verdanken, dass es noch normalen Datentransfer gab, da das Mesh die verstopften Netzwerkknoten umging. Letztendlich entschied ELOPe, jeden Datenstrom zu filtern, um prüfen zu können, ob er Viruscode enthielt. Erst nach der Analyse konnte er die Daten zum eigentlichen Empfänger weiterleiten. ELOPe hatte 1,5 Millionen Rechenkerne unter seiner direkten Kontrolle und da er technisch gesehen ein Geschäftspartner von Avogadro Corp. war, konnte er, wenn nötig, auf bis zu 10 Prozent von Avogadros 40 Millionen Rechenkernen zurückgreifen. Das gab ihm eine maximale Prozessorleistung von 5,5 Millionen Rechenkernen, eine an sich gewaltige Menge, aber bei Weitem nicht ausreichend, um das Datentransfervolumen zu analysieren, das von den 12 Milliarden Rechnern weltweit erzeugt wurde. Er musste die Computer der Welt segmentieren. Er begann damit, eine Firewall um sich und Avogadro zu errichten und diese dann auf wichtige Staats- und Forschungseinrichtungen auszudehnen. 100.000 Kerne reservierte er für seine eigenen Basisalgorithmen.
»General Gately, vielen Dank für Ihr Kommen, Ma'am«, begrüßte Lt. Sally Walsh den General bei ihrem Eintreffen im Kommandozentrum. Sally warf einen Blick auf ihre Uhr. Der General war die gewohnt gepflegte Erscheinung, obwohl sie zwei Stunden vor ihrer üblichen Zeit eintraf.
»Was gibt es, Sally?«
»Um 0200 Uhr entdeckten wir erstmals einen Virus auf den zivilen Netzwerken, Ma'am. Wie Sie wissen, überwachen wir eigentlich keine zivilen Netzwerke. Aber der Virus bestürmte die Firewalls des militärischen Netzwerks in solchem Maße, dass es unsere Aufmerksamkeit erregte.«
»Welche denn?« Der General nahm eine Tasse Kaffee von einem Adjutanten entgegen. Sie trank geistesabwesend, während sie auf das Tablet sah, das Sally ihr gegeben hatte.
»Es griff alle an, Ma'am. Private DeRoos bemerkte zuerst die Muster des Angriffs, und wir begannen, den Virus zu überwachen. Um 02:15 Uhr schickten wir eine Meldung an das USCERT und CERT/CC. Um 03:15 Uhr verbreitete sich der Virus rasch. Ich versuchte es noch einmal bei USCERT, und sie sagten mir, dass sie an der Sache dran wären. Um 03:40 Uhr erhielten wir einen Alarm von der türkischen Air Force Basis. Während wir segmentierten, kam der Alarm von unserer Basis auf Okinawa. Bevor wir uns auch nur um eine von den Basen kümmern konnten, kam die dritte Meldung von der Army in Columbia. Ma'am.« Sally wusste, dass General Gately die Informationen auch auf dem Tablet vor sich hatte.
»Und seitdem?«
»Wir haben den Virus auf 34 Basen entdeckt und diese unter Quarantäne gestellt. Ich habe vor zwei Stunden um Verstärkung von der Tagschicht gebeten, aber sie sind noch nicht aufgetaucht. Tatsächlich müsste die Tagschicht jetzt eigentlich kommen, um ihre reguläre Schicht zu übernehmen. Dann, vor ungefähr 15 Minuten, hörte der Virus auf, militärische Firewalls zu attackieren.« Sie machte eine Pause. »Wir wissen noch nicht, warum.«
»Sally, Sie und Ihr Team sind seit letzter Nacht nicht außerhalb des Kontrollraums gewesen, ist das richtig?«
»Das ist richtig, Ma'am.«
»Warum vertreten Sie sich nicht die Beine und machen einen Spaziergang zum Haupttor? Aber denken Sie daran, die Basis nicht zu verlassen.«
»Aber Ma'am, die infizierten Netzwerke, wir müssen uns um sie kümmern.«
»Die können warten, Lieutenant. Und Ihr Team weiß, was es zu tun hat. Drehen Sie eine Runde und kommen Sie dann zurück.«
General Gately wollte offensichtlich mehr von ihr, als dass sie nur einen Spaziergang machte.
»Soll ich mich nach etwas Bestimmtem umsehen, General?«
»Sie werden es wissen, wenn Sie es sehen.« Der General sah nicht von dem Tablet auf.
Es war nicht ihre Art, so geheimnisvoll zu tun. Sally konnte sich nicht vorstellen, was sie meinte. Sie zog ihre Dienstjacke an und nahm den Aufzug ins Erdgeschoss. In der Lobby bemerkte sie, dass man die Sicherheit verdoppelt hatte.
»Ma'am, brauchen Sie eine Eskorte«, fragte sie einer der diensthabenden Soldaten.
»Nein, vielen Dank, Private.« Es wurde immer merkwürdiger.
