wobei es nothwendig wird, das entgegenstehende Wahre, Aechte und Werthvolle zu unterdrücken. Solchen Künsten aber ist kein Mensch weniger gewachsen, als ein wirklicher Philosoph, der etwan mit seiner Sache unter das Treiben dieser Gewerbsleute gerathen wäre. – Den schönen Künsten, selbst der Poesie, schadet es wenig, daß sie auch zum Erwerbe dienen: denn jedes ihrer Werke hat eine gesonderte Existenz für sich, und das Schlechte kann das Gute so wenig verdrängen, wie verdunkeln. Aber die Philosophie ist ein Ganzes, also eine Einheit, und ist auf Wahrheit, nicht auf Schönheit gerichtet: es giebt vielerlei Schönheit, aber nur eine Wahrheit; wie viele Musen, aber nur eine Minerva. Eben deshalb darf der Dichter getrost verschmähen, das Schlechte zu geisseln: aber der Philosoph kann in den Fall kommen, dies thun zu müssen. Denn das zur Geltung gelangte Schlechte stellt sich hier dem Guten geradezu feindlich entgegen, und das wuchernde Unkraut verdrängt die brauchbare Pflanze. Die Philosophie ist, ihrer Natur nach, exklusiv: sie begründet ja die Denkungsart des Zeitalters: daher duldet das herrschende System, wie die Söhne der Sultane, kein anderes neben sich. Dazu kommt, daß hier das Urtheil höchst schwierig, ja, schon die Erlangung der Data zu demselben mühevoll ist. Wird hier, durch Kunstgriffe, das Falsche in Cours gebracht und überall, als das Wahre und Aechte, von belohnten Stentorstimmen ausgeschrieen; so wird der Geist der Zeit vergiftet, das Verderben ergreift alle Zweige der Litteratur, aller höhere Geistesaufschwung stockt, und dem wirklich Guten und Aechten in jeder Art ist ein Bollwerk entgegengesetzt, das lange vorhält. Dies sind die Früchte der φιλοσοφια μισθοφορος. Man sehe, zur Erläuterung, den Unfug, der seit Kant mit der Philosophie getrieben und was dabei aus ihr geworden ist. Aber erst die wahre Geschichte der Hegelschen Scharlatanerie und der Wege ihrer Verbreitung wird einst die rechte Illustration zu dem Gesagten liefern.
Diesem Allen zufolge wird Der, dem es nicht um Staatsphilosophie und Spaaßphilosophie, sondern um Erkenntniß und daher um ernstlich gemeinte, folglich rücksichtslose Wahrheitsforschung zu thun ist, sie überall eher zu suchen haben, als auf den Universitäten, als wo ihre Schwester, die Philosophie ad normam conventionis, das Regiment führt und den Küchenzettel schreibt. Ja, ich neige mich mehr und mehr zu der Meinung, daß es für die Philosophie heilsamer wäre, wenn sie aufhörte, ein Gewerbe zu seyn, und nicht mehr im bürgerlichen Leben, durch Professoren repräsentirt, aufträte. Sie ist eine Pflanze, die wie die Alpenrose und die Fluenblume, nur in freier Bergluft gedeiht, hingegen bei künstlicher Pflege ausartet. Jene Repräsentanten der Philosophie im bürgerlichen Leben repräsentiren sie meistens doch nur so, wie der Schauspieler den König. Waren etwan die Sophisten, welche Sokrates so unermüdlich befehdete und die Platon zum Thema seines Spottes macht, etwas Anderes, als Professoren der Philosophie und Rhetorik? Ja, ist es nicht eigentlich jene uralte Fehde, welche, seidem nie ganz erloschen, noch heute von mir fortgeführt wird? Die höchsten Bestrebungen des menschlichen Geistes vertragen sich nun ein Mal nicht mit dem Erwerb: ihre edele Natur kann sich damit nicht amalgamiren. – Allenfalls möchte es mit der Universitätsphilosophie noch hingehn, wenn die angestellten Lehrer derselben ihrem Beruf dadurch zu genügen dächten, daß sie, nach Weise der anderen Professoren, das vorhandene, einstweilen als wahr geltende Wissen ihres Faches an die heranwachsende Generation weiter gäben, also das System des zuletzt dagewesenen wirklichen Philosophen ihren Zuhörern treu und genau auseinandersetzten und ihnen die Sachen klein kauten: – Das gienge, sage ich, allenfalls, wenn sie dazu nur soviel Urtheil, oder wenigstens Takt, mitbrächten, nicht bloße Sophisten, wie z. B. einen Fichte, einen Schelling, geschweige einen Hegel, auch für Philosophen zu halten. Allein nicht nur fehlt es in der Regel ihnen an besagten Eigenschaften, sondern sie sind in dem unglücklichen Wahne befangen, es gehöre zu ihrem Amte, daß auch sie selbst die Philosophen spielten und die Welt mit den Früchten ihres Tiefsinns beschenkten. Aus diesem Wahne gehen nun jene so kläglichen, wie zahlreichen Produktionen hervor, in welchen Alltagsköpfe, ja mitunter solche, die nicht ein Mal Alltagsköpfe sind, die Probleme behandeln, auf deren Lösung seit Jahrtausenden die äußersten Anstrengungen der seltensten, mit den außerordentlichsten Fähigkeiten ausgerüsteten, ihre eigene Person über die Liebe zur Wahrheit vergessenden und von der Leidenschaft des Strebens nach Licht mitunter bis in den Kerker, ja, auf’s Schafott getriebenen Köpfe