Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman


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Brot und Butter, Honig und Marmelade, alles gefällig und appetitlich angerichtet. In Kalmucken konnte man sich das alles nicht leisten.

      »Haben Sie denn keinen Kuchen?« erkundigte sie sich ungnädig.

      »Nur von dem, der Ihnen letztens nicht schmeckte.«

      »Na, vielleicht ist er diesmal besser geraten. Probieren könnte man ihn schon.«

      Daraufhin brachte Michael einen Teller mit Kuchen, den Frau Fränze mit der Miene einer Kennerin versuchte.

      »Hm, es geht. Er könnte aber besser sein.«

      »Vielleicht hörst du mit deinen Taktlosigkeiten bald auf, Fränze«, drohte die scharfe Stimme des Schloßherrn, und die tiefe Falte zwischen den Augen mahnte selbst diese Frau zur Vorsicht, die sich in diesem Hause Rechte anmaßte, die weit über jede Höflichkeit gingen.

      Roderich verdrückte Stücke davon, als müßte er den reichbelegten Kuchenteller unbedingt leer kriegen. Und da seine Mutter nun schwieg, ergriff er das Wort. Er sprach langsam und bedächtig, schien immer erst jedes Wort zu überlegen, das er dann wohlgefällig hervorbrachte. Man glaubte bei seinen Ansichten und Beurteilungen einen erfahrenen Menschen vor sich zu haben, keinen dreizehnjährigen Knaben. Sein Wissen betreffs der Landwirtschaft setzte wirklich in Erstaunen, und in der Schule ging er stets als Primus durch die Klassen.

      Also war Roderich der reinste Wunderknabe, und seine Mutter wußte sich vor Stolz über diesen Sohn kaum noch zu lassen. Stundenlang konnte sie über ihn reden und Zukunftspläne schmieden.

      Sie ging in ihrer Verblendung sogar soweit, überall eine Ausnahmestellung für ihn zu verlangen. Hauptsächlich in Uhlen, wo er später der Herr sein würde.

      Und das verlangte Roderich auch. Er fühlte sich hier schon ganz als Herr. Die Hausdame behandelte er mit Herablassung, was diese jedoch nicht tragisch nahm und nicht davon abhielt, diesen selbstherrlichen jungen Mann genau so zu nehmen, wie es seinem Alter entsprach.

      Schließlich fiel Frau Fränze wieder Uhlens Gast ein.

      »Wer ist denn das eigentlich da oben?« zeigte sie mit dem Finger zur Decke, wobei ihr die Neugierde förmlich aus den Augen sprang.

      »Eine Bekannte«, war seine knappe Antwort.

      »Hast du sie eingeladen?«

      »Natürlich –«

      »Und dann wird sie hier gleich krank? Da mußt du doch zusehen, daß du sie auf gute Art bald wieder los wirst.«

      »Im Gegenteil, liebe Fränze. Ich gedenke, die junge Dame recht lange in Uhlen zu behalten.«

      »Als was?«

      »Vorläufig als Gast.«

      Nun sah die Gute ihren Schwager an, als zweifele sie an seinem Verstand. Man konnte nicht gerade sagen, daß sie herzlos war, sie verfügte sogar über eine gewisse Gutmütigkeit. Aber daß man sich so etwas wie dieses Mädchen freiwillig auf den Hals lädt, das war ihr unbegreiflich.

      Als dann Roderich erschien, rüstete sie zum Aufbruch.

      »Ich bleibe hier, Mama –«, entschied das Söhnchen kurz und bündig, und die resolute Fränze wagte nicht zu widersprechen.

      »Wie kommst du dann aber nach Hause, mein Junge?« gab sie besorgt zu bedenken, worauf er nachlässig abwinkte.

      »Ich bleibe hier und fahre morgen früh von hier aus zur Schule.«

      Ratlos sah Fränze zu dem Schloßherrn hin, in dessen Augen es amüsiert aufblitzte.

      »Bist du damit einverstanden, Jobst?«

      »Was habe ich da zu sagen –«, entgegnete er in einer Art, die Frau Fränze immer auf die Nerven ging. »Roderich ist doch mein Gast. Da wäre es ja

      ungastlich, wenn ich widerreden sollte.«

      Nun war die Frau Mama hilflos wie ein kleines Kind.

