sich wieder, sodass Dr. Weigand mit den Untersuchungen beginnen konnte.
*
Während Heike Moebius beim Röntgen war, warteten Schwester Elena und Daniel Norden im Aufenthaltsraum auf Neuigkeiten.
»Seltsame Geschichte«, murmelte der Arzt vor sich hin, während sich Elena an den Computer setzte, um das Krankenblatt anzulegen. »Sie hatte einen Autounfall und behauptet, jemand hätte sie verfolgt. Dabei war weit und breit niemand zu sehen.« In Gedanken versunken nippte er an einem Glas Wasser.
»Das ist wirklich abenteuerlich«, gab Elena ihm recht und blickte auf das Formular auf dem Bildschirm. »Hatten Sie vorhin, bei der Frage nach den Angehörigen, nicht auch den Eindruck, dass sie einer Antwort ausweicht?«
»Dafür kann auch der Schock verantwortlich sein«, erwiderte Daniel und wippte mit dem Stuhl vor und zurück.
Der Tadel in Elenas Blick war nicht zu übersehen.
»Wer schaukelt, steht!«, ermahnte sie ihn.
»Wie bitte?«
Die Schwester lachte.
»Das bekommen meine Kinder in der Schule immer zu hören. Wer mit dem Stuhl schaukelt, muss aufstehen.«
»Oh, das will ich auf keinen Fall riskieren«, erwiderte Daniel sichtlich belustigt, und Elena wandte sich wieder dem Formular zu.
»Dann wollen wir mal sehen«, murmelte sie vor sich hin. »Der Name ist Heike Moebius.« Sie tippte die Buchstaben in den Computer ein. »Damit hört es aber schon wieder auf«, seufzte sie. »Sie wissen wahrscheinlich auch nicht mehr über die Patientin, oder? Geburtsdatum? Wohnort? Krankenversicherung?«
»Leider nein. Aber warum werfen Sie nicht einen Blick in Ihre Handtasche?«, machte der Arzt einen praktischen Vorschlag. »Das ist doch die von Frau Moebius.« Er deutete auf die Tasche, die Schwester Elena von der Liege mitgenommen und im Aufenthaltsraum auf den Tisch gelegt hatte, um sie der Eigentümerin später zurückzugeben.
»Ach, die hab ich ja ganz vergessen.« Elena lächelte und stand auf. »Sie sind mein Zeuge, dass ich nur den Ausweis suche.«
»Ich bin die Aufmerksamkeit in Person! Und unbestechlich«, versprach Daniel und sah Elena bei ihrer Suche zu.
»Hmmm, hier ist ein Portemonnaie. Da könnte der Ausweis drin sein.« Sie zog das schwarze Lederetui heraus und drehte es nach links und rechts. »Zumindest trifft es keine Arme. Diese Börse ist ein Designerstück«, lobte sie anerkennend. »Genau wie die Handtasche.«
»Die Dame scheint einen guten Geschmack zu haben«, lobte auch Dr. Norden. »Leider hat der sie nicht vor ihrem Unfall bewahrt.«
Schwester Elena verstand diesen Hinweis und wurde rot.
»Sie haben natürlich recht. Trotzdem machen schöne Dinge das Leben manchmal angenehmer. Wer weiß, auf was sie im Gegenzug verzichten muss, das sie gern gegen jeden Reichtum der Welt eintauschen würde.« Sie musste daran denken, dass es niemanden auf der Welt gab, den Heike Moebius über ihren Unfall informieren wollte. Ein trauriges Schicksal. »Hoppla!« Während sich Elena mit dem Arzt unterhielt, hatte sie ihre Suche nach dem Personalausweis fortgesetzt und war schließlich fündig geworden. Als sie die Plastikkarte herauszog, fiel ein kleines Foto aus dem Portemonnaie und flatterte zu Boden und direkt vor die Füße von Dr. Norden.
Daniel bückte sich danach. Er wollte es Elena zurückgeben, als sein Blick darauf fiel.
»Ich fresse einen Besen. Wenn das nicht Marla ist!« Zweifelsfrei erkannte er Tatjanas Mitarbeiterin, die auf dem älteren Foto abgebildet war. »Da ist sie zwar erst fünfzehn oder sechzehn. Aber es ist eindeutig Marla.« Er setzte sich aufrecht auf den Stuhl und drehte das Bild um. Eine Telefonnummer war darauf notiert. »Na, das kann ich ja gleich mal ausprobieren«, bemerkte er und war sofort auf den Beinen. Unter Elenas verwunderten Blicken wählte er die Nummer, die in schwungvoller Schrift vermerkt war. Gespannt warteten beide auf eine Antwort.
