Sie noch etwas?“
„Die Frau des Ignaz Lank war heute Morgen bei mir. Ihr Mann ist auf den Tod erkrankt und sehnt sich nach Spendung der heiligen Sacramente, das arme Weib bat und flehte in Todesangst, nur diesmal eine Ausnahme zu machen.“
„Sie haben sie doch mit vollster Strenge zurückgewiesen?“ fragte der Prälat kalt. „Sie wissen, der Mann ist ein Abtrünniger, er hat sich als einer der Ersten der Bewegung angeschlossen, die gegen uns gerichtet ist.“
„Ignaz Lank ist der bravste Bauer weithin in der Runde,“ es bebte eine unterdrückte Bewegung in dem Ton des Sprechenden, „er hat dem Stift stets Ehrfurcht bewiesen und noch kürzlich dem Pater Eusebius das Leben gerettet, als dieser in Gefahr des Ertrinkens kam.“
„Hat er sich bekehrt?“
„Nein!“
„So versagen Sie ihm die Sacramente, und wenn er sterben sollte, verweigern Sie ihm auch den Segen und das Geleit zum Grabe.“
„Hochwürdigster!“
„Pater Benedict, Sie gehorchen und schweigen!“
Benedict schwieg in der That, aber seine Hand ballte sich krampfhaft in den Falten des Talars, dem Auge des Prälaten entging auch diese Bewegung nicht.
„Wie kommt es denn,“ begann er wieder, „daß man sich bei all’ solchen Vorkommnissen immer gerade an Sie wendet? Warum nicht an den Pater Eusebius, warum nicht an die anderen Geistlichen, von denen doch keiner so finster und unzugänglich ist den Leuten gegenüber, als gerade Sie?“
„Vielleicht weil sie trotz alledem fühlen, daß ich der Einzige bin, der hier ein Herz hat!“
Das unvorsichtige Wort war heraus. Dem Prior und jedem Anderen gegenüber hätte es Benedict die schönste Rüge zugezogen, der Prälat blickte gelassen auf ihn nieder, aber es lag Schlimmeres in dem Ton seiner Antwort, als bloße Rüge.
„Nehmen Sie sich vor Ihrem Herzen in Acht, und ich möchte hinzufügen, auch vor Ihrem Kopfe! Das erste ist hier nicht von Nöthen, und der zweite nur da, wo er im Dienste der Kirche gefordert wird. Vergessen Sie nicht, daß Sie dieser unbedingten Gehorsam gelobten, und lehren Sie bei Zeiten Kopf und Herz sich diesem Gelübde beugen, ehe man sie dazu zwingt.“
Benedict erwiderte nichts, was hätte er auch sagen sollen! Der Prälat aber brach plötzlich von dem Gegenstande ab.
„Was die Sache mit dem Pfarrer Clemens betrifft, so habe ich sie mir bereits überlegt und bin geneigt, Ihren Wunsch zu erfüllen. Sie mögen ihm die erbetene Unterstützung leisten, machen Sie sich bereit, übermorgen in das Gebirge abzugehen.“
„Ich danke, Hochwürdigster!“ Der junge Priester wollte sich zurückziehen, als der Prälat plötzlich dicht vor ihn hintrat.
„Ich entlasse Sie damit vorläufig aus meiner Aufsicht und aus der des Klosters überhaupt. Sie kennen die Hoffnungen, die mein Bruder und auch ich auf Ihre Zukunft setzen, Sie sind die jüngste, sind weitaus die bedeutendste Kraft des Stiftes, ich wünschte nicht, daß sie uns verloren ginge. Pater Benedict!“ – er legte schwer die Hand auf dessen Schulter und sah ihm fest in’s Auge, „dort drinnen am Altar haben Sie sich der Kirche zugeschworen mit Leib und Seele, der Eid bindet Sie für Zeit und Ewigkeit. Gedenken Sie dessen, wenn die Versuchung Ihnen nahe tritt, ich lasse Sie gehen, denn ich weiß, daß Sie zu Allem fähig sind, nur nicht zum Meineid!“
Benedict war todtenbleich geworden, aber er hielt den Blick aus. Es geschah selten, daß der Prälat Jemand in solcher Weise lobte, noch seltener, daß er zu Jemand in diesem feierlich mahnenden Tone sprach; der stolze Abt begnügte sich gewöhnlich, Befehle zu ertheilen oder Vergebungen zu strafen, zu Warnungen ließ er sich fast nie herab. Der junge Priester fühlte mitten durch die finstere Drohung hindurch, daß sie mehr bedeutete, als die leutseligste Herablassung gegen Andere, es war darin etwas von der Art, wie man zu Ebenbürtigen spricht.
