Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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in mir begann es zu dämmern. Außerdem war es nun schon zu spät, das Geschäft war gemacht, und Karlemann brachte aus seiner unerschöpflichen Hosentasche schon wieder etwas anderes zum Vorschein, so ein Männchen, in jeder Hand eine Schelle, und wenn man es auf den Bauch drückt, dann schlägt es die Schellen zusammen und quäkt dazu.

       »Snob?«

      Jawohl -snob – und diesmal kam das Pantherfell mit dem Goldsaum daran.

      Kurz und gut, innerhalb einer halben Stunde hatte mein kleiner Karlemann den schwarzen Fürsten splitterfasernackt ausgezogen. Nur das winzige Schürzchen hatte Seine Majestät noch an, und wäre da etwas Wertvolles daran gewesen, dann hätte Karlemann ihm auch das noch ausgezogen. Sonst alles weg! Die Ringe hatte er ihm aus den Ohren herausgekaupelt. Und der Häuptling hatte für Zepter, Krone und Stern und allen übrigen Klimbim nichts weiter erhalten als ein halbes Dutzend kleiner Püppchen und dergleichen Spielzeug – oder genau sieben Stück – Stück für Stück einen Groschen.

      Dann ging er. Selig!

      Wir hörten noch draußen das Zappelmännchen quäken und tschintschin machen.

      ICH BEKOMME DIE WAHRHEIT ZU HÖREN UND GLAUBE SIE NICHT.

       Inhaltsverzeichnis

      »Na, Blodwen, was sagst du nun dazu?«

      Wir befanden uns beide allein in der schon erleuchteten Kajüte.

      »Es geschehen noch immer Zeichen und Wunder!« entgegnete Blodwen in Ekstase.

      Sie war viel aufgeregter als ich. Ich hatte mich schon vollkommen wieder beruhigt. Das vorhin war nur so eine Redensart gewesen.

      Der Präsident hatte ganz recht gehabt. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, und der Häuptling, der den Wein doch immer wieder ausgespukt, hatte für die Spielsachen wirklich nicht mehr bezahlt, als sie ihm wert waren.

      Wann ist in Südafrika das Vorkommen von Diamanten entdeckt worden? Ich weiß es nicht genau. Damals jedenfalls hatte man noch keine Ahnung davon. Und einige Jahre später, also noch nach jener Zeit, sind nicht im Innern Afrikas, sondern ganz dicht an großen Städten noch ganz andere Geschäfte gemacht worden, da hat noch mancher Händler für ein Glas voll Schnaps dasselbe Glas von einem Kaffern mit Diamanten gefüllt bekommen!!

      Hier lag freilich ein etwas anderer Fall vor, und doch schließlich mit jenem ganz vergleichbar.

      Es war eben ein neues Ei des Kolumbus, welches der geriebene Junge da gelegt hatte. So viel mir bewußt, war noch kein anderer auf die Idee gekommen, den Eingeborenen Afrikas und anderer Länder solche sogenannte Nürnberger Spielsachen als Tauschartikel anzubieten.

      Und das war bei dem Jungen nicht etwa so ein Zufall gewesen, er hatte also nicht nur so ein paar Spielsachen in der Tasche gehabt. Wie ich mich inzwischen bereits überzeugt, hatte er die ganzen Blechkisten, in denen ich erst Proviant vermutete, voll lauter solchen automatischen Spielsachen. Er hatte sie in Hamburg dutzendweise bei einem Engroshändler gekauft, und ich wußte auch schon, daß morgen oder vielleicht noch heute abend der Tauschhandel nun noch um dem Gefolge des Häuptlings beginnen sollte, und gab es doch auch in Monrovia reiche Schwarze genug, und selbst der Aermste konnte noch zur Genüge ausgeplündert werden, denn mochten die Eingewanderten solches Zeug schon von Amerika aus kennen, in Monrovia selbst gab es so etwas jedenfalls noch nicht.

      Woher das kommt? Du lieber Gott! Als ich vor zehn Jahren zum ersten Male als Schiffsjunge nach England gekommen war, da wurden auf den Straßen schon die Bananen wie bei uns die Aepfel verkauft, spottbillig, und in Deutschland bekam man überhaupt noch gar keine Banane zu sehen, und so ist es wohl noch heute, da ich dies als alter Mann in meinem Leuchturm schreibe. Damals aber traf dies sogar noch bei den Apfelsinen zu.

      Hierüber, wie für solch billiges Spielzeug derartige Kostbarkeiten hingegeben werden können, ist also kein Wort mehr zu verlieren, höchstens noch, daß der schwarze Fürst in dieser Hinsicht eben ganz einem Kinde glich, welches doch auch lieber mit einem Püppchen spielt als mit einem Steinchen, mögen diese auch noch so schillern und bunt sein.