*
»Dieses Kleid sieht einfach zauberhaft an Ihnen aus!« Die Verkäuferin des Brautmodengeschäfts musterte ihre Kundin wohlwollend. »Wenn wir hier am Rücken noch einen Abnäher machen und es um ein paar Zentimeter kürzen, sitzt es wie angegossen.«
Marla stand vor dem Spiegel und musterte sich. Sie war nicht halb so überzeugt wie ihre Beraterin.
»Ich weiß nicht. Sieht das nicht aus wie Omas Tischdecke?« In ihrer Stimme schwang Unsicherheit, während ihre Hände über die Spitzeneinsätze streichelten.
»Also, ich finde, du siehst toll aus!« Ohne dass Marla es bemerkt hatte, war ein Mann wie aus dem Nichts hinter ihr aufgetaucht. Es war niemand anderer als ihr Verlobter Pascal, der die Hände um ihre Hüften legte und sie über ihre Schulter hinweg im Spiegel anlachte. »Selbst aus Omas Tischdecke machst du ein Kunstwerk.«
Die Verkäuferin warf ihm einen beleidigten Blick zu, und Marla drehte sich zu ihm um. Ihre Augen funkelten vor unterdrücktem Lachen. Doch ihre Stimme war streng, als sie fragte: »Was machst du denn hier? Weißt du nicht, dass es Unglück bringt, wenn der Bräutigam die Braut vor der Hochzeit sieht?«
Pascal senkte den Kopf und schützte Verlegenheit vor.
»Es tut mir leid.« Verlegenheit vorschützend zupfte er an einer von Marlas Burgundersträhnen. »Ich war in der Bäckerei und wollte mich erkundigen, wie es unserem kleinen Helden geht. Da hat Tatjana mir erzählt, dass du Hochzeitskleid aussuchen und ganz traurig bist, weil du allein gehen musst. Diesen Gedanken habe ich nicht ertragen.«
»Oh, Mann!«, schimpfte Marla nicht ganz ernst. »Normalerweise ist Tatjana verschwiegen wie ein Grab.« Sie musterte ihren zukünftigen Mann, als ihr ein Gedanke kam. »Oder hast du sie etwa erpresst?«
»Na ja, vielleicht hab ich sie ein bisschen genervt mit meinen Fragen«, grinste er. »Sie war nervös heute und offenbar froh, mich wieder los zu sein.«
Diese Nachricht verwunderte Marla.
»Seltsam.« Sie trat einen Schritt zurück. Ihr Blick ging durch Pascal hindurch, während sie nachdachte. »Bevor ich heute zu Danny gegangen bin, war sie völlig entspannt. Hoffentlich ist nichts passiert.«
»Keine Ahnung.« Der Galerist zuckte mit den Schultern und beugte sich zu seiner zukünftigen Frau. »Aber ich fürchte, hier passiert gleich was, wenn du nicht schnell ein anderes Kleid anprobierst«, machte er Marla auf die ungeduldige Verkäuferin aufmerksam.
»Na und? Ich bin hier die Kundin«, schnaubte sie. »Ich ziehe nur für dich noch andere Kleider an.«
»Nichts anderes wollte ich hören, Prinzessin.« Pascal schickte ihr eine Kusshand, und Marla verschwand hinter dem Vorhang in der Umkleide, wo noch eine ansehnliche Auswahl auf sie wartete. Während sie noch mit dem Reißverschluss kämpfte, klingelte ihr Handy.
»Ausgerechnet jetzt!« Marla suchte in ihrer Jeansjacke nach dem Mobiltelefon und warf einen Blick darauf. »Hmmm, die Nummer kenne ich nicht.« Sie widerstand dem ersten Impuls und drückte das Gespräch nicht weg. »Hallo!«, meldete sie sich zurückhaltend, wie immer, wenn sie den Anrufer nicht kannte.
»Marla, bist du das? Hier spricht Daniel Norden«, meldete sich eine bekannte Stimme.
Erleichtert atmete die Bäckerin auf. Aber nur kurz. Sofort dachte sie wieder an Pascals Bericht und daran, wie nervös Tatjana gewesen war.
»Daniel, stimmt was nicht? Ist was mit Tatjana?«, platzte sie heraus.
»Mit Tatti ist meines Wissens alles in Ordnung. Vielleicht ist sie noch ein bisschen verwirrt wegen des Unfalls«, erwiderte Dr. Norden. »Das ist auch der Grund, warum ich dich sprechen möchte. Es geht um deine Mutter. Sie hatte einen Unfall in der Nähe der Bäckerei und liegt jetzt in der Behnisch-Klinik.«
In diesem Augenblick erstarrten Marlas Gesichtszüge, und sie spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. Schnell warf sie einen Blick durch den Spalt des Vorhangs vor der Umkleide. Pascal war in ein Gespräch mit der Verkäuferin vertieft und ließ seinen Charme spielen,