Scarlet Wilson

Moonlight Romance Staffel 1 – Romantic Thriller


Скачать книгу

meinen Spaß mit dir, habe erreicht, was ich wollte, habe dir Angst eingejagt, dich konfus und kopflos gemacht. Du weißt mittlerweile weder ein noch aus, wirst von einem Berg von Fragen erdrückt, auf die du keine Antworten findest. Ich denke, dass du nun reif bist fürs Finale.«

      Seine Hand glitt in die Hosentasche. Er holte einen Dietrich heraus, den er selbst angefertigt hatte und der eigentlich nur ein langer, vorne nach unten und hinten nach oben gebogener Nagel mit einer flach geklopften Spitze war. Damit konnte er sich Zutritt zum Haus der Familie Stone verschaffen, wann immer er wollte.

      Manche Menschen sind so töricht, dass es geradezu zum Himmel schreit, dachte er. Sie finden es nicht nötig, sich, ihre Familie, ihre Habe und ihr Heim optimal zu schützen, gehen in ihrer grenzenlosen Einfalt davon aus, dass schon nichts passieren wird. »Dumm ist das«, murmelte der Mann, der sich Amigo nannte. »Sehr, sehr dumm.« Er lachte böse. »Sträflich leichtsinnig.«

      Unbemerkt näherte er sich der Haustür, streifte hauchdünne Latexhandschuhe über und schob sodann den simplen Dietrich ins primitive Schloss. Das leise Knacken, das gleich darauf folgte, war kaum zu hören. Vorsichtig öffnete er die Tür.

      Molly, dachte er zynisch, Amigo ist da.

      Was er bisher arrangiert, in die Wege geleitet und aufgeführt hatte, würde für alle, die sich in Kürze mit dem »Fall« zu befassen hatten, ein Rätsel sein, das sie nicht lösen konnten.

      Genau das war der Zweck der Übung, ging es Amigo durch den Sinn, während er lautlos in das Haus der Familie Stone schlüpfte.

      »Keine weiteren Spielchen mehr, Molly Stone«, hatte er draußen geflüstert. Okay, schränkte er nun in Gedanken ein. Eines noch, weil ich es schon vorbereitet habe, aber dann ist Schluss.

      Er machte sich nicht die Mühe, die Haustür zu schließen, hob den Kopf und lauschte.

      *

      Molly ging die Adoptionsdokumente so gewissenhaft wie möglich durch, schrieb Namen, Anschriften, Telefon- und Faxnummern und – soweit vorhanden – E-Mail-Adressen auf und las sich manchmal kurz in den umfangreichen Unterlagen fest. Ihre Eltern hatten nicht nur alle wichtigen Belege, Zeugnisse, Beglaubigungen, Bestätigungen, Rechnungen, Quittungen und dergleichen mehr aufgehoben, sondern auch den gesamten Schriftverkehr, der der Adoption vorangegangen war, akkurat archiviert.

      Aber einen Anhaltspunkt auf Mollys blutsverwandten Vater oder ihre leibliche Mutter hatte sie bis jetzt noch nicht gefunden.

      So schnell gebe ich nicht auf, dachte sie eigensinnig, während sie sich mit der Hand seufzend über die müden Augen fuhr. Wenn ich lange genug suche, werde ich zwangsläufig entdecken, was ich finden will … Falls es überhaupt einen Hinweis auf jene gibt, die mich zur Adoption freigegeben haben.

      Am Anfang war Geld geflossen. Klar, nichts auf der Welt ist umsonst. Schon gar nicht die Adoption eines Säuglings. Delbert Stone hatte sämtliche Kontoauszüge in einer transparenten Kunststoffmappe aufbewahrt.

      Molly blätterte sie alle aufmerksam durch und notierte die Namen der Zahlungsempfänger. Ihre Liste wurde immer länger.

      »Meine Güte, da kommt eine Menge Arbeit auf mich zu«, murmelte sie.

      Dass sie nicht mehr allein im Haus war, ahnte sie nicht. Wie auch? Doch plötzlich vernahm sie ein Geräusch und fuhr hoch.

      *

      Molly ging durch die Räume im Erdgeschoss. Sie beschloss, sich diesmal mit einem Küchenmesser zu bewaffnen, um irgendwie Mut und Stärke zu demonstrieren. Zustechen würde sie bestimmt nicht, aber das Messer würde ihr auf jeden Fall ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, und das konnte sie jetzt gut gebrauchen.

      Sie betrat die Küche, begab sich zum Messerblock. Einer der Griffe ragte ihr so aufdringlich dick und groß entgegen ragte, als wollte es sie auffordern: Nimm mich! Ich biete dir den größtmöglichen Schutz!

