Franziska Gehm

Die Vampirschwestern 13 - Finale Randale


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anschließen, schikaniert!“

      „Schikanieren? Ist das eine Mischung aus Panieren und Skifahren?“ Daka hängte die Fledermaus an die Schreibtischlampe, steckte sich Karlheinz in die Brusttasche, sprang vom Schreibtisch und setzte sich auf Silvanias Bett.

      „Hier, lies selbst.“ Silvania reichte Daka den Brief.

      Daka überflog Bogdans Zeilen. Bei jeder Zeile zog sie die Stirn mehr in Falten. „Was? Nur die Anhänger der FVP dürfen noch die Sarg-Bahn benutzen?“ Daka schnaubte. „Hä? Die Mitglieder und Anhänger der anderen Parteien dürfen sich nicht mehr treffen?“ Daka fluchte. „Und wie bitte? In Oktavians Gruft darf nur noch an FVP-Freunde lecker Frischblut ausgeschenkt werden?“ Daka sprang auf, wippte auf Silvanias Bett und rief: „Das sind doch alles voll fiese Frechheiten der Fiesen Vampirpartei. Das können die doch nicht machen!“

      „Na ja, sie wurden gewählt“, erwiderte Silvania.

      „Gewählt, gewählt – gepfählt gehören die!“ Daka war so in Rage, dass sie fast bis an die Zimmerdecke sprang.

      „Bogdan und all die anderen tun mir so leid.“ Silvania seufzte.

      „Davon haben sie auch nichts. Wir müssen nach Bistrien, wir müssen ihnen helfen und diesen Honk Prut vom Vampirthron schubsen!“ Daka stieß die Faust in die Luft. „Am besten, wir holen vorher noch unseren alten Kumpel Kerul aus der Mongolei dazu und machen Drakung-Fu und kurzen Prozess mit der FVP!“

      „Gumox. Wir können da gar nichts machen“, sagte Silvania.

      „Aber Bistrien ist unsere Heimat! Wir können doch nicht zusehen, wie so ein fieser Honk nichts als Stunk macht.“

      „Bistrien ist unsere alte Heimat. Jetzt ist Bindburg unsere Heimat“, sagte Silvania. „Hier gehören wir hin, Daka, hier sind unsere Freunde, unsere Eltern, unsere Herzen …“

      „MEIN Herz ist zwar hier, aber es schlägt für Bistrien, damit das klar ist!“ Daka holte Karlheinz, dem vom revolutionären Rumgehüpfe auf dem Bett etwas schlecht geworden war, aus der Brusttasche und streichelte ihn. Er war froh, dass sein Herz überhaupt noch schlug.

      Silvania faltete Bogdans Brief sorgfältig zusammen und hielt ihn nachdenklich an ihre Brust. Stimmte es wirklich, dass ihr Herz einzig und allein für ihre neue Heimat Bindburg schlug? Für ihre neue Heimat mit Helene, Ludo und Jacob …

      Jacob. Der Junge, den sie bei ihrer ersten (und etwas peinlichen) Rolltreppenfahrt kennengelernt hatte. Immer, wenn Silvania in seine winterhimmelgrauen Augen sah, setzte sich in ihrem Bauch eine Gefühlsrolltreppe in Gang.

      Seit dem Desaster auf der Gartenparty bei Jacob (Silvania hatte sich vor Jacob und seiner ganzen Verwandtschaft wie eine sehr blöde und sehr echte Kuh benommen) hatte sie ihn immer nur kurz gesehen. Jacob war beschäftigt. Er gab Nachhilfe, ging zweimal die Woche ins Fitnessstudio und verdiente sich etwas Geld mit Zeitungaustragen. War in Jacobs Leben überhaupt genügend Platz für Silvania? Sie wollte sich ja nicht nur in irgendeine Fünf-Minuten-Ecke zwängen.

      Silvania sah auf den Brief in ihrer Hand. Sie stellte sich vor, wie Bogdan in Bistrien saß und an sie dachte. Seine Briefe waren auf jeden Fall schöner und vor allem länger als Jacobs SMS.

      Unheil liegt in der Luft

      Ein wunderbarer, sonniger Tag brach in Bindburg an. Der Himmel leuchtete blau, als könnte nichts und niemand ihn trüben. Die Sonne blinzelte frisch und sorglos, kitzelte die Bäume, Blumen und Vögel. In den Häusern in der Wohnsiedlung am nördlichen Rand von Bindburg wurden die Vorhänge aufgezogen, die Kaffeemaschinen schäumten und röchelten, duftende Toastbrote sprangen durch die Küche, Zahnpasta spritzte an die Badezimmerspiegel, Haare wurden gekämmt, Schuhe geschnürt, Jacken übergeworfen und eilige Küsschen verteilt.

      Keiner der Bewohner von Bindburg ahnte, dass ein Tag begonnen hatte, an dem sich alles ändern würde. Und nicht zum Guten.

      Herr Tepes und Franz konnten gar nichts ahnen, da sie beide noch im Keller vom Reihenhaus Nummer 23 im Lindenweg schliefen. Elternzeit – Schlafenszeit!

