Franziska Gehm

Die Vampirschwestern 13 - Finale Randale


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      Auch Silvania und Daka waren unterwegs. Sie saßen in der Straßenbahn, die sie bis zur Gotthold-Ephraim-Lessing-Schule brachte. Wie immer ruckelte die Straßenbahn so sanft, dass Daka beinahe wieder eingeschlafen wäre. Sie hatte die Augen hinter der schwarzen Sonnenbrille geschlossen, während Silvania ihren Blick auf ein Buch auf ihrem Schoß gerichtet hatte.

      Doch aus irgendeinem Grund konnte Silvania sich heute nicht auf den Text konzentrieren (obwohl das Buch sehr spannend war und die Hauptheldin sich gerade in einem wilden Gefühlschaos befand und drohte, die falsche Entscheidung zu treffen). Immer wieder blickte Silvania auf und sah aus dem Fenster. „Findest du nicht auch, dass die Stadt heute irgendwie verändert ist?“, fragte sie Daka.

      Daka grunzte.

      „Es sieht alles normal aus und doch ist etwas anders“, überlegte Silvania laut.

      Daka machte „hm“.

      „Und auf dem Weg zur Straßenbahn, hast du das auch gerochen? Es roch irgendwie … na ja, nach etwas ganz Unheilvollem.“

      „Nach Schule?“

      Wie aufs Stichwort hielt die Straßenbahn vor der Gotthold-Ephraim-Lessing-Schule. Die Vampirschwestern stiegen aus und schlurften zur ersten Stunde. Der Schultag begann mit zwei Stunden Sport. Die Sportlehrerin Frau Renneberg, wie immer mit Pferdeschwanz und Trillerpfeife ausgestattet, war bereits in Höchstform. Was man von den Schülern nicht sagen konnte.

      Silvania und Helene versuchten sich beim Aufwärmspiel so wenig wie möglich zu bewegen. Daka und Ludo nutzten beim Kreistraining die Gelegenheit, in den dunklen Geräteraum abzubiegen, wo sie hofften, mal fünf Minuten verschnaufen zu können. Daka wollte sich gerade kopfüber an den Stufenbarren hängen, als sie die Nase verzog. „Boah, was riecht hier denn so? Warst du das?“

      Ludo schüttelte den Kopf.

      „Stimmt, Menschenpups riecht besser.“ Daka wedelte vor ihrer Nase. „Riecht irgendwie ranzig, verfault. Aber auch irgendwie … vertraut. Vielleicht hat jemand seine verschwitzten Socken im Geräteraum liegen gelassen.“

      Ludo runzelte die Stirn und spähte in die Dunkelheit, wo nur die Umrisse vom Sprungkasten, Balken und anderen Sportgeräten auszumachen waren. „So ähnlich hat es heute Morgen in der alten Bahndammunterführung auch gerochen.“

      „Dann liegt hier die eine Stinkesocke und dort die andere.“

      Ludo wiegte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob es wirklich nur Socken sind.“

      Daka sah Ludo tief in die Augen und flüsterte: „Hast du wieder eine Vorahnung?“

      Ludo blickte ernst zurück und nickte. „Ja, und keine gute.“

      Plötzlich knarzte etwas in den dunklen Tiefen des Geräteraums. Im selben Moment schrillte die Trillerpfeife von Frau Renneberg. Ludo und Daka spurteten aus dem Geräteraum. Zum ersten Mal waren sie froh, dass sie sich in einer Reihe aufstellen und am zackigen Unterricht von Frau Renneberg teilnehmen durften.

      Silvania wusste gar nicht, wie recht sie mit ihrer Vermutung heute Morgen in der Straßenbahn gehabt hatte: Etwas Unheilvolles lag in der Luft. Und nicht nur dort.

      Überraschungsparty

      Die Vampirschwestern waren froh, als der Schultag vorbei war. Daka war grundsätzlich immer froh, wenn ein Schultag vorbei war. Aber an diesem Tag war selbst Silvania die Schule besonders anstrengend vorgekommen.

      Nicht nur, dass Silvania sich schlecht hatte konzentrieren können, alle Schüler schienen heute besonders unruhig gewesen zu sein. Und die Lehrer erst! Mehrmals verloren sie den Faden und noch öfter die Geduld und ihr Klassenlehrer Herr Graup verlor sogar eine Zahnfüllung, als er in einen Apfel biss. Er hatte den Rest des Tages miese Laune. Und miese Laune bedeutete miesen Unterricht.

      Erschöpft vom harten Schultag bogen Silvania und Daka in den Lindenweg ein.

      „Jetzt hau ich mich erst mal in meinen Schaukelsarg, Kopfhörer auf die Ohren und den Nachmittag schön wegdröhnen“, sagte Daka.

