ist die zweite«, gestand Daniel, und Fee lachte.
»Dann besteht noch keine Gefahr«, winkte sie ab und setzte sich zu ihrem Mann. »Laut einer neuen Studie ist maßvoller Kaffeegenuss sogar gesund. Der Kaffee schützt angeblich vor Leberkrebs. Außerdem könnte er sogar gut sein fürs Herz. Forscher haben festgestellt, dass die Arterien bei Menschen, die drei bis fünf Tassen Kaffee am Tag trinken, weniger verkalkt sind als bei denjenigen, die Kaffee meiden.«
»Und dieses Studie gilt so lange, bis eine andere das Gegenteil beweist«, scherzte Daniel und biss in seine Butterbreze. Über den Sorgen mit Heike Moebius hatte er das Frühstück völlig vergessen. »Ich bleibe lieber bei meinem Credo ›Alles in Maßen‹«
»Du bist ja auch der klügste Mann von allen«, schwärmte Fee und küsste ihm einen Butterklecks aus dem Mundwinkel. »Aber willst du mir nicht verraten, was dich hierher treibt? Eigentlich müsstest du doch längst in der Praxis sein.«
»Im Augenblick warte ich auf die Blutwerte von Heike Moebius. Heute früh hat sie uns nämlich schon ganz schön auf Trab gehalten.« Er trank einen Schluck Kaffee und berichtete von seinem aufregenden Morgen.
Fee hörte zu, und ihre Betroffenheit wuchs von Augenblick zu Augenblick, von Wort zu Wort.
»Wenn ich mir das alles so anhöre …«, murmelte sie, als ihr Mann geendet hatte. »Nein, ich glaube nicht, dass Frau Moebius ein Alkoholproblem hat oder gar Drogen nimmt.«
»Sondern?« Daniel sah seine Frau an.
Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Ich denke eher an Schizophrenie.«
Dr. Lammers, der noch immer auf seinem Lauschposten hinter der Tür war, ballte die Faust vor Zufriedenheit. Diese Information war Gold wert.
Daniel hingegen war es anzusehen, dass er bisher nicht mit diesem Gedanken gespielt hatte.
»Schizophrenie? Darüber weiß ich zu wenig«, gestand er ohne Zögern.
In diesem Moment hörte Volker Lammers Schritte hinter sich und fuhr herum. Eine Schwester kam des Wegs uns musterte ihn. So blieb ihm nichts anderes übrig, als die Schultern zu straffen, eine gewichtige Miene aufzusetzen und seinen Lauschposten aufzugeben. Aber das war nicht weiter schlimm. Er hatte genug gehört.
Fee sprach unterdessen weiter.
»Dann kannst du ja noch was von mir lernen«, scherzte sie, um gleich darauf zu einer Erklärung anzusetzen. »Bei der Schizophrenie handelt es sich um eine tiefgreifende psychische Erkrankung, die gekennzeichnet ist durch Veränderungen der Gedanken, der Wahrnehmung und des Verhaltens«, erinnerte sie sich an das, was sie in ihrer Facharztausbildung zu diesem Krankheitsbild gelernt hatte. »Typisch ist auch der Realitätsverlust, Psychose genannt. Diese Patienten sind zeitweise nicht in der Lage, Wirklichkeit und Wahn auseinander zu halten. Sie hören Stimmen und fühlen sich verfolgt.«
»Das passt genau zu Frau Moebius’ Verhalten«, stimmte Dr. Norden zu. »Aber könnte es sich nicht auch um eine gespaltene Persönlichkeit handeln? Sie hat heute innerhalb von Minuten umgeschaltet und war wie ausgewechselt.«
Noch während Daniel sprach, schüttelte seine Frau den Kopf.
»Das darf man nicht verwechseln. Bei einer dissoziativen Identitätsstörung bildet der Patient viele verschiedene Persönlichkeiten, die abwechselnd auftreten.«
»Stimmt. Heike Moebius wirkt nicht wie eine andere Person.«
»Trotzdem muss natürlich eine sorgfältige Diagnose durchgeführt werden.«
Diese Informationen ließ sich Daniel Norden durch den Kopf gehen. Wie ein Puzzle setzte er Stück für Stück ein Bild zusammen.
»Wenn es denn nicht schon eine gibt.« Er schob das letzte Stück Breze in den Mund und leerte seinen Kaffee.
»Wie meinst du das?« Fee verstand nicht, worauf ihr Mann hinaus wollte.
