Brief ihrer Mutter bei. Der sollte nur dann in meine Hände gelangen, wenn Sölve in einer Bedrängnis nicht mehr aus noch ein wüßte. Darauf antwortete ich ihr, daß sie herkommen solle!«

      »Ist Frau Elga denn tot?«

      »Ja.«

      »Und wie waren Ihre finanziellen Verhältnisse?«

      »Die denkbar besten. Sie führte zu Lebzeiten ihres Mannes, ein Leben im großen Stil. Frau Elga hat sich nie einen Wunsch versagen brauchen, ihr Gatte war ein echter Globetrotter, und das Kind wurde wie eine Prinzessin erzogen.«

      »Dann wundere ich mich, wie Fräulein Jödeborg so – ich will es beim richtigen Namen nennen – so herunterkommen konnte.«

      »Ja, das ist merkwürdig. Darauf wird sie uns Antwort geben können – sofern sie mag.« Er erhob sich und trat ans Fenster

      »Der Regen hat aufgehört, da will ich noch einen kleinen Bummel durch die Wirtschaft machen. Also gute Nacht, Frau Fröse!«

      *

      Was mir das Schicksal gab,

      ich mußte zahlen

      für jeden Tag voll Glück,

      das mir beschert.

      Nun hab’ ich nichts,

      womit ich könnte prahlen,

      nichts mehr, was mir gehört.

      Die Sonnenstrahlen, die am nächsten Morgen wieder das Land überfluteten, drangen auch durch die Jalousien, die an zwei Fenstern des Schlosses herabgelassen waren, umtanzten die Schläferin, die nun schon Stunde um Stunde in ihrem daunenweichen Bett fast regungslos ruhte.

      Sie gab nicht eher Ruhe, bis ihr hellgoldener Schein den tiefen Schlaf löste.

      Blinzelnd öffnete Sölve die Augen, sah zuerst verständnislos auf die fremde Umgebung, bis sie sich auf die letzten Geschehnisse besann. Sie wußte nur noch, daß sie halb sinnlos vor Angst an Onkel Jobsts Seite im Wagen gesessen hatte, dann hatte sie irgendwo mollig und warm gelegen, und ein Männerantlitz hatte sich über sie gebeugt.

      Wie sie jedoch in dieses wundervoll weiche Bett gekommen war, das wußte sie nicht. Wahrscheinlich war sie in Schloß Uhlen, der Sehnsucht ihrer Träume.

      Sie ließ die Augen umherschweifen, und was sie in dem grünen Dämmerlicht sah, war wunderschön. Ein entzückendes Gemach, so recht geschaffen für den Geschmack verwöhnter Menschen.

      Nun entdeckte sie auch die Dame, die in einem Sessel am Fenster saß und an etwas leuchtend Buntem strickte. Wie heimelig, wie traut das alles war! Ganz wie einst zu Hause. Tief und schmerzlich seufzte sie auf, und da hob die Dame den Kopf.

      »Ich bin wach –«, sagte Sölve zögernd.

      »Na endlich, Sie kleines Murmeltier«, sagte Frau Fröse lächelnd, indem sie an das Bett trat. »Sie haben etwa eineinhalbmal um die Uhr geschlafen. Und nun werden wir das Dämmerlicht verscheuchen und die liebe Sonne hereinlassen. Oder stört es Sie?«

      »Nein.«

      Gleich darauf flutete es golden ins Zimmer, und Sölve mußte einen Augenblick die Augen schließen, so blendete sie das Sonnenlicht. Aber dann ging es wie Erschrecken über ihr Gesicht, und sie öffnete die Augen weit

      »Ich bin doch in Uhlen –?« stieß sie angstvoll hervor.

      »Ja, das sind Sie«, klang da eine weiche Stimme auf, die das geängstigte Herz so wunderbar besänftigte. »Sie sind in Uhlen – und damit in guter Hut. Und ich bin Frau Fröse und werde Sie nach Herzenslust tyrannisieren.«

      »Oh, wie schön –«, seufzte Sölve. Forschend