Scarlet Wilson

Moonlight Romance Staffel 1 – Romantic Thriller


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machen sich über mich lustig«, sagte der Fremde beleidigt.

      »Aber nein«, widersprach Molly. »Niemals.«

      »Das sollten Sie nicht«, sagte Amigo mit drohendem Unterton. »Ich kann sonst nicht mehr Ihr Freund sein.«

      »Das wäre aber echt schade«, sagte Molly mit gespieltem Bedauern.

      »Ich wäre dann Ihr Feind«, erklärte der Anrufer ernst.

      »Und was hätte das für Folgen?«

      »Die Folgen wären sehr schlimm für Sie«, sagte Amigo. »Die würden Ihnen ganz bestimmt nicht gefallen.«

      »Angenommen, ich hätte vom Verfasser dieses dramatischen, mit Geheimtinte geschriebenen Buches gern eine Widmung«, sagte Molly spöttisch. »Was müsste ich tun, um ein Autogramm des Autors zu bekommen?«

      »Ich werde es signieren, wenn es fertig ist«, antwortete Amigo.

      »Ach, fehlt noch was?«, ätzte Molly.

      »Ich dachte, wir schreiben es gemeinsam.«

      »Meinen Sie, dass ich das kann?«, fragte Molly.

      »Was halten Sie von folgender Idee für das erste Kapitel?«, begann der Anrufer. »Nacht … Ein einsamer Weiher … Friedliche Stille … Vielleicht ein paar quakende Frösche im Tümpel … Am Ufer steht ein altes Auto, in dem sich ein Liebespaar leidenschaftlich vergnügt …«

      Hitze stieg Molly in den Kopf. »Ein abartig veranlagtes Individuum schleicht darum herum …«

      »Oh«, fiel ihr der Unbekannte mit erhobener Stimme ins Wort, »der Mann hat keine unsittlichen Absichten.« Ihm schien es sehr wichtig zu sein, das festzuhalten.

      »Wer sonst würde sich so krank verhalten?«, griff Molly ihn an.

      »Der Mann hat andere Gründe«, behauptete Amigo.

      »Welche?«

      »Er will so viel wie möglich über sein Opfer in Erfahrung bringen.«

      Mollys Kopfhaut spannte sich. »Wer ist sein Opfer?«

      »Was meinen Sie?«, fragte Amigo zurück.

      »Der junge Mann oder das Mädchen?«

      »Der junge Mann spielt in der Geschichte eine ziemlich untergeordnete Rolle«, erklärte Amigo. »Das Mädchen ist die Protagonistin. Alles dreht sich nur um sie. Sie ist die Hauptperson. Ihr Freund ist bloß Beiwerk. Ich habe vor, ihn als charakterschwach, leichtgläubig und starrköpfig darzustellen. Als jemanden, der seine Liebste im entscheidenden Moment im Stich lässt und sich in einer Krisensituation selbst am meisten leid tut. Er schmollt, ist gekränkt, zweifelt an ihrer Liebe. Sie würde ihn brauchen, aber er ist nicht für sie da, und so ist sie gezwungen, alles, was passiert, allein durchzustehen.«

      »Das haben Sie alles für das erste Kapitel vorgesehen?«, fragte Molly unangenehm berührt.

      »Nein«, erwiderte Amigo, »das geht eigentlich schon darüber hinaus.«

      »Und … haben Sie schon einen Namen für Ihre Heldin?«, wollte Molly mit belegter Stimme wissen.

      »Molly«, sagte der Anrufer entschlossen. »Ja, ich werde sie Molly nennen.«

      *

      Harry betrachtete die Grappaflasche, die in Reichweite auf seinem Schreibtisch stand. Molly hatte sie ihm geschenkt. Eigentlich grundlos.

      Es hatte keinen besonderen Anlass gegeben. Harry hatte weder Geburtstag gehabt, noch hatte es sonst irgendetwas zu feiern gegeben.

      Molly hatte den goldbraunen Grappa einfach so für ihn im Internet bestellt. Weil sie gewusst hatte, dass er diese spezielle Marke gern mochte.

      Er nahm die Flasche in die Hand und sah sich das schmucke Etikett genauer an. Aquileia. Italy. Provinz Udine. Zwölf Jahre im Eichenfass gereift. »Gran Riserva«.

      Da ist ja fast nichts mehr drin, dachte er verwundert. Hab ich das alles getrunken?