»Vielleicht will Marla deshalb nichts mehr mit ihrer Mutter zu tun haben. Weil sie an dieser Krankheit leidet und alle Beteiligten das längst wissen. Und genau das werde ich jetzt herausfinden.« Er beugte sich zu Fee hinüber und küsste sie zum Abschied, ehe er aufstand und aus dem Zimmer eilte. »Ich melde mich bei dir!«, rief er ihr an der Tür noch zu.
Dann verschwand er um die Ecke und ließ seine Ehefrau nachdenklich zurück.
*
Heike Moebius kam gerade aus dem Bad, als Dr. Norden ihr Zimmer betrat.
»Nanu, Sie scheinen ja einen richtigen Narren an mir gefressen zu haben«, scherzte sie und war offensichtlich bester Dinge.
Leider war Daniel diesmal nicht zum Scherzen zumute.
»Ich muss mit Ihnen sprechen«, erwiderte er und setzte sich an den Tisch vor dem Fenster.
Von dort aus hatte man einen herrlichen Blick über den Klinikgarten, den Landschaftsgärtner nach Jenny Behnischs Plänen angelegt hatten. Doch in diesem Moment hatte Daniel keinen Blick für die blühende Pracht dort draußen. Er sah seine Patientin an und bedeutete ihr mit einer Geste, sich zu ihm zu setzen.
Heike zögerte. Dann legte sie das T-Shirt, das sie in der Hand hielt, aufs Bett, und kam seiner Aufforderung nach.
»Warum so ernst, Doktorchen?«, fragte sie ihn und wirkte völlig ahnungslos. »Ich dachte, sie freuen sich, wenn Sie Ihre Patienten zum Lachen bringen können.«
»Aber nicht, wenn mir meine Patienten große Sorgen machen«, gestand er und blickte auf die Fingers seiner ineinander verschlungenen Hände, die er auf den Tisch gelegt hatte.
Sofort drückte Heikes Gesicht all ihr Mitgefühl aus.
»Wer macht Ihnen denn Sorgen?«
»Na, Sie«, seufzte Daniel Norden und beschloss, sie nicht länger auf die Folter zu spannen. »Bitte sagen Sie mir die Wahrheit. Als Sie an den Ampelmasten vor der Bäckerei gefahren sind … wollten Sie sich umbringen?«
»Natürlich nicht. Wie kommen Sie denn auf so eine absurde Idee? Ich wurde verfolgt, das wissen Sie doch!«, ging sie sofort in Verteidigungshaltung.
An Daniels Blick ahnte sie aber, dass sich die Schlinge um ihren Hals enger zog. Vorsichtshalber senkte sie den Kopf.
»Aber Sie wissen doch genau, dass diese Bedrohung nicht echt ist. Nicht wahr? Sie wissen, dass es keine Männer gibt, die Sie verfolgen. Aber Sie wissen, dass Sie eine Tochter hier in München haben. Und dass diese Tochter den Kontakt zu Ihnen abgebrochen hat.«
Heike starrte auf Daniels Hände und presste die Lippen aufeinander. Sie sagte kein Wort, und er fuhr fort.
»Hat Ihre Tochter den Kontakt zu Ihnen abgebrochen, weil Sie krank sind?«, beschloss Daniel, aufs Ganze zu gehen. Er hatte nichts zu verlieren. »Bitte, Frau Moebius, ich will Ihnen helfen. Aber das ist schwierig, wenn Sie nicht mit mir reden.«
Es war Heike anzusehen, dass sie mit sich kämpfte. Nach einer gefühlten Ewigkeit – Dr. Norden dachte schon daran, endlich in die Praxis zu fahren – brach sie endlich ihr Schweigen.
»Ich kann Marla keinen Vorwurf machen.« Ihre Stimme war heiser. »Ich hab es ihr nicht gerade leicht gemacht.«
»Was ist mit Ihrem Mann?«
»Mit Uwe?« Heike Moebius lachte. Es war kein freudiges Lachen. »Wir sind getrennt, seit Marla fünf Jahre alt war.«
Diese Information war neu für den Arzt. Davon hatte Marla nie etwas gesagt.
»Dann leben Sie ganz allein in Stuttgart?«
»Ja, aber ich habe meine Teilhaberschaft in einer Kanzlei, wo ich meine Klienten so gut wie möglich betreue«, erwiderte Heike Moebius, und ihre Hände begannen zu zittern. »Allerdings werde ich alles verlieren, wenn das so weitergeht«, brach es aus ihr heraus.
Diese Bemerkung veranlasste den Arzt zu seiner nächsten Frage.
»Das klingt