Scarlet Wilson

Moonlight Romance Staffel 1 – Romantic Thriller


Скачать книгу

so bedrohlichen Situation von Grund auf umdenken sollte, überlegte Molly ernst. Keine kindischen Spielchen mehr, keine dummen Schuldzuweisungen, kein groteskes Tauziehen und kein Warten auf den ersten Schritt zur Versöhnung, sagte sie sich. Das ist alles lächerlich. Du brauchst jemanden an deiner Seite, der dir aufrichtig und uneingeschränkt beisteht und dich beschützt. Also rufe Harry Baxter an und sag ihm klipp und klar, dass du seine Hilfe brauchst. Er wird dich ganz bestimmt nicht hängen lassen. Das Ende unserer grotesken Krise wird ihn sicher freuen.

      Sie rief ihn tatsächlich an, kam aber nicht durch, weil besetzt war. Enttäuscht legte sie auf.

      *

      Und dann schlug Mollys Telefon an. Ihr erster Gedanke war: Harry. Doch ihr zweiter Gedanke war: Amigo. Und der ließ ihre Hand heftig zurückzucken, denn sie wollte nicht schon wieder mit diesem Irren reden.

      Sie schaffte es dann aber doch nicht, das Läuten zu ignorieren, und als sie sich – innerlich sehr angespannt – meldete, hörte sie zu ihrer großen Erleichterung Victor Corrans Stimme.

      »Hallo, Molly«, sagte er warm und freundlich. »Wie geht es dir?«

      Sie seufzte traurig. »Wie soll es mir schon gehen?«

      »Entschuldige. War eine dumme Frage. Wenn ich irgendetwas für dich tun kann …«

      »Ich wüsste nicht, was«, gab Molly nüchtern zurück.

      »Egal, was«, sagte Victor Corran. »Du brauchst mich nur anzurufen.«

      »Das ist sehr lieb von dir. Danke, Vic.«

      »Ich habe Hetty getroffen.«

      »Ich weiß«, sagte Molly. »Sie hat es mir erzählt.«

      Er lachte. »Wir hatten eine ziemlich heftige Karambolage mit unseren Einkaufswagen.«

      »Auch darüber hat sie gesprochen.«

      Er fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Molly …, du weißt, wie ich zu Harry und dir stehe.«

      »Ja, das ist mir bekannt.«

      »Ich finde, ihr solltet euch wieder vertragen.«

      Mollys Augen füllten sich mit Tränen. »Es liegt nicht an mir, Vic. Ich würde ja gern … Lieber heute als morgen …«

      »Ich war vorhin bei Harry und habe ihm ins Gewissen geredet.«

      »Meinst du, dass es genützt hat?«, fragte sie hoffnungsvoll.

      »Ich glaube ja. Wenn er auf jemanden hört, dann auf mich. Das war schon immer so, und darauf bin ich auch ein ganz klein wenig stolz. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich morgen bei dir meldet.«

      Erst morgen, dachte Molly bedauernd. Warum nicht heute? Warum nicht gleich jetzt?

      Victor sagte: »Er ist im Moment … Wie soll ich sagen? Unpässlich.«

      Molly war sogleich in Sorge. »Ist er krank?«

      »Na ja«, dehnte Victor Corran, »nicht richtig krank, aber … Ach, was soll’s? Ich sage es, wie es ist: Er hat ein bisschen zu viel Grappa erwischt.«

      »Oje!«, rief Molly schuldbewusst. »Die Flasche hat er von mir.«

      »Mach dir deswegen keinen Kopf«, beschwichtigte Victor Corran sie. »Hätte er den Grappa nicht gehabt, dann hätte er sich etwas anderes über die Lampe gegossen. Scotch. Brandy. Irgendwas.«

      »Geht es ihm schlecht? Braucht er Hilfe?«

      »Er braucht nur ein paar Stunden Schlaf, dann ist er wieder nüchtern«, erklärte Victor beruhigend. »Die allgemeine Wettervorhersage der Meteorologen klingt zwar nicht so rosig, aber ich denke, dass für euch beide trotzdem von morgen an wieder die Sonne scheinen wird.«

      »Das wäre wunderbar«, sagte Molly.

      *

      Eine halbe Stunde später rief Harry Baxter an. Molly nahm an, dass er es war. Mit Bestimmtheit wissen konnte sie es nicht, weil er nämlich nichts sagte. Es könnte natürlich auch Amigo sein, ging es Molly durch den Kopf, aber ich tippe eher auf Harry. Vielleicht möchte er nur meine Stimme hören, oder er weiß nicht, was er sagen soll.