      Und sie tat es. Auf der blanken Klinge tanzten blitzende Lichtreflexe.

      Ich sehe bestimmt furchterregend aus, dachte Molly. Sollte sich jemand im Haus befinden, wird er hoffentlich Reißaus nehmen, wenn er mich sieht.

      Sie drehte sich um und stutzte im nächsten Moment. Nanu, wie kommt das Buch hierher?, fragte sie sich erstaunt. Ich habe es da ganz bestimmt nicht hingelegt. Oder doch? Weiß ich es nur nicht mehr?

      Sie seufzte. »Geht das schon wieder los?«, kam es fast tonlos über ihre Lippen. »Fängt diese lästige Unsicherheit, der eigene Zweifel an meiner mentalen Zurechnungsfähigkeit, von neuem an?«

      Das schwarze Buch lag neben dem Kühlturm auf der Arbeitsplatte. Nie im Leben würde ich es da ablegen, ging es Molly durch den Sinn. Wer hat das getan? Amigo? Ist er im Haus? Nimm dich in Acht. Nicht einmal ich selbst weiß, was ich tue, wenn ich mich bedroht fühle.

      Erben müssen sterben, las Molly Stone einmal mehr den Titel auf dem Cover. Ist das etwa ein zweites Exemplar?, überlegte sie.

      Ohne das Küchenmesser wegzulegen, nahm sie das Buch auf und begann darin zu blättern. Eigentlich erwartete sie, wieder nur mit leeren Seiten konfrontiert zu werden, doch das war nicht der Fall. Es gab zu Mollys großer Überraschung ein erstes Kapitel!

      *

      »Liebst du mich?«, fragte Harry.

      Molly strich ihm zärtlich lächelnd das schweißfeuchte blonde Haar aus der Stirn. »Würde ich sonst mit dir schlafen?«

      Sie saßen in Harrys betagtem Wagen auf den Rücksitzen. Die Scheiben waren ringsherum so dicht beschlagen, dass man nicht hinaussehen konnte. Aber auch nicht hinein. Und das war gut so, denn die beiden hatten im Moment nicht allzu viel an. Es war schon fast Mitternacht, und das Fahrzeug stand am stillen Ufer eines einsamen Weihers, auf dessen glatter Oberfläche das bleiche Spiegelbild des Mondes schwamm. Das Pärchen wähnte sich allein, aber …

      Molly Stone schleuderte das neue Buch wutentbrannt durch die Küche. Es flatterte wie ein großer kantiger Vogel durch die Luft, landete hart vor dem Toaster und klappte zu.

      »Wo bist du?«, rief sie ihren verhassten Peiniger. »Wo hast du dich versteckt?«

      Stille.

      »Amigo!«

      Schweigen.

      »Tritt vor meine Augen! Ich will dich sehen!«

      Keine Reaktion.

      »Amigo!«, rief Molly noch einmal. »Es reicht! Ich habe keine Lust mehr, mich von dir narren zu lassen! Machen wir endlich Schluss mit diesem infantilen Theater!«

      Er tat so, als wäre er nicht da.

      »Ich habe gelesen, was du geschrieben hast«, fuhr Molly fort. »Bestimmt hast du bereits die nächsten Kapitel im Kopf, aber du wirst nicht mehr dazu kommen, sie zu schreiben, dafür werde ich sorgen. Es ist höchste Zeit, dir das Handwerk zu legen und dich da hinzubringen, wo du hingehörst: In eine geschlossene Anstalt.«

      Amigo ließ sie reden.

      »Hörst du mich nicht?«, fragte Molly.

      Er blieb ihr die Antwort schuldig.

      »Was ist los?«, höhnte Molly. »Hat dich der Mut verlassen? Ist es mit deiner Courage doch nicht so weit her, wie du gedacht hast?«

      Molly verstummte und lauschte mit angehaltenem Atem. Sie hoffte, dass Amigo sich mit einem weiteren Geräusch verriet, doch es kam nicht dazu.

      Solange ich ihn suchen muss, bin ich in der schlechteren Position, dachte sie. Er kann mich – ahnungslos – an sich vorbeigehen lassen und dann von hinten angreifen. Ich hätte nicht gedacht, dass es in unserem Haus so viele Verstecke gibt.

      Molly hob das Messer. Man hätte fast meinen können, dass sie sich daran festhielt. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den andern.

      Sie bewegte sich so lautlos wie möglich, warf hinter jede Tür einen gewissenhaften Blick, und ihre Nerven waren die ganze Zeit so sehr angespannt, dass sie in jedem Moment reißen konnten.

      Wie