verloren gehe. Deshalb beruht der gute Stil hauptsächlich darauf, daß man wirklich etwas zu sagen habe: bloß diese Kleinigkeit ist es, die den meisten Schriftstellern unsrer Tage abgeht und dadurch Schuld ist an ihrem so schlechten Vortrage. Besonders aber ist der generische Charakter der philosophischen Schriften dieses Jahrhunderts das Schreiben, ohne eigentlich etwas zu sagen zu haben: er ist ihnen allen gemeinsam und kann daher auf gleiche Weise am Salat, wie am Hegel, am Herbart, wie am Schleiermacher studirt werden. Da wird, nach homoiopathischer Methode, das schwache Minimum eines Gedankens mit 50 Seiten Wortschwall diluirt und nun, mit gränzenlosem Zutrauen zur wahrhaft deutschen Geduld des Lesers, ganz gelassen, Seite nach Seite, so fortgeträtscht. Vergebens hofft der zu dieser Lektüre verurtheilte Kopf auf eigentliche, solide und substantielle Gedanken: er schmachtet, ja, er schmachtet nach irgend einem Gedanken, wie der Reisende in der arabischen Wüste nach Wasser, – und muß verschmachten. Nun nehme man dagegen irgend einen wirklichen Philosophen zur Hand, gleichviel aus welcher Zeit, aus welchem Lande, sei es Platon oder Aristoteles, Kartesius, oder Hume, Malebranche, oder Locke, Spinoza, oder Kant: immer begegnet man einem schönen und gedankenreichen Geiste, der Erkenntniß hat und Erkenntniß wirkt, besonders aber stets redlich bemüht ist, sich mitzutheilen; daher er dem empfänglichen Leser, bei jeder Zeile, die Mühe des Lesens unmittelbar vergilt. Was nun die Schreiberei unserer Philosophaster so überaus gedankenarm und dadurch marternd langweilig macht ist zwar, im letzten Grunde, die Armuth ihres Geistes, zunächst aber Dieses, daß ihr Vortrag sich durchgängig in höchst abstrakten, allgemeinen und überaus weiten Begriffen bewegt, daher auch meistens nur in unbestimmten, schwankenden, verblasenen Ausdrücken einherschreitet. Zu diesem aerobatischen Gange sind sie aber genöthigt; weil sie sich hüten müssen, die Erde zu berühren, als wo sie, auf das Reale, Bestimmte, Einzelne und Klare stoßend, lauter gefährliche Klippen antreffen würden, an denen ihre Wort-Dreimaster scheitern könnten. Denn statt Sinne und Verstand fest und unverwandt zu richten auf die anschaulich vorliegende Welt, als auf das eigentlich und wahrhaft Gegebene, das Unverfälschte und an sich selbst dem Irrthum nicht Ausgesetzte, durch welches hindurch wir daher in das Wesen der Dinge einzudringen haben, – kennen sie nichts, als nur die höchsten Abstraktionen, wie Seyn, Wesen, Werden, Absolutes, Unendliches, u. s. f., gehen schon von diesen aus und bauen daraus Systeme, deren Gehalt zuletzt auf bloße Worte hinausläuft, die also eigentlich nur Seifenblasen sind, eine Weile damit zu spielen, jedoch den Boden der Realität nicht berühren können, ohne zu platzen.
Wenn, bei allen Dem, der Nachtheil, welchen die Unberufenen und Unbefähigten den Wissenschaften bringen, bloß dieser wäre, daß sie darin nichts leisten; wie es in den schönen Künsten hiebei sein Bewenden hat; so könnte man sich darüber trösten und hinwegsetzen. Allein hier bringen sie positiven Schaden, zunächst dadurch, daß sie, um das Schlechte in Ansehn zu erhalten, Alle im natürlichen Bunde gegen das Gute stehn und aus allen Kräften bemüht sind, es nicht aufkommen zu lassen. Denn darüber täusche man sich nicht, daß, zu allen Zeiten, auf dem ganzen Erdenrunde und in allen Verhältnissen, eine von der Natur selbst angezettelte Verschwörung aller mittelmäßigen, schlechten und dummen Köpfe gegen Geist und Verstand existirt. Gegen diese sind sie sämmtlich getreue und zahlreiche Bundesgenossen. Oder ist man etwan so treuherzig, zu glauben, daß sie vielmehr nur auf die Ueberlegenheit warten, um solche anzuerkennen, zu verehren und zu verkündigen, um danach sich selbst so recht zu nichts herabgesetzt zu sehn? – Gehorsamer Diener! Sondern: tantum quisque laudat, quantum se posse sperat imitari. Stümper, und nichts als Stümper, soll es geben auf der Welt; damit wir auch etwas seien! Dies ist ihre eigentliche Losung, und die Befähigten nicht aufkommen zu lassen ein ihnen so natürlicher Instinkt, wie der der Katze ist, Mäuse zu fangen. Man erinnere sich auch hier der am Schlusse der vorhergegangenen Abhandlung beigebrachten schönen Stelle Chamfort’s. Sei doch ein Mal das öffentliche Geheimniß ausgesprochen; sei das Mondkalb ans Tageslicht gezogen; so seltsam auch es sich in demselben ausnimmt: allezeit und überall, in allen Lagen und Verhältnissen, haßt Beschränktheit und Dummheit nichts auf der Welt so inniglich und ingrimmiglich, wie den Verstand, den Geist, das Talent. Daß sie sich hierin stets treu bleibt, zeigt sie in allen Sphären, Angelegenheiten und Beziehungen des Lebens, indem sie überall jene zu unterdrücken, ja, auszurotten und zu vertilgen bemüht ist, um nur allein dazuseyn. Keine Güte, keine Milde kann sie mit der Ueberlegenheit der Geisteskraft aussöhnen. So ist es, steht nicht zu ändern, wird auch immer so bleiben. Und welche furchtbare Majorität hat sie dabei auf ihrer Seite! Dies ist ein Haupthinderniß der Fortschritte der Menschheit in jeder Art. Wie nun aber kann es, unter solchen Umständen, hergehn auf dem Gebiete, wo nicht ein Mal, wie in andern Wissenschaften, der gute Kopf, nebst Fleiß und Ausdauer, ausreicht, sondern ganz eigenthümliche, sogar nur auf Kosten des persönlichen Glückes vorhandene Anlagen erfordert werden? Denn wahrlich, die uneigennützigste Aufrichtigkeit des Strebens, der unwiderstehliche Drang nach Enträthselung des Daseyns, der Ernst des Tiefsinns, der in das Innerste der Wesen einzudringen sich anstrengt, und die ächte Begeisterung für die Wahrheit, – dies sind die ersten und unerläßlichen Bedingungen zu dem Wagestücke, von Neuem hinzutreten vor die uralte Sphinx, mit einem abermaligen Versuch, ihr ewiges Räthsel zu lösen, auf die Gefahr, hinabzustürzen, zu so vielen Vorangegangenen, in den finstern Abgrund der Vergessenheit.
