Alexis Willibald

Morde am Fließband: Kriminalgeschichten


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einen doppelläufigen Gewehrstutzen, ein Taschenmesser, ein Stemmeisen und eine zum Dolch umgearbeitete Feile bei mir und dachte schon daran, daß ich die Krügersleute erst ermorden müßte, ehe ich sie berauben könnte. Eines Abends legte ich mich auf die Lauer, wurde aber durch den Hund des Wirtes verscheucht; am folgenden Tage jagte mich der Hund eines Feldwächters weg; am dritten Abend endlich war ich ungestört. Ich sah, wie Brandt und seine Frau zu Bett gingen, und wartete noch etliche Stunden, bis ich annehmen durfte, daß sie fest schliefen. Nun erbrach ich mit Hilfe des Stemmeisens das Fenster zur Häckselkammer und stieg ein. Die Tür zum Hausflur war aber verschlossen, ich mußte mir daher einen anderen Eingang bahnen und versuchte es, von der Längsseite des Hauses aus durch die Küchenkammer einzudringen. Ich zerbrach einen vor dem Fenster angebrachten Holzstab, öffnete beide Fensterflügel und schwang mich hinein. Die Tür zum Flur war von außen verriegelt, ich mußte deshalb zum zweitenmal den Rückzug antreten. Ich stellte nun im Löwing eine Schneidebank unter das Fenster der Polterkammer, hob es heraus und sprang in die Kammer. Die von hier nach dem Hausflur gehende Tür war unverschlossen, ich machte vor allen Dingen auch die Haustür von innen auf, damit ich jeden Augenblick den Rücken frei hatte, dann schlich ich leise nach der Küche, zündete da meine Pfeife an und erblickte beim Scheine des Schwefelhölzchens ein Beil, das ich an mich nahm. Durch die Gaststube kam ich in die Schlafkammer. Hier brannte ich wieder ein Schwefelholz an, erhob das Beil und zerschmetterte erst dem Mann und dann der Frau den Kopf. Brandt rief: »Spitz, komm her!« In diesem Augenblick fuhr ein Hund auf mich los, ich versetzte dem Krüger einen zweiten Schlag und scheuchte den Spitz unter das Bett zurück. Hierauf hing ich die Fenster zu, zündete ein Stearinlicht an, das ich mitgebracht hatte, schnitt dem Mann und der Frau mit einem Messer die Kehle ab und durchsuchte die Kleider, die Wäsche und die Schränke. Der Pächter mußte Michaelis seinen Pachtschilling von sechzig Talern bezahlen, und ich hoffte, daß er diese Summe vorrätig haben würde; diese Hoffnung wurde indes enttäuscht; ich fand nur etwas über sechs Taler. Das Geld, eine Flasche mit Branntwein, eine Pistole und etliche Zigarren nahm ich zu mir. Ich gestehe, daß ich die Leichen aus den Betten gezogen, das Bettstroh durchwühlt und den Körper der Frau geschändet habe. Wenn eine Taschenuhr in jener Nacht abhanden gekommen ist, so vermag ich es nicht zu erklären, ich habe keine entwendet. Ich versichere, daß ich allein und ohne die Hilfe eines Gefährten den Mord verübt habe, insbesondere ist der Bruder der Frau Brandt, Karl Liebig, nicht dabei gewesen. Ich war viel zu sehr darauf bedacht, das Geheimnis über mein Tun und Treiben zu bewahren, als daß ich irgend jemand in meine Pläne eingeweiht hätte. Auch würde ich in Gegenwart eines Zeugen meiner Sinnenlust an der weiblichen Leiche nicht haben frönen können.

      Nach vollführter Tat eilte ich zurück in meine Höhle; ich brach so zeitig auf, daß ich den Wald bereits erreicht hatte, ehe noch der Morgen graute.

      Im Oktober 186o richtete ich mein Augenmerk auf das zwischen Soldin und Lippehne liegende Dorf Adamsdorf. Den Tag über verbarg ich mich im Glasower Busche, am Abend wagte ich mich heraus und begegnete auf der Chaussee einer Frauensperson, die einen Korb trug, an dessen Henkel ein Paar Stiefel hingen. Ich knüpfte ein Gespräch an und gab ihr zu verstehen, daß ich Wohlgefallen an ihr fände und mich ihre Reize entflammt hätten. Da sie mir nicht gutwillig ihre Gunst gewähren wollte, packte ich sie an, drückte ihr mit beiden Händen den Hals 7 zusammen, schleppte sie eine Strecke seitwärts und erdrosselte sie mit einem Strick, den ich in der Tasche hatte. Die Tote mußte mir gestatten, was mir von der Lebenden verweigert worden war. In ihrem Korbe fand ich einige Pflaumen, die verzehrte ich mit dem größten Appetit und schritt dann unverweilt dazu, den Diebstahl, den ich mir für diese Nacht vorgenommen hatte, auszuführen.

      Im nächsten Winter wohnte ich in meiner Höhle, die ich mir immer bequemer einrichtete, ganz erträglich; sie war gemütlicher als die erste und die Luft darin weit besser, weil ich durch zahlreiche Löcher, die außen unter Wurzeln und Bäumen mündeten, eine genügende Ventilation hergestellt hatte. Meine Vorräte schützten mich vor Hunger und Durst, gegen den Frost deckte ich mich durch wärmere Kleidungsstücke, an die Einsamkeit und an das freie unstete Räuberleben war ich gewöhnt und wünschte kaum eine Änderung dieses Lebens herbei. Nur eins fehlte mir: weibliche Gesellschaft. Es war mein sehnlichstes Verlangen, daß ich einmal einem weiblichen Wesen begegnen möchte, das ich mir geneigt machen, in mein Geheimnis einweihen und mit in meine Höhle nehmen könnte. Ich baute mir oft Luftschlösser und malte mir mit den schönsten Farben aus, wie glücklich ich an der Seite einer Frau in meiner unterirdischen Residenz sein würde. Ich fand aber niemals Gelegenheit, meinen schönen Traum zu verwirklichen, er blieb ein leeres Phantasiegebilde. Dennoch empfing ich in meiner Häuslichkeit einige Male weiblichen Besuch.

