die einem eifrig zur Hand gehen und die man sich in jeder erdenklichen Weise dienstbar machen kann, wenn für sie dabei genug herausspringt.« Er blies stolz seinen Brustkorb auf. »Ich habe dich gefunden … Und nun …«
»Erben müssen sterben«, sagte Molly mit belegter Stimme gallig. »Agatha Careira, meine leibliche Mutter, möchte, dass ich sie beerbe.«
»Du hast es erfasst«, gab Haggerty zu. »Raffaela und du – ihr sollt das riesige Careira-Vermögen zu gleichen Teilen bekommen.«
»Was dir natürlich überhaupt nicht passt.«
Toby Haggerty grinste böse. »Du sagst es.«
»Du möchtest den Reichtum für dich allein haben.«
»Für Raffaela und mich, genau«, bestätigte der Anwalt. »Wobei Raffaela genau genommen nur namentlich zählt. Verfügen werde natürlich ausschließlich ich über das Vermögen.« Er lachte. »Ich werde reicher als reich sein.«
Molly hob den Kopf und sah zu der Schlinge hinauf.
»Ist jetzt alles klar?«, fragte Haggerty eisig. »Können wir endlich den längst fälligen Schlussstrich ziehen?«
»Angenommen ich verzichte auf mein Erbteil«, sagte Molly.
»Ja, heute«, gab Haggerty zurück. »Um für den Augenblick dein bisschen Leben zu retten. Und später …«
»Ich würde mich daran halten.«
Haggerty schüttelte mit unerbittlicher Miene den Kopf. »Ich habe mich schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt, meine Liebe. Es gibt kein Zurück mehr. Weder für mich noch für dich. Du weißt zu viel. Ich möchte nicht mit der ständigen Gefahr leben, dass alles auffliegt. Immerhin war ich gezwungen, deinen Freund auszuschalten. Du glaubst doch selbst nicht, dass du auch das auf sich beruhen lassen würdest.« Er machte eine wegwerfende Geste. »Nichts da. Wir hatten unseren Spaß…«
»Wir?«
»Nun ja, wenn du so kleinlich sein willst … Ich hatte meinen Spaß«, schränkte er ein. »Ich bin halt ein verspielter Junge. Das war ich schon immer und werde es wohl nie ablegen. Es hat mir gefallen, mit dir zu spielen, dich zu gängeln, zu manipulieren, zu verstören, zu verwirren. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem die Sache ihren Reiz verliert, und da muss man dann eben …« Er unterbrach sich. Es war genug geredet. »Auf den Hocker mit dir, Molly Stone!«, befahl er scharf. »Lassen wir den letzten Vorhang fallen. Beenden wir die Geschichte. Es wird kurz und schmerzlos sein, das verspreche ich dir. Ein Plumps – und aus. Wenn du hinterher noch ein bisschen zappelst, sind das nur noch unkontrollierte Muskelkontraktionen, die du nicht mehr spürst. Also … Mach den Sack zu, Molly. Wenn du es nicht tust …«
Er hob das Messer und deutete mit unbewegter Miene an, ihr die Kehle durchzuschneiden. In Mollys Kopf spielte sich Unbeschreibliches ab. Sie wollte nicht sterben – alles in ihr lehnte sich verzweifelt gegen so ein frühes, gewaltsames Ende auf –, doch Toby Haggerty ließ sie nur zwischen Messer und Strick wählen.
*
In wenigen Augenblicken werde ich wieder mit Harry zusammen sein, dachte Molly bestürzt. Ihre Augen schwammen in Tränen.
Sie zitterte am ganzen Leib. Ihre Kniescheiben vibrierten so heftig, dass sie befürchtete, gleich zusammenzusacken. Führte tatsächlich kein Weg an dieser schrecklichen Schlinge vorbei?
Es war für Molly absolut kein Trost, dass sie bald wieder mit Harry Baxter zusammen sein würde. Sie wäre schrecklich gerne hier, in diesem Leben, bei ihm gewesen – und nicht im Jenseits, von dem sie nicht einmal sicher war, ob es wirklich existierte.
Vielleicht war es bloß eine Erfindung der Menschen, damit der Tod für sie nichts Endgültiges war und dadurch ein wenig von seinem Schrecken verlor. Der Tod ist nicht das Ende, hieß es für die, die daran glaubten. Er ist ein wunderbarer Neubeginn, ein glorioser Anfang, nach dem es erst so richtig abgeht. Du hast nie mehr Schmerzen, bist nie mehr traurig, empfindest nur noch absolute Glückseligkeit. Unbefristet. Bis in alle Ewigkeit.