gerichtet gewesen sind; Köpfe, deren Seltenheit so groß ist, daß die Geschichte der Philosophie, welche, seit dritthalbtausend Jahren neben der Geschichte der Staaten, als ihr Grundbaß, hergeht, kaum 1/100 so viele namhafte Philosophen aufzuweisen hat, als die Staatengeschichte namhafte Monarchen: denn es sind keine andern, als die ganz vereinzelten Köpfe, in welchen die Natur zu einem deutlicheren Bewußtseyn ihrer selbst gekommen war, als in andern. Eben diese aber stehn der Gewöhnlichkeit und der Menge so fern, daß den meisten erst nach ihrem Tode, oder höchstens im späten Alter, eine gerechte Anerkennung geworden ist. Hat doch z. B. sogar der eigentliche, hohe Ruhm des Aristoteles, der später sich weiter, als irgend einer, verbreitete, allem Anschein nach, erst 200 Jahre nach seinem Tode begonnen. Epikuros, dessen Name, noch heut zu Tage, sogar dem großen Haufen bekannt ist, hat in Athen, bis zu seinem Tode, völlig unbekannt gelebt. (Sen. ep. 79.) Bruno und Spinoza kamen erst im zweiten Jahrhundert nach ihrem Tode zur Geltung und Ehre. Selbst der so klar und populär schreibende David Hume war, obwohl er seine Werke längst geliefert hatte, 50 Jahre alt, als man anfing ihn zu beachten. Kant wurde erst nach seinem 60. Jahre berühmt. Mit den Kathederphilosophen unserer Tage freilich gehn die Sachen schneller; da sie keine Zeit zu verlieren haben: nämlich der eine Professor verkündet die Lehre seines aus der benachbarten Universität florirenden Kollegen, als den endlich erreichten Gipfel menschlicher Weisheit; und sofort ist dieser ein großer Philosoph, der unverzüglich seinen Platz in der Geschichte der Philosophie einnimmt, nämlich in derjenigen, welche ein dritter Kollege zur nächsten Messe in Arbeit hat, der nun ganz unbefangen den unsterblichen Namen der Märtyrer der Wahrheit, aus allen Jahrhunderten, die werthen Namen seiner eben jetzt florirenden wohlbestallten Kollegen anreiht, als eben so viele Philosophen, die auch in Reihe und Glied treten können, da sie sehr viel Papier gefüllt und allgemeine kollegialische Beachtung gefunden haben. Da heißt es denn z. B. Aristoteles und Herbart, oder Spinoza und Hegel, Platon und Schleiermacher, und die erstaunte Welt muß sehn, daß die Philosophen, welche die karge Natur ehemals im Lauf der Jahrhunderte nur vereinzelt hervorzubringen vermochte, während dieser letzten Decennien, unter den bekanntlich so hoch begabten Deutschen, überall wie die Pilze aufgeschossen sind. Natürlich wird dieser Glorie des Zeitalters auf alle Weise nachgeholfen; daher, sei es in gelehrten Zeitschriften, oder auch in seinen eigenen Werken, der eine Philosophieprofessor nicht ermangeln wird, die verkehrten Einfälle des andern mit wichtiger Miene und amtlichem Ernst in genaue Erwägung zu ziehn; so daß es ganz aussieht, als handelte es sich hier um wirkliche Fortschritte der menschlichen Erkenntniß. Dafür widerfährt seinem Abortus nächstens dieselbe Ehre, und wir wissen ja, daß nihil officiosius, quam cum mutuum muli scabunt. So viele gewöhnliche Köpfe, die sich von Amts und Berufs wegen verpflichtet glauben, Das vorzustellen, was die Natur mit ihnen am allerwenigsten beabsichtigt hatte, und die Lasten zu wälzen, welche die Schultern geistiger Riesen erfordern, bieten aber im Ernst ein gar klägliches Schauspiel dar. Denn den Heisern singen zu hören, den Lahmen tanzen zu sehn, ist peinlich; aber den beschränkten Kopf philosophirend zu vernehmen ist unerträglich. Um nun den Mangel an wirklichen Gedanken zu verbergen, machen Manche sich einen imponirenden Apparat von langen, zusammengesetzten Worten, intrikaten Floskeln, unabsehbaren Perioden, neuen und unerhörten Ausdrücken, welches Alles zusammen dann einen möglichst schwierigen und gelehrt klingenden Jargon abgiebt. Jedoch sagen sie, mit dem Allen, – nichts: man empfängt keine Gedanken, fühlt seine Einsicht nicht vermehrt, sondern muß aufseufzen: das Klappern der Mühle höre ich wohl, aber das Mehl sehe ich nicht; oder auch, man sieht nur zu deutlich, welche dürftige, gemeine, platte und rohe Ansichten hinter dem hochtrabenden Bombast stecken. O! daß man solchen Spaaßphilosophen einen Begriff beibringen könnte von dem wahren und furchtbaren Ernst, mit welchem das Problem des Daseyns den Denker ergreift und sein Innerstes erschüttert! Da würden sie keine Spaaßphilosophen mehr seyn können, nicht mehr, mit Gelassenheit, müßige Flausen aushecken, vom absoluten Gedanken, oder vom Widerspruch, der in allen Grundbegriffen stecken soll, noch mit beneidenswerthem Genügen sich an hohlen Nüssen letzen, wie die Welt ist das Daseyn des Unendlichen im Endlichen, und der Geist ist der Reflex des Unendlichen im Endlichen u. s. w. Es wäre schlimm für sie: denn sie