      Sie wartete, bis er die Verbindung unterbrach, dann legte sie ebenfalls auf. Ich hätte mit ihm reden sollen, sagte sie sich danach. Oder, besser gesagt, ich hätte zu ihm sprechen sollen. Er hätte mir bestimmt zugehört, und ich hätte ihm alles mitteilen können, was mich zurzeit bedrückt und mir Angst macht.

      Erben müssen sterben … Molly konnte sich nicht erklären, wieso ihr das ausgerechnet jetzt wieder in den Sinn kam. Und plötzlich fiel ihr noch etwas ein.

      Das Ganze hatte sich vor etwas mehr als einem Jahr zugetragen und lief wie ein Film vor ihrem geistigen Auge ab. Sie sah sich selbst mit ihren Eltern. Alle waren festlich gekleidet.

      Immerhin gab es einen mehr oder weniger bedeutenden Anlass dafür, denn Molly feierte ihren 18. Geburtstag. Vorerst nur im ganz kleinen Rahmen, mit Mom und Dad, weil der Mittwoch sich für keine turbulente Party mit Freunden, Verwandten und Bekannten eignete.

      Die große Feier war deshalb für den kommenden Samstag geplant, aber es gab natürlich schon an diesem Wochentag prickelnden Sekt.

      Delbert Stone ließ den Korken knallen und füllte drei Gläser. Die Eltern stießen mit Molly an und wünschten ihr alles Gute.

      »Herzlichen Glückwunsch, Kleines«, sagte Delbert Stone theatralisch.

      »Danke, Daddy.«

      »Alles, alles Liebe, Molly-Mäuschen«, sagte Loretta Stone bewegt.

      »Danke, Mom.« Molly lächelte gerührt.

      Ihr Vater seufzte leise. »Jetzt bist du also achtzehn«, sagte er feierlich. »Ein schönes Alter. Ein magisches Alter. Du stehst auf der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt, bist kein Kind mehr. Bist zwar noch ein Teenager, aber auch schon eine junge Frau.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Eine wunderschöne junge Frau, wie ich mit berechtigtem Stolz bemerken darf.«

      Molly schaute auf den Teppich. »Hör auf, Dad, du machst mich verlegen.«

      »Du hast absolut keinen Grund, verlegen zu sein«, entgegnete Delbert Stone. »Wirf einen Blick in den Spiegel, und du wirst sehen, dass ich die Wahrheit gesagt habe.«

      Molly trank einen Schluck. Der Sekt kitzelte in ihrer Nase. »Bei solchen Eltern ist es keine Kunst, hübsch zu sein«, gab sie das Kompliment zurück. Vater und Mutter wechselten einen seltsamen Blick, der Molly zwar nicht entging, den sie aber nicht zu deuten wusste. Habe ich etwas Falsches gesagt?, fragte sie sich verwirrt.

      »Setzen wir uns«, schlug Delbert Stone vor.

      Die Familie nahm im Wohnzimmer Platz.

      »Wir – deine Mutter und ich – haben uns vorgenommen, deinen achtzehnten Geburtstag zum Anlass zu nehmen…« Delbert Stone räusperte sich.

      Hatte er eine stimmungsvolle Rede vorbereitet? Wenn ja, dann hatte er sie nicht gut genug auswendig gelernt, denn er suchte ganz offensichtlich nach den passenden Worten und fuhr sich mit dem Finger in den Hemdkragen, als wäre ihm furchtbar heiß.

      Was bewegt ihn?, fragte sich Molly. Er hat etwas auf dem Herzen, das sehe ich ganz deutlich. Aber was? Was möchte er mir sagen?

      »Deine Mutter und ich …«, versuchte er es mit einer neuen Einleitung. »Wie du weißt, haben wir uns mit sechzehn Jahren kennen gelernt…«

      »Auf einer Schaffarm in Irland«, sagte Molly, die die Geschichte sehr gut kannte, weil sie sie nicht zum ersten Mal hörte.

      »Ja, genau.«

      »Die deinem Onkel gehörte«, sagte Molly.

      »Stimmt.«

      »Er hieß Raffael«, ergänzte Molly.

      »Sehr richtig.«

      Molly lächelte. »Raffael Stone.«

      Ihr