      „Es sei denn, Franz ist da“, sagte Silvania.

      Obwohl Franz mit Mihai als Tagespapa vollauf glücklich und zufrieden war, gab es etwas, das er noch mehr liebte als die Ausflüge mit Papa: mit seinen Schwestern spielen. Daka baute für Franz einen wilden Flug-Parcours im Haus. Silvania knetete mit Franz Würmer, Spinnen und andere niedliche Tierchen. Oder sie kochten zusammen experimentelle Salami-Sahne-Seifen-Suppen. Die Vampirschwestern liebten ihren kleinen Bruder. Aber sie mussten zugeben, dass er Energie für zwei hatte und ihnen ein freier Nachmittag auch mal ganz recht war.

      „Ach, bestimmt schlafen Papa und Franz noch im Keller“, meinte Daka. „Oder sie verschrecken andere Kinder auf dem Spielplatz.“

      „Oder sie …“ Silvania blieb stehen und starrte ihr Haus an. „Was ist denn da los?“

      Im Reihenhaus Nummer 23 waren alle Rollläden heruntergelassen.

      „Vielleicht spielen sie im Dunkeln Verstecken. Eins, zwei, drei, vier Eckzahn, Vampire im Versteckwahn!“, sang Daka.

      Kurz darauf betraten Silvania und Daka das Haus. Es war totenstill. Und stockduster. „Hinter mir, vor mir, über mir gilt nicht, ich komme!“, rief Daka.

      Silvania schaltete das Licht im Wohnzimmer an.

      „SCHNAUZE!“

      „LICHT AUS!“

      „STRUNZ!“

      Silvania und Daka erstarrten. Der Anblick, der sich ihnen bot, war unglaublich. Das Wohnzimmer war voller Vampire. Sie hingen kopfüber an der Gardinenstange, am Kronleuchter und an der Schrankwand. Ein kleiner Vampir baumelte sogar an der Zimmerpflanze, als wäre er Weihnachtsbaumschmuck. Auf dem Sofa lagen drei Vampire übereinander. Ein anderer Vampir hatte sich in den Wohnzimmerteppich eingerollt. Unter dem Esstisch lungerte ein Vampir, der sich einen Pappkarton über den Kopf gestülpt hatte. Es konnte offenbar nicht finster genug sein.

      „S…S…Skyzati.“ Silvania machte ein entschuldigendes Gesicht. „Aber, wir wohnen hier … dachten wir zumindest.“

      „Wir konnten ja nicht ahnen, dass sich unser Wohnzimmer plötzlich in eine Vampirhöhle verwandelt hat“, sagte Daka.

      „Was, wenn ich fragen darf, hat Sie denn alle hierhergeführt?“ Silvania musterte die Vampire, die noch im Halbschlaf waren.

      „Ist das so was wie eine spontane Vampirparty?“, fragte Daka. Wobei sie zugeben musste, dass es eine ziemlich lahme Party war.

      „Party?“, donnerte auf einmal eine Stimme von der Kellertreppe. „Keine Party ohne Vati!“ Mihai Tepes schwebte mit seinem Sohn (den er wie meistens liebevoll kopfüber an den Beinen hielt) ins Wohnzimmer. Beim Anblick seiner guten Stube ließ er vor Schreck den noch schlafenden Franz fallen, den Daka in letzter Sekunde auffing.

      „SCHLOTZ ZOPPO!“, rief Mihai Tepes und zog sich mit beiden Händen am Schnauzbart.

      „Was ist denn das für eine Begrüßung?“, kam es dumpf aus dem Pappkarton. Der Vampir mit dem Karton auf dem Kopf richtete sich schwungvoll auf, stieß an die Unterseite der Tischplatte und ging wieder zu Boden. „FUMPFS!“

      Daka grinste. Vielleicht wurde es ja doch noch eine Party.

      Der Vampir streifte sich den Pappkarton vom Kopf, krabbelte unter dem Tisch hervor, richtete sich auf und klemmte sich sein Monokel vors rechte Auge.

      „Onkel Vlad?“, fragte Silvania ungläubig.

      „Mein Bruder!“ Mihai gab seinem Bruder Vlad eine kräftige Kopfnuss, umarmte ihn und gab ihm noch eine Kopfnuss.

      Vlad stöhne leise (die Kopfnüsse trafen genau auf die Stelle, mit der er an die Tischplatte gestoßen war), erwiderte die Kopfnüsse aber freundlich. „Mihai, wie schön, dich zu sehen. Und euch natürlich, meine Nichten.“ Vlad gab Silvania und Daka je eine Kopfnuss und klopfte behutsam auf den Windelpopo von Franz, der sich davon nicht beim Schlafen stören ließ.

      Mihai