      »Wer sonst?«, murmelte er benebelt. Er wischte sich mit einer fahrigen Bewegung über die trüben Augen. »Ist ja außer dir keiner da … Ja, und warum ist das so? Weil meine liebe Molly …« Er unterbrach sich. »Meine liebe Molly? Ist sie das noch? Ist sie noch meine liebe Molly, nachdem sie …«

      Es klopfte.

      »Bin nicht zu Hause«, brabbelte Harry freudlos.

      Es klopfte wieder.

      »Ja!«, rief Harry zur Tür. »Wer ist da?«

      »Vic.«

      »Was willst du?«, fragte Harry mit schwerer Zunge.

      »Mit dir reden.«

      »Keine Zeit«, behauptete Harry. »Muss arbeiten.«

      »Ich bleibe so lange hier stehen, bis du die Tür aufmachst«, sagte Victor Corran.

      Harry brauste auf: »Verdammt noch mal, ich will niemanden sehen, bin beschäftigt, habe Termine einzuhalten. Verschwinde. Lass mich in Ruhe. Komm morgen wieder.«

      »Warum morgen?«, fragte Victor Corran. »Weil du heute betrunken bist?«

      »Ich bin doch nicht be …«

      »Ich hör’s doch«, fiel Victor Corran seinem Freund ins Wort. »Mir kannst du nichts vormachen, Kumpel. Ich kenne dich zu gut. Du versuchst deinen Kummer im Schnaps zu ertränken, aber das funktioniert nicht, weil er leicht wie Öl ist und deshalb niemals untergeht. Da kannst du machen, was du willst. Er bleibt stets hässlich an der Oberfläche.« Er klopfte wieder. »Also was ist nun? Lässt du mich endlich rein oder nicht?«

      Harry verzog das Gesicht, als hätte er Gallensaft im Mund. »Du gehst mir auf den Wecker.«

      »Ja, ja, schon gut. Mach auf.«

      Harry Baxter erhob sich. Der Raum begann sich zu drehen und der Boden schaukelte. Jetzt bekam Harry erst mit, dass er sich zu viel Grappa gegönnt hatte. Er schloss die Augen und schüttelte mehrmals den Kopf, als könne er den Schwindel damit beenden.

      »Ich warte«, sagte Victor Corran ungeduldig.

      »Ich komm ja schon«, antwortete Harry unwirsch. »Herrgott. Ein alter Mann ist kein Schnellzug.« Er öffnete die Tür.

      »Hallo, alter Mann«, sagte Victor Corran grinsend. Er war so groß wie Harry, hatte dichtes dunkles Haar und trug ein weinrotes Blouson mit – weil’s zurzeit modern war – riesigen silbernen Lettern drauf: »Prime Division … Play Offs … Washington … Montreal». Mehr Platz war nicht. Sonst hätte da noch weiteres sinnloses Zeug gestanden. »Freut mich, dich in so guter Verfassung zu sehen«, sagte er ironisch.

      »Sonst noch was?«, fragte Harry undeutlich.

      »Darf ich eintreten?«

      »Nein.«

      »Vielen Dank.« Victor Corran betrat die kleine Wohnung, und Harry Baxter hinderte ihn nicht daran. Er schloss die Tür, sobald Victor an ihm vorbeigeschlendert war, versetzte ihr einfach einen mittelkräftigen Stoß und sie klappte zu. Harry und Victor waren schon im Sandkasten Freunde gewesen, hatten zusammen Sandkuchen gebacken und Burgen gebaut und sich gemeinsam gewehrt, wenn ihnen einer ein Kübelchen oder Schaufelchen wegnehmen wollte. Und sie waren über die Jahre hinweg Freunde geblieben. Victor zeigte auf die Flasche. »Grappa, hm?«

      »Möchtest du einen?«

      »Aber du trinkst nicht mit, okay?«, sagte Victor. »Du hast genug. Ich sehe den Schnaps schon in deinen Augen schaukeln.« Er bediente sich selbst und hob das Glas. »Cheers.« Er trank einen kleinen Schluck. »Nicht schlecht«, befand er. »Aber stark.« Er warf einen Blick auf die Flasche. »Fünfundvierzig Prozent.« Er stieß einen Pfiff aus. »Harter Stoff. Wolltest du die Pulle ganz allein leeren?« Er zog die Augenbrauen zusammen. »Sag mal, was bist du denn für ein Freund?«

      »Was verschafft mir das Vergnügen, deines Besuchs?«,