Sally ging vor die Tür. Der Parkplatz war ruhig in diesen frühen Morgenstunden. Aber eigentlich war es nicht mehr früh, es ging auf 07:30 Uhr zu. Sie ging quer über den riesigen Parkplatz. Amerikanische Wagen der neuesten Generation umgaben sie. Sally stieß auf einen dunkelbraunen Wagen direkt auf dem Fahrweg. Sie spähte hinein: leer. Sally setzte ihren Weg zum Haupttor fort, kam auf der Straße an fünf weiteren verlassenen Wagen vorbei.
Am Tor grüßte sie den wachhabenden Soldaten, der zu ihr sagte: »Das ist schon ein Anblick, nicht wahr, Ma'am?«
Immer noch nicht verstehend, was da vor sich ging, nickte sie nur. Sie machte eine Geste zu der Treppe, die zum Aussichtsdeck führte, dem hiesigen Euphemismus für das Maschinengewehrnest auf dem Dach. Die Wache nickte zustimmend. »Gehen Sie ruhig hinauf, Ma'am.«
Sally kletterte die steile Treppe hinauf und nickte dem Private am Maschinengewehr zu. »Ma'am«, sagte er und stand stramm.
»Rühren«, sagte Sally. »Ich will mich nur umsehen.«
Sally blickte in die Runde, konnte sowohl den Patuxent Freeway in der Nähe und den Baltimore-Washington Freeway in der Ferne sehen. Auf beiden Autobahnen standen alle Fahrzeuge still. Es war kein Stau – dafür standen sie zu weit auseinander. Sie hatten einfach angehalten.
»Was ist passiert, Private?«
»Ich weiß es nicht, Ma'am. Vor etwa 15 Minuten hielten alle Fahrzeuge einfach an, die zivilen wie auch die militärischen. Ich habe nur ein paar alte Jeeps mit Dieselmotor auf der Basis herumfahren sehen, aber das war es dann auch schon, Ma'am.«
Sally blieb noch eine Weile stehen, dann ging sie eilig zum Gebäude zurück. Als sie im Kontrollraum von USCYBERCOM eintraf, atmete sie ein wenig schwer.
»General, ich habe es gesehen. Aber was bedeutet es, Ma'am?«
»Genau das sollen Sie herausfinden. Die gesamte zivile Kommunikation und alle Fahrzeuge sind zurzeit außer Betrieb. Halten Sie die befallenen Basen weiter unter Quarantäne, aber ziehen Sie Ihre Leute, die die Netzwerke segmentieren, ab. Stattdessen möchte ich, dass Sie sich den Virus ansehen. Ich will wissen, was er tut. Ich will, dass Sie mir sagen, wie wir ihn bekämpfen können. Wir müssen doch irgendetwas in unserem Arsenal haben. Und schicken Sie jemanden mit Kaffee. Ich denke, Ihre Leute können ihn gebrauchen.«
Sally sah nach ihrer Einheit, die schon seit acht Stunden im Dienst war und normalerweise Schichtende hätte. Sie konnten wirklich Kaffee und ein Frühstück vertragen.
»Ja, Ma'am, wir kümmern uns darum.«
Leon drückte den Knopf des Fahrstuhls noch ein drittes Mal, bevor er aufgab. Letztes Jahr war der altertümliche Aufzug häufiger außer Betrieb gewesen, als er funktioniert hatte, aber nach Monaten ständiger Reparaturen hatte die Hausverwaltung ihn durch ein brandneues Modell ersetzen lassen. Leon schüttelte ratlos den Kopf, als er zum Treppenhaus ging. Es war das erste Mal, dass der neue Aufzug kaputt war. Er ging die sechs Stockwerke nach unten zu Fuß.
Als er auf die Seitenstraße, an der ihr Appartementhaus lag, hinaustrat, fühlte sich irgendetwas nicht richtig an. Neugierig sah er sich um, als er langsam zu seiner Schule ging. Die Straßen waren um diese Zeit wie gewöhnlich voller Menschen. Leute gingen zur Arbeit, warteten auf den Bus oder saßen in ihren Wagen. Aber ihre Stimmen waren laut, fast durchdringend. Die Erkenntnis traf Leon wie ein Blitz: Da waren gar keine Motorengeräusche. Keines der Fahrzeuge auf der Straße bewegte sich. Er sah die Straße hinunter. Vielleicht hatte weiter vorne jemand eine Panne?
Leon setzte seinen Weg fort, ignorierte die Erwachsenen und bog in die Flatlands Avenue ein, eine große, vielspurige Straße. Dort hielt er an, und sein Mund blieb ihm vor Überraschung offen stehen. So weit sein Auge reichte, hatte sich die Flatlands Avenue in einen gigantischen Parkplatz verwandelt. Er spähte in beide Richtungen.
Seltsamerweise schien es sich nicht um einen Stau zu handeln. Die Fahrzeuge waren großzügig verteilt. Einige standen im schiefen Winkel herum. Erwachsene liefen auf der Straße und den Bürgersteigen herum und ließen die