Ein fernerer Nachtheil, den, in allen Wissenschaften, das Treiben der Unberufenen bringt, ist, daß es den Tempel des Irrthums aufbaut, an dessen nachheriger Niederreißung gute Köpfe und redliche Gemüther bisweilen ihre Lebenszeit hindurch sich abzuarbeiten haben. Und nun gar in der Philosophie, im allgemeinsten, wichtigsten und schwierigsten Wissen! Will man hiezu specielle Belege, so bringe man sich das scheußliche Beispiel der Hegelei vor Augen, jener frechen Afterweisheit, welche, an die Stelle des eigenen, besonnenen und redlichen Denkens und Forschens, als philosophische Methode die dialektische Selbstbewegung der Begriffe setzte, also ein objektives Gedankenautomaton, welches frei in der Luft, oder im Empyreum, seine Gambolen auf eigene Hand mache, deren Spuren, Fährten, oder Ichnolithen die Hegel’schen und Hegelianischen Skripturen wären, welche doch vielmehr nur etwas unter sehr flachen und dickschaligen Stirnen Ausgehecktes und, weit entfernt ein absolut Objektives zu seyn, etwas höchst Subjektives, noch dazu von sehr mittelmäßigen Subjekten Erdachtes sind. Danach aber betrachte man die Höhe und Dauer dieses Babelbaues und erwäge den unberechenbaren Schaden, den eine solche, durch äußere, fremdartige Mittel der studirenden Jugend aufgezwungene, absolute Unsinnsphilosophie dem an ihr herangewachsenen Geschlechte und dadurch dem ganzen Zeitalter hat bringen müssen. Sind nicht unzählige Köpfe der gegenwärtigen Gelehrtengeneration dadurch von Grund aus verschroben und verdorben? Stecken sie nicht voll korrupter Ansichten und lassen, wo man Gedanken erwartet, hohle Phrasen, nichtssagendes Wischiwaschi, ekelhaften Hegeljargon vernehmen? Ist ihnen nicht die ganze Lebensansicht verrückt und die platteste, philisterhafteste, ja, niedrigste Gesinnung an die Stelle der edlen und hohen Gedanken, welche noch ihre nächsten Vorfahren beseelten, getreten? mit Einem Worte, steht nicht die am Brütofen der Hegelei herangereifte Jugend da, als am Geiste kastrirte Männer, unfähig zu denken und voll der lächerlichsten Präsumtion? wahrlich, am Geiste so beschaffen, wie am Leibe gewisse Thronerben, welche man weiland durch Ausschweifungen, oder Pharmaka, zur Regierung, oder doch zur Fortführung ihres Stammes, unfähig zu machen suchte; geistig entnervt, des regelrechten Gebrauchs ihrer Vernunft beraubt, ein Gegenstand des Mitleids, ein bleibendes Thema der Vaterthränen. – Nun aber höre man noch von der andern Seite, welche anstößigen Urtheile über die Philosophie selbst und überhaupt, welche ungegründete Vorwürfe gegen sie laut werden. Bei näherer Untersuchung findet sich dann, daß diese Schmäher unter Philosophie eben nichts anderes, als das geistlose und absichtsvolle Gewäsche jenes elenden Scharlatans und das Echo desselben in den hohlen Köpfen seiner abgeschmackten Verehrer verstehn: Das meynen sie wirklich, sei Philosophie! Sie kennen eben keine andere. Freilich ist beinahe die ganze jüngere Zeitgenossenschaft von der Hegelei, gleich wie von der Franzosenkrankheit, infizirt worden; und wie dieses Uebel alle Säfte vergiftet, so hat jene alle ihre Geisteskräfte verdorben; daher die jüngeren Gelehrten heut zu Tage meistens keines gesunden Gedankens, auch keines natürlichen Ausdrucks mehr fähig sind. In ihren Köpfen ist nicht bloß kein einziger richtiger, sondern auch nicht ein Mal ein einziger deutlicher und bestimmter Begriff von irgend etwas vorhanden; der wüste, leere Wortkram hat ihre Denkkraft aufgelöst und verschwemmt. Dazu kommt noch, daß das Uebel der Hegelei nicht minder schwer auszutreiben ist, als die soeben damit verglichene Krankheit, wenn es ein Mal recht eingedrungen ist in succum et