das Gemälde fliegen, um das sie denselben Maler bei der Auktion ihres Vaters betrogen hatte. Bei anhaltender Dürre, bei Schlackerwetter und Stürmen sah sie sich als die Zielscheibe, und die Sonne brannte, die Orkane tobten, um sie der Gerechtigkeit in der Welt zu verraten. Sie erblindete einmal auf eine Viertelstunde; manchmal, wenn sie etwas anfangen oder anrühren wollte, trat plötzlich Nasenbluten ein. Es war das Walten der unsichtbaren Dämonen, Sie floh vor ihnen nach den Gräbern der von ihr Ermordeten, um sich homöopathisch vor ihnen zu retten. Aber sowie sie sich den Kirchhöfen näherte, schauerten Regengüsse nieder, und sie mußte umkehren.
Die Dämonen hielten sie indessen nicht von neuen Untaten ab. Sie befand sich nur wohl, wenn sie in ihrer Tätigkeit war. Ihre Freundin Marie, die noch fortwährend an dem Gifte zehrte, hatte einen Pflegesohn, Wilhelm Suhling, einen elfjährigen Knaben. Am 31. Januar 1828, als Marie die Gottfried besucht, freut sich diese über den wahren Johanniskopf des Knaben, aber im selben Augenblick reicht sie ihm das vergiftete Butterbrot und fragt bedeutungsvoll ihre Freundin: »Was meinst du, Marie, wenn du den einmal verlieren müßtest?« Der Knabe erkrankte, aber verwand die Schmerzen, und nach drei Wochen war sein erster Ausgang zur Tante Gottfried, um geliebkost und beklagt zu weiden. Zugleich aber empfing er gekochte Pflaumen mit Mäusebutter zur Auffrischung der Vergiftung. Er kam noch glücklich mit dem Leben davon. Auch ein junges Mädchen, welches ihr zum Geburtstag gratulierte, erhielt zum Dank Mäusebutter. Sie vergeudete und verspritzte das Gift wie eine Rasende, die mit ihrem Vorrat von Kraft zu Ende kommen will.
Die einzelnen Umstände ihrer letzten Giftgebung sind von keiner anderen Bedeutung mehr, als daß sie die Entdeckung herbeiführten. Am 5. März 1828 vergiftete sie den Speck, um Rumpf aus der Welt zu schaffen, wie sie im Verhör angab, in der Absicht, ihr Haus wiederzubekommen. – »Ich dachte, wenn alles ausstürbe, würde ich die Nächste zum Hause sein.«
Ihre letzten Vergiftungen in diesem Schreckenshause waren doppelter Art gewesen. Einmal gab sie Rumpf besondere Portionen, dann aß er auch mit bei den allgemeinen Vergiftungen, welche sie den Hausgenossen in den gewöhnlichen Mahlzeiten bereitete.
Am 6. März 1828, an ihrem Geburtstage, wurde die Gottfried mit Antritt ihres vierundvierzigsten Lebensjahres verhaftet, und die Laufbahn ihrer Verbrechen war mit dem fünfzehnten wirklich erfolgten Giftmorde und mit ungefähr (denn genau ist die Zahl nicht ermittelt worden) auch fünfzehn Vergiftungen, die keine schädlichen Folgen gehabt hatten, geschlossen. Außerdem belasteten sie als erwiesene Verbrechen wiederholter Ehebruch, Meineid, Diebstahl, Einbruch, Unterschlagungen und der Versuch, ihre Leibesfrucht abzutreiben.
Wie die Verbrecherin zum Geständnis gebracht wurde, ist schon oft angeführt worden: wie sie mitten im Bekennen zurückhielt, widerrief und gleich darauf wieder bekennen mußte, wie die entsetzlichste Angst sie durchschüttelte, weniger vor dem Bewußtsein ihrer Sündenlast und vor der göttlichen Strafe als vor der weltlichen Gerechtigkeit. Die Furcht war ihr angeborenes Erbteil. Sie fürchtete alles, was ihr sinnlich entgegentrat, das Rauschen eines Blattes, ein wildes Pferd vor dem Wagen, die scharfe Ansprache des Richters. Mehr als alles aber fürchtete sie den äußeren Schmerz der Todesstrafe, und ihr ganzes heuchlerisches Drehen und Wenden ging dahin, sich die Möglichkeit vorzuspiegeln, daß es nicht zum Ärgsten kommen werde. Daher rührt ihr Bemühen, mit sich selbst und den Richtern schön zu tun und sich in dem Lichte einer unfreiwillig Handelnden, einer von bösen Dämonen Verführten, unbewußt und unwiderstehlich Geleiteten darzustellen. Daher kommt bei den gräßlichsten Geständnissen die große Scheu, wo es einen Nebenumstand zu bekennen galt, der die Rache einer angesehenen Person oder Familie auf sie hätte herbeiziehen können, als möchte, wenn sie den oder jenen nenne oder einräume, auch ihm ein Leid zugefügt zu haben, ihre Strafe verstärkt werden. Daher bekannte sie früher die Kindermorde als die ihrer Eltern, Ehemänner und Freunde. Sie vermeinte, auf ihre Kinder ein Recht zu haben, und daß daher wegen ihrer Ermordung weniger als bei den anderen Ermordeten dritte Personen als Rächer auftreten würden. Die Sündenlast, auch als sie ausgesprochen war, drückte sie nicht nieder; vor allem aber hielt sie die Hoffnung aufrecht, daß die vornehmen Herren und die Richter, gegen welche sie so demütig war, sie mit dem Tode verschonen möchten. Sie bat und stellte anheim, ob man sie nicht zur Abbüßung ihrer so großen Vergehen im Gefängnis belassen und ihr als Strafe Magddienste in demselben auftragen wolle. Die Verzögerung der Untersuchung, die lange schwebende Pein waren ihr ein Trost; sie konnte vergnügt sein und zufrieden, daß es so wurde, wie einige der Herren ihr vorausgesagt hatten, nämlich daß der Prozeß sich auf Jahre hinausziehen werde. Ihre einzige und fürchterliche Angst war, daß doch plötzlich die Türe rasseln und der Henker eintreten möchte, um sie zum Richtplatz abzuholen. Sie zitterte nicht, wenn in ihrer Gegenwart die Leichen der von ihr Gemordeten ausgegraben wurden, der Modergeruch war nicht zu angreifend für ihre Nerven; aber sie gab sich allen Ernstes dem Gedanken hin, daß man sie mit den Leichen zusammenbinden; in eines der Gräber werfen, mit kochendem Wasser überschütten und dann lebendig begraben werde! Ja, als wilde Tiere in Bremen gezeigt wurden, zitterte sie vor der Vorstellung, die zuweilen in den Glauben überging, man werde sie dem Publikum zur Genugtuung diesen Tieren lebendig vorwerfen.