      Armin Schenkel, der mit Frau Janina und Sohn Linus gegenüber von Familie Tepes wohnte, fuhr gerade mit seinem roten Kombi rückwärts aus der Einfahrt. Beim Blick in den Rückspiegel vergewisserte er sich nicht nur, dass die Straße frei war, sondern auch, dass keiner seiner transsilvanischen Nachbarn zufällig abhob. Natürlich war Armin Schenkel klar, dass seine Nachbarn nicht wirklich abheben konnten. Nein, nur Armin Schenkels Wahrnehmung hob manchmal ab. Aber solange er sich sonst im Griff hatte und seinen Job im Büro ordentlich erledigte und sein Sohn ihn nicht für vollkommen durchgeknallt hielt, konnte er damit leben. Manche Menschen sahen UFOs, manche Geister und manche einfach zu viel Fernsehen – und Armin Schenkel sah eben ab und zu mal Vampire.

      Vielleicht hatte das etwas mit seiner wilden Jugend zu tun, in der er sich mehrmals bei einem Konzert mit ausgebreiteten Armen von der Bühne in die Menschenmenge gestürzt hatte, als könne er fliegen. Seine Jugend war längst vorbei, aber Armin noch gut im Gedächtnis. Obwohl sein Kombi eine Klimaanlage hatte, ließ Armin Schenkel das Fahrerfenster herunter, als er den Lindenweg entlangfuhr. Er wollte den Wind in den Haaren spüren, wie damals, als sie zu acht in einem kleinen Zweitürer ans Meer gefahren waren.

      Armin Schenkel atmete tief ein. Natürlich roch es im Lindenweg nicht nach Meer. Doch es roch auch nicht nach Lindenweg, stellte Armin Schenkel irritiert fest. Es roch irgendwie faulig, modrig, seltsam fremd. Armin Schenkel ließ das Fenster wieder hochsurren, schaltete Musik aus alten Tagen an und fuhr ins Büro. Nicht zu schnell, damit er sein Lieblingslied noch zu Ende hören konnte.

      Auch der Nachbar, der links neben Familie Tepes wohnte, war in sein Auto gestiegen und auf dem Weg zur Arbeit. Der Nachbar hieß Dirk van Kombast und das Auto war ein silberner Sportwagen. Genau wie Armin Schenkel hatte auch Dirk van Kombast die transsilvanischen Mitbürger bereits mehrere Male abheben sehen. Doch im Gegensatz zu Armin Schenkel war sich Herr van Kombast sicher, dass er nicht unter Wahrnehmungsstörungen litt.

      Dirk van Kombast hatte den Durchblick. Sowohl im Beruf – er war ein charmanter, erfolgreicher Pharmavertreter – als auch beim Hobby – Dirk van Kombast war Vampirjäger (weniger charmant und weniger erfolgreich). Dass Mihai Tepes ein Vampir und seine Kinder Silvania, Daka und Franz Halbvampire waren, stand für ihn außer Frage. Herr van Kombast musste es nur noch den anderen Menschen begreiflich machen und beweisen. Und das würde er, es war nur eine Frage der Zeit. Wenn die Menschen nur nicht mit Scheuklappen durchs Leben gehen und mal die Augen richtig aufmachen würden!

      Doch als Dirk van Kombast jetzt auf die dreispurige Schnellstraße bog und durch einen Tunnel fuhr, war er es, der die Augen aufriss. Da war was! Eine Bewegung! Ein pechschwarzer Schatten huschte über die Tunnelwand. Dirk van Kombast fuhr beinahe auf seinen Vordermann auf, bremste in letzter Sekunde und starrte erschrocken auf dessen Kofferraum, der bedrohlich dicht vor ihm war. Fahr nie schneller, als dein Schutzengel fliegen kann, stand auf dem Kofferraum.

      Als Dirk van Kombast mit genügend Abstand weiterfuhr und den Tunnel nach dem Schatten absuchte, war er verschwunden. Herr van Kombast fuhr sich mit der Zunge über den goldenen Backenzahn. „Ein Schutzengel war das nicht, möchte ich wetten“, murmelte er und nahm die nächste Ausfahrt, um pünktlich in der Praxis von Dr. Kubitz anzukommen.

      Auch Elvira Tepes war an diesem Morgen unterwegs zu einem Termin. Sie saß in der U-Bahn und besetzte vier Plätze. Was nicht daran lag, dass Frau Tepes zugenommen hatte, sondern dass sie zehn Klobrillen dabeihatte, die sie im Krankenhaus abliefern wollte. Frau Tepes bemerkte die neugierigen Blicke der anderen Mitfahrenden nicht, da sie aus dem Fenster starrte und in Gedanken bereits bei der nächsten Klobrille war, die sie heute gestalten würde. Sie wollte kleine Duftkissen auf der Sitzfläche einarbeiten, die eine beruhigende Wirkung auf die Patienten haben sollten.

      Als die U-Bahn durch den zweigleisigen Tunnel zwischen den Stationen fuhr, zuckte Elvira Tepes zusammen, als etwas am Fenster vorbeiflog. Eine Taube? Eine Fledermaus? Oder nur eine Plastiktüte? In der Dunkelheit des Tunnels war nichts zu erkennen. Bevor Frau Tepes weiter darüber nachdenken konnte, hatte die U-Bahn die nächste Station erreicht. Elvira klemmte