      Aber wie lange würde die Periode derartiger Tauschgeschäfte dauern? Höchstens vierzehn Tage. Ganz Monrovia hatte unterdessen schon erfahren, wie Kididimo ausgeplündert worden war, alle, nicht nur die Händler, waren in fieberhafte Aufregung versetzt worden, ähnlich dem Goldfieber Kaliforniens, und da waren genug spekulative Engländer und Yankees vorhanden, Monrovia war schon damals telegraphisch verbunden, es wurde bereits eifrigst gekabelt, nicht nach Nürnberg, sondern nach den nächsten Städten, wo man solche Spielsachen bei Händlern vermuten konnte – – kurz und gut, schon in vierzehn Tagen würden all diese afrikanischen Küsten mit derartigen Sachen überschwemmt sein, einige hundert Prozent, das genügt ja auch schon, bis diese unschuldigen Eingeborenen nicht viel mehr dafür bezahlen würden als an der Stätte der Fabrikation, und dann wollten sie selbst nichts mehr von dem Spielzeug wissen, würden es höchstens noch für ihre Kinder kaufen, Stück für Stück eine Kokosnuß.

      So geht es immer und überall, das ist bei den modernen Verkehrseinrichtungen der Welt Lauf.

      Dieser deutsche Zigeunerjunge aber hatte das Fett abgeschöpft, und so etwa vierzehn Tage konnte er auch noch weiter schöpfen.

      Hierüber hatten wir uns unterhalten.

      »Der Junge hat seinen Beruf verfehlt, der hätte Finanzminister werden sollen,« meinte ich.

      »So? Ich glaube gerade, das dies die einzig richtige Laufbahn ist, die er ergriffen hat, oder auf die er vielmehr durch Neigung gedrängt worden ist, und ich möchte fast annehmen, daß er noch mehr solche Ueberraschungen in Bereitschaft hat.«

      Da hatte nun wieder Blodwen recht. Es war ja auch von mir nur so ein Wort gewesen.

      »Was wird er mit dem Schmuck anfangen?« fragte Blodwen. »Ich würde ihn gern kaufen.«

      Ein schwarzer Bote kam, brachte an mich einen Brief von der Senorita Calioni, die in einem französischen Hotel abgestiegen war. In impertinentem Tone teilte sie mir mit, sie habe erfahren, daß der Käufer, der auf ihre Jacht hinübergegangen war, ja nur ein Junge sei, und sie fordere sofort ihre 50 000 Dollar von mir, der ich garantiert hätte.

      Karlemann befand sich noch in seiner früheren Kabine bei seinen Sachen, er wurde geholt, und ganz von selbst begann er wegen des Verkaufes der Kleinodien. Hierbei war auch Doktor Selo zugegen.

      »Mit einigem Rat kann ich Ihnen wohl dienen, soweit eine Abschätzung solcher Schmucksachen überhaupt möglich ist. Mein Onkel, bei dem ich erzogen wurde, war Juwelier, er hatte mich zu seinem Nachfolger bestimmt, ein Jahr habe ich in seinem Geschäft gelernt, und ich soll für Goldschmuck und Juwelen ein sehr guter Taxator gewesen sein.«

      Es war ja eben nur eine ungefähre Schätzung möglich, von einem Liebhaber- und selbst Kunstwert mußte ganz abgesehen werden. Etwa wie im Leihhaus, und als Doktor Selo seinen geputzten Klemmer wieder auf die krumme Nase gesetzt hatte und die Kleinodien eingehend betrachtete, machte er mir auch ganz den Eindruck solch eines Leihhausjuden.

      Den Elfenbeinstab allein schätzte er auf 75 000 Dollar, die Halskette mit allem Anhang auf 100 000, die Arm- und Fußspangen und Ringe schätzte er summarisch ab, unter den Ringen sofort einen Diamanten als falsch erkennend.

      »Daß darunter falsche Steine sein können, erschwert die Sache ungemein. Aber … nun … ich würde das Ganze, wenn ich kein besonderes Geschäft durch Wiederverkauf machen will, nur mit zehn Prozent rechne, mit rund fünfmalhunderttausend Dollar beleihen.«

      Und Doktor Selo nahm den Klemmer ab, um ihn noch einmal zu putzen.

      Wieder beschlich mich ein fast ängstliches Gefühl. Ich dachte daran, was für eine Menge Geld es doch in der Welt gibt, was für ein ungeheueres Vermögen dieser nackte Negerhäuptling doch nur so als Putz mit sich herumgeschleppt hatte, und ich dachte daran, wie dieser zwölfjährige Sohn eines armen Dorfschmiedes mit einem Schlage plötzlich ein doppelter Millionär