      »Rodichen, so komm doch mit –«, verlegte sie sich aufs Bitten. Doch der kleine Despot ließ sie gar nicht ausreden.

      »Gib dir keine Mühe, Mama. Ich bleibe hier. Was ich mir vorgenommen habe, führe ich auch durch.«

      »Richtig –«, warf Götterun mit einem Lächeln ein, das Frau Fränze über alle Maßen niederträchtig fand.

      »Du könntest lieber auf den Jungen einwirken, daß er nicht so halsstarrig

      ist –«, verlangte sie ärgerlich. »Aber es sieht fast so aus, als wolltest du seinen Dickkopf noch bestärken und so meine Autorität untergraben.«

      »Aber, liebe Fränze – wie könnte das wohl möglich sein.«

      »Ach, mit dir ist ja nicht zu reden. Du kannst weiter nichts als ironisieren – und das aus dem Effeff. Roderich, kommst du mit –?«

      »Mama, ich bleibe hier! Mir ist nämlich in der Wirtschaft manches aufgefallen, worauf ich Onkel Jobst aufmerksam machen muß.«

      »So, so –«, amüsierte sich der Baron köstlich. »Aber meinst du nicht auch, daß ich auch ohne deine gütige Hilfe hinter diese Unstimmigkeiten kommen werde?«

      »Das glaube ich nicht, weil du dir von dem Oberinspektor zu viel vormachen läßt.«

      »Oha, mein Söhnchen, geht da deine Einmischung nicht etwas zu weit? Und nun genug gescherzt. Fahre nur ruhig mit deiner Mutter nach Hause. Uhlen wird deshalb nicht koppheister gehen.«

      Wenn der Onkel Jobst mit dieser kalten Ruhe sprach, wobei es in seinen Augen so eigentümlich aufblitzte, dann war es wohl am besten, sich seinen Wünschen zu fügen. Maulend zwar, doch ohne Widerspruch, ging er mit der Mutter.

      Götterun gab ihnen bis zum Portal das Geleit und ging dann seiner Beschäftigung nach, während sich Frau Fröse zu ihrem Pflegling begab.

      *

      Seid nicht so gut zu mir,

      ich kann es euch nicht lohnen,

      was ihr an Lieb und Güte

      mir beschert.

      Ich möchte hin, wo Ruh und

      Frieden wohnen,

      wo Himmelslicht das Leid in

      Freude klärt.

      Da sich Frau Fröse nicht ausschließlich mit Sölve beschäftigen konnte, diese aber noch viel Aufsicht brauchte, hatte man eine Frau aus dem Dorfe kommen lassen, die viel von der Krankenpflege verstand und von den Bewohnern der Umgebung gern dazu genommen wurde.

      Ohne viel zu fragen, hatte diese ihren Pflegling unter ihre Obhut genommen, und da das »Hascherchen« sie dauerte, es sogleich in ihr Herz geschlossen.

      Viel Arbeit gab es nicht bei der Rekonvaleszentin. Sie war geduldig und gehorsam. Nur wenn man sie mit dem Essen quälte, dann begehrte sie manchmal auf, was ihr jedoch nicht viel half. In diesem Kampf trug die Pflegerin Minchen stets den Sieg davon.

      Eben betrat Frau Fröse mit einem Teller voll köstlicher Pfirsiche das Zimmer. Sie setzte sich auf den Diwan, auf dem das Mädchen angekleidet lag.

      »Einen Gruß vom Herrn Baron, Sölvelein. Er hat die Pfirsiche eigenhändig gepflückt und wünscht guten Appetit. Also müssen Sie essen.«

      »Wird sie schon«, nickte Minchen zuversichtlich, indem sie eifrig an einem Strumpf strickte. Klein und verhutzelt saß das Fräulein da, in dem doch so viel Energie steckt.

      Es klopfte, und der Baron erschien. Minchen erhob sich und versank in einen regelrechten Courknicks, wobei der Herr lächelnd abwinkte. »Behalten Sie doch Platz, Minchen. Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?«

      Eilfertig schob sie einen Sessel an den Diwan, in den sich Götterun setzte. Dann erst kehrte sie zu ihrem Strumpf zurück.

      Der Mann ergriff behutsam die durchsichtig zarte Hand Sölves, die er jedoch gleich wieder losließ, weil sie in der seinen flatterte