„Ich weiß, was ich geschworen,“ sagte er dumpf, „und was ich zu halten habe!“
„Es ist gut!“ Der Prälat fiel wieder in seinen gewöhnlichen Ton zurück. „Ich erwarte den Pater Prior und werde ihn von Ihrer veränderten Bestimmung benachrichtigen. Gehen Sie jetzt und halten Sie sich übermorgen zu der Reise bereit.“ –
Benedict hatte erst wenige Minuten den Stiftsgarten verlassen, als der Pater Prior dort eintrat und sich mit viel größerer Demuth und Unterwürfigkeit, als sie seinem Amte zukam, dem hohen Vorgesetzten näherte. In seinem Gesicht stand noch der lauernde Zug, er mochte doch wohl fürchten, daß in der Audienz von „gewissen anderen Dingen“ die Rede gewesen sei, aber seine Besorgniß schwand bald. Der Prälat zeigte sich auch gegen ihn sehr gnädig, redete gleichgültig von einigen Vorkommnissen des Tages, ließ sich über verschiedene Dinge Bericht erstatten und sagte endlich wie beiläufig: „Noch Eins! Pater Benedict wird uns in diesen Tagen verlassen, er geht in’s Gebirge, um auf seinen Wunsch dem Pfarrer Clemens die erbetene Aushülfe in der Seelsorge zu leisten.“
„Auf seinen Wunsch?“ Dem Prior blieb vor Erstaunen das Wort im Munde stecken.
„Sie sind überrascht? Ich war es gleichfalls, der Posten ist nicht danach, daß ihn Jemand wünschen sollte! Haben Sie irgend eine Ahnung, welches der Grund dieser seltsamen Bitte sein könnte?“
„Nicht die geringste! Es müßte denn sein“ – der Prior konnte unmöglich die Gelegenheit vorbeilassen, dem Gehaßten hinterrücks einen Hieb zu versetzen – „es müßte denn sein, daß ihm die strenge Klosterzucht unbequem wäre, und er sich nach einer größeren Freiheit sehnte.“
Der Prälat schüttelte den Kopf. „Das ist’s nicht! Daher stammte nicht die Flamme auf seiner Stirn. Haben Sie bemerkt, daß er sich in letzter Zeit an irgend Jemand näher anschloß, daß er Umgang mit den Familien der Nachbarschaft hatte, vielleicht mit Frauen in Berührung kam?“
„Nein, durchaus nicht. Er sucht auf seinen Spaziergängen geflissentlich die Einsamkeit und betritt nie eine fremde Schwelle, wenn man ihn nicht in seiner priesterlichen Eigenschaft verlangt.“
„Ich kann mich irren,“ sagte der Prälat gedankenvoll. „Möglicherweise will er sich eine neue Art von Pönitenz damit auferlegen, Entsagung genug fordert jene Stellung.“
„Mit der Pönitenzsucht des Paters Benedict ist es schon längst vorbei!“ warf der Prior hämisch ein. „Schon seit Wochen hat er alle die Buß- und Betübungen, denen er sonst so eifrig oblag, völlig aufgegeben. Das nahm alles wie mit einem Schlage ein Ende.“
„Er wird eingesehen haben, daß sie nutzlos und,“ meinte der Prälat kühl, „und er hat Recht, ich tadle gerade das am wenigsten. Sonst haben Sie keine Klage über ihn?“
Der Prior zögerte, gern hätte er seinem Hasse Luft gemacht, aber er wußte zu gut, daß er für jedes seiner Worte einzustehen hatte. Der Prälat war nicht der Mann, ihnen blindlings zu glauben, ohne Untersuchung. „Nein!“ sagte er endlich.
„So mag die Sache vorläufig auf sich beruhen. Benachrichtigen Sie inzwischen den Pfarrer.“
„Hochwürdigster,“ begann der Prior wieder mit seiner kriechenden Demuth. „Es ziemt mir freilich nicht, einen Rath ertheilen zu wollen, wo Reverendissimus bereits entschieden haben, aber diese Bestimmung – ohne dem Pater Benedict nahe treten zu wollen – ich zweifle dennoch an seiner Zuverlässigkeit.“
„Ich habe längst daran gezweifelt!“ sagte der Prälat kalt, „und eben deshalb soll er fort. Hier im Convent hütet er Blick und Wort wohlweislich, weil er weiß, daß jede Miene beobachtet wird; hier ist dieser Verschlossenheit nichts zu entreißen. Wir wollen es einmal mit der Freiheit versuchen, vielleicht zeigt sich da eher, was eigentlich an ihm ist. Selbstverständlich wird für die nöthige Ueberwachung gesorgt. Sie haben doch zuverlässige Leute an jenem Orte?“
„Den Schullehrer, auf den ich mich in jeder Hinsicht verlassen kann. Von dem alten schwachköpfigen Pfarrer Clemens konnte er freilich nicht viel berichten, in Bezug auf Pater Benedict stehe ich dafür, daß