So wurde einem das Jenseits von den gelehrten Klerikern gerne verkauft, aber Molly kannte keinen, der das hätte bestätigen können.
Sie verachtete den Mann, der mit ihr gespielt, der sie wie eine Marionette gegängelt und ihren Liebsten auf dem Gewissen hatte, nicht nur.
Sie hasste ihn, hasste ihn so sehr, wie sie noch nie einen Menschen gehasst hatte. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie zu einem dermaßen starken Gefühl überhaupt fähig war.
Toby Haggerty war der erste Mensch, dem sie ohne Skrupel alles Schlechte wünschte. Ich glaube nicht, dass ich es ohne Hilfe schaffe, auf den Hocker zu steigen, dachte Molly. Die Angst macht mich so schwach, dass ich nur noch ein schlotterndes Häufchen Elend bin. Und dann soll ich mir auch noch die Schlinge selbst um den Hals legen.
»Tu es, Molly!«, drängte der Mann, der das unschätzbare Careira-Vermögen mit niemandem teilen wollte. »Du wirst sehen, es ist ganz leicht. Sobald du auf dem Hocker stehst und die Schlinge um den Hals hast, kicke ich den Hocker unter deinen Füßen weg – und schon ist es vollbracht. Das haben viele Menschen schon vor dir gemacht und noch mehr werden es nach dir tun, denn die Liste derer, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr leben wollen, hat kein Ende. Es kommen jeden Tag neue Namen hinzu.«
Molly schluchzte, doch das rührte Haggerty nicht.
»Harry Baxter wartet«, sagte er gemein. »Er wird dich, gleich wenn du drüben bist, freudig in seine Arme schließen, und euer Glück wird kein Ende haben.«
Molly bewegte sich wie in Zeitlupe. Ich will nicht – will nicht – will nicht…, hallte es immer lauter in ihrem Kopf. Ich will nicht sterben. Harry ist tot. Er kann mich nicht mehr in seine Arme nehmen.
»Nun mach schon!«, knurrte Haggerty. »Bring es endlich hinter dich!«
Molly hob das linke Bein – ihr »Schussbein». Sie hatte früher oft mit den Jungs aus der Nachbarschaft Fußball gespielt, und alle hatten über ihren linken »Hammer« gestaunt. Den sollte jetzt Toby Haggerty zu spüren bekommen. Er war ahnungslos, rechnete nicht damit, und deshalb konnte Molly einen schmerzhaften Volltreffer landen. Genau zwischen seinen Beinen.
Er brüllte auf, krümmte sich und schnappte nach Luft. Molly wirbelte herum und ergriff hektisch die Flucht. Sie hörte Haggerty hinter sich derb fluchen. Er schrie ihr die obszönsten Schimpfworte nach.
Zeit zum Nachdenken hatte sie nicht. Sie handelte instinktiv, jagte die Treppe hinauf und schloss sich in ihr Zimmer ein.
Haggerty folgte ihr. Er schleppte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht vorwärts, humpelte, war noch immer gekrümmt. Schweiß glänzte auf seinem blassen Gesicht. In seinen Augen brannte ein tödlicher Hass.
Er wollte Rache, Vergeltung, wollte, dass dieses verwünschte Weibsstück, das es gewagt hatte, ihm dermaßen weh zu tun, endlich tot war.
Die Schmerzen im Unterleib machten ihn blind vor Wut. Er würde Molly Stone das heimzahlen. Sie sollte genau so leiden wie er.
Ein schneller, gnädiger Tod war für sie jetzt nicht mehr drin. Sie sollte langsam und qualvoll sterben, nachdem sie ihm so entsetzlich weh getan hatte.
Er hatte noch immer das Messer, das er ihr weggenommen hatte. In Kürze würde sie die blitzende Klinge zu spüren bekommen.
Ihr gesamter Körper würde zum Quell unsagbaren Schmerzes werden. Denn: Strafe muss sein. Was sie ihm angetan hatte, musste doppelt und dreifach gesühnt werden. Warte nur, du elendes Miststück!, dachte er zornig. Gleich bin ich bei dir, und dann wirst du so sehr leiden, dass du dir wünschst, tot zu sein.
Er quälte sich die Treppe hoch, öffnete im Obergeschoss eine Tür nach der andern. Die dritte war abgeschlossen. Er schlug mit der Faust dagegen.
»Molly!«, rief er.
Sie wich zitternd von der Tür zurück.
»Ich habe Schmerzen, Molly!«
Das