      Meine Schwägerin, mit der ich längst wieder ausgesöhnt war, kam mit Vorwissen ihres Mannes von Zeit zu Zeit zu mir. Wenn sie in der Nähe der Höhle angelangt war, gab sie das zwischen Martin und mir verabredete Zeichen, ich stieg dann auf der Leiter, die mir als Treppe diente, empor, hob den Deckel ab, der die Eingangspforte verschloß, und geleitete meinen Gast hinab in meine dunkle Behausung. Sie brachte mir stets etwas mit, namentlich versah sie mich mit gekochten Speisen; nachdem sie etliche Stunden mit mir geplaudert hatte, beschenkte ich sie mit Geld und anderen Dingen und führte sie auf dem Wege, den sie gekommen war, zurück. Mit meinem Bruder zusammen ist sie niemals bei mir gewesen.

      An Schönow, wohin Martin gezogen war, stattete ich gelegentlich meine Gegenbesuche ab. Ich ging immer nur des Nachts, nachdem ich genau ausgekundschaftet hatte, und mit geladenem Gewehr dorthin. Außer meinen Verwandten hat niemand etwas von der Höhle gewußt.

      Als der Winter vorüber war und der März des Jahres 1861 herankam, machte ich einen Angriff auf das Haus eines jüdischen Kaufmanns in Dobberphul, das ich mir bei früheren Patrouillen angesehen hatte. Ich war darauf gefaßt, daß ich, um zu dem Gelde des Mannes zu kommen, einen oder mehrere Menschen ermorden müßte, und versah mich deshalb mit Beil und Gewehr, als ich ausrückte. In Dobberphul angelangt, holte ich aus der Nachbarschaft eine Leiter, lehnte sie an der Giebelseite des Hauses an ein Fenster, stieg ein und suchte nun vor allen Dingen die Haustür aus und öffnete sie, um mir den Rückzug zu sichern. In der einen Hand trug ich das Beil, die andere legte ich schon an den Griff der Stubentür, da vernahm ich ein Geräusch. Ich hatte mir zum Grundsatz gemacht, mich nie mutwillig in Gefahr zu begeben und stets die Flucht zu ergreifen, wenn ich mich nicht ganz sicher wußte. So tat ich auch hier und wandte mich zurück in den Wald. Um jene Zeit hatte ich außer meiner Höhle noch ein zweites Absteigequartier: das unbewohnte Försterhaus zwischen Deetz und Trampe. Die Fenster waren herausgenommen und das Gebäude etwas verfallen. Wenn mir der Weg bis Warsin zu weit war, suchte ich das Forsthaus auf und logierte den Tag über auf dem Boden. Anfang Mai blieb ich fast immer dort, um näher an Chursdorf zu sein, auf das ich es jetzt abgesehen hatte. Am 5. Mai, einem Sonntag, ging ich am hellichten Tage frank und frei durch Chursdorf und auf dem Wege weiter bis zum Gehöft des Müllers Baumgart. Da ich seit fünf Jahren unter der Erde gelebt hatte, so glaubte ich, auch einmal im Sonnenschein einen Gang riskieren zu können, und überdies lag mir daran, recht gründlich zu beobachten und mich genau zu orientieren. An den nächsten Abenden schlich ich unausgesetzt um das Mühlengehöft herum und prägte mir die Örtlichkeiten fest ein. Ich sah immer nur den Müller, seine Frau und die Magd. Ein Kind bemerkte ich nicht, und ich war der Meinung, daß jene drei Personen das Haus allein bewohnten. Baumgart sollte ein reicher Mann sein, mich lockte seine gefüllte Kasse, und ich beschloß, die Mühle zu überfallen, die Müllersleute und das Dienstmädchen zu erschlagen und dann Kisten und Kasten zu plündern. Den 10. Mai bestimmte ich zur Ausführung der Tat. Im Försterhause bei Trampe hatte ich eine kleine Niederlage von Wein und Kognak, ich trank davon eine tüchtige Portion, steckte Messer, Zange, Bohrer und Stemmeisen in die Tasche, nahm meinen doppelläufigen Stutzen zur Hand, an dessen Ende ich meinen Dolch als Bajonett befestigte, und steckte das Beil in einen als Gürtel um den Leib gebundenen Strick. Die Fenster der Mühle waren bei meiner Ankunft noch erleuchtet, ich wartete deshalb einige Zeit und begab mich nach dem nahen Tagelöhnerhause, um dort Ausschau zu halten.

      Als die Mitternachtsstunde da war, zog ich meine Stiefel aus und stieg an der hinteren Seite des Hofes auf einen Zaun. Eine Hundehütte lag vor mir, und der Hund schlug an, eilig sprang ich herab, steckte ein Anzahl kleiner Steine in meine Tasche und kletterte über den Torweg, den ich von innen öffnete, um die etwa nötig werdende Flucht zu decken. Einer der Hunde knurrte, ich brachte ihn indes durch Steinwürfe