Ihre Schlauheit bewährte sich in dem von ihr angenommenen Verteidigungssystem. Mochte von dem dichterisch-philosophischen Fatalitätsspuk, der in jenen Jahren im Schwunge war, etwas in die Pelzerstraße nach Bremen gedrungen sein, daß auch die Gescha, ihrer abergläubischen Mutter Kind, davon erfahren hatte? Ihr Glaube war gewiß nicht stark, es war nur ein Mittel, die härteste Anklage von sich abzuwenden, vielleicht auch sich selbst zu stärken. Sie wollte sich darstellen als eine Unglückliche, der finstere Mächte den Trieb in ihre Wiege gelegt hatten. Mit Schlauheit wußte sie ein unbedeutendes Faktum als Motiv zu benutzen. Sie habe nämlich eine schlechte Amme gehabt, und ihre Mutter habe immer gesagt, daß des verruchten Menschen Milch ihr geschadet habe. Bei der Untersuchung ergab sich indessen nicht mehr, als daß die Amme etwas heftiger Gemütsart gewesen und einmal im Zuchthause gesessen habe.
Es lag in diesem Verteidigungssystem, daß sie die näherliegenden Motive ihrer einzelnen Taten möglichst entfernte, um immer wieder auf den unwiderstehlichen Trieb zurückzukommen. So redete sie mit der äußersten Liebe, ja Zärtlichkeit von allen ihren Opfern; sie zerfloß in Tränen, wenn sie ihrer gedachte, und dichtete den teuern, werten Personen gute Eigenschaften an, damit es unwahrscheinlicher werde, daß sie ihre Opfer bei gesunden Sinnen habe vergiften können. Selbst ihren ersten Mann, der erweislich ein Taugenichts und ein wüster Mensch gewesen war, konnte sie nicht genug wegen seiner Liebenswürdigkeit rühmen. Es gehörte die langwierigste und strengste Untersuchung dazu, um die selbstischen Beweggründe der einzelnen Verbrechen ans Licht zu stellen, um die Heuchlerin aus ihrer Schanze herauszuschlagen und wieder in die gemeine Verbrechersphäre zu treiben, in die sie gehörte. Ohne diese genauen Ermittlungen über die Motive ihrer Giftmorde und die sie begleitenden Verbrechen wäre es denkbar gewesen, daß Ärzte und Richter vereint auch ein moralisches Scheusal wie die Gottfried dem Gesetze hätten entziehen können.
Alle ihre Reue war nur Scheinwerk, Lug und Trug, vor den Menschen wie vor sich selbst. Vergebens suchten ihre Richter, ihr Verteidiger, vergebens die Geistlichen die Saat der Erkenntnis und der Buße in ihr Herz zu streuen: sie schlug nicht Wurzel, da kein Feld für sie war. Sünde und Eitelkeit hatten den fruchttragenden Boden gänzlich fortgespült. Was im Tränenwasser aufkeimte, waren Scheinblüten, die sofort wieder hinwelkten. Allerlei Heuchelei ließ sie spielen, um mit sich und den Machthabenden schön zu tun. Sie bat um die frommen, schönen Bücher und hielt sie auch aufgeschlagen vor sich, wenn jemand eintrat; es war aber in jedem Falle wahrscheinlich, daß sie nicht darin gelesen hatte.
Die Eitelkeit hielt sie auch in den Kerkermauern in ihren Ketten. Es war ein schrecklicher Moment für sie, als ein Maler sie zeichnete, sie, das eingefallene, hagere Gerippe im Friesrock. Jemand lobte beim Malen ihre Nase. »Da ist doch etwas Gutes an mir!« rief sie. Als später ein zweiter Maler ein gelungenes Bild entwarf, war sie sehr zufrieden und äußerte, nun würde sie doch nicht wieder wie das erstemal um den Spottpreis von achtzehn Groten in den Gassen ausgeboten werden. Sie schätzte es als die größte Humanität, daß man ihr vergönnt habe, statt der gewöhnlichen Gefängniskleidung ihren seidenen Jumper zu tragen, den sie auch trotz Lumpen und Flicken durch die Jahre ihrer Gefangenschaft anbehielt. Des Nachts schlief sie ohne Laken, um dieses des Morgens rein über ihr Bett breiten zu können, wenn